Der FC Bayern verliert bei Atlético Madrid. Wieder einmal wurde deutlich: Im Vereinsfußball haben die deutschen Vereine gegen Spanier stets das Nachsehen. Die Hauptgründe: Die spanischen Vereine geben mehr Geld aus, haben aber auch eine erfolgreichere Nachwuchsarbeit. Eine Analyse.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Zuerst Borussia Dortmund gegen Real Madrid, dann Mönchengladbach gegen den FC Barcelona und die Bayern bei Atlético Madrid: Drei deutsch-spanische Duelle gab es an den vergangenen beiden Tagen in der Champions League. Die ernüchternde deutsche Bilanz: Zwei Niederlagen, ein Unentschieden.

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Selbst die Übermannschaft des FC Bayern München scheitert ständig gegen spanische Vereine. Gestern gab es eine verdiente 0:-Niederlage1. In den vergangenen drei Spielzeiten unterlag der Rekordmeister jeweils im Halbfinale Real Madrid, dem FC Barcelona oder Atlético Madrid.

Seit 2001 gab es 15 spanische Europapokalsieger

Der spanische Vereinsfußball scheint Deutschland in jeder Hinsicht überlegen zu sein. In den vergangenen drei Jahren gingen die Titel in der Champions League und der Europa League immer an spanische Mannschaften. Noch krasser: Seit 2001 gab es 15 spanische Europapokalsieger. Für Deutschland gab es in diesem Zeitraum nur zwei Titel des FC Bayern München.

Günter Netzer führt die spanische Dominanz auf eine Wettbewerbsverzerrung zurück. In seiner Bild-Kolumne schrieb er: "Selbst Real Madrid und Barcelona können ihre Budgets nicht mehr decken, sind hoch verschuldet. Sie gehen mit Etats in die Saison, von denen sie wissen, dass sie die Saison mit einem Minus abschließen."

Spanische Vereine versinken in Schulden

Dabei mangelt es den Spaniern keineswegs an Einnahmen. Im Gegenteil: Real Madrid und Barcelona machen laut einer Auswertung des Wirtschaftskonzerns Deloitte das meiste Geld. Madrid kam in der Saison 2014 / 2015 auf einen Umsatz von 577 Millionen Euro. An Position zwei steht der FC Barcelona mit 561 Millionen. Der FC Bayern München rangiert mit 474 Millionen Euro auf Platz fünf.

Doch während die Münchner mit ihrem Geld solide wirtschaften, versinken die spanischen Vereine in Schulden. Der Ligaverband LFP gab im vergangenen Jahr bekannt, dass die spanischen Erst- und Zweitligisten zusammen eine Schuldenlast von 2,757 Milliarden Euro haben.

Unrühmliche Spitzenreiter sind Barcelona und Real Madrid, die zu diesem Zeitpunkt mit 767 Millionen Euro in der Kreide standen. Ohne Schulden wäre es kaum möglich, die weltbesten Spieler wie Cristiano Ronaldo oder Neymar nach Spanien zu locken und dort zu halten.

Auch Atletico Madrid ist längst einer der stärksten Vereine Europas. Dabei betrug der Umsatz in der Saison 2014 / 2015 "nur" 187 Millionen Euro. Trotzdem wurden in den letzten drei Transferperioden insgesamt 406,06 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben. Gewinnbringende Spielerverkäufe, aber auch der milliardenschwere chinesische Investor Wang Jianlin, machen es möglich.

Nachwuchsarbeit gilt als vorbildlich

Doch wurde Spanien nicht nur durch Mega-Transfers zur Fußball-Macht unserer Zeit. Auch die Nachwuchsarbeit gilt als vorbildlich. Im Kader vom FC Barcelona und Real Madrid befinden sich je acht Spieler, die komplett oder zumindest teilweise in der eigenen Akademie ausgebildet wurden. Bayern München kommt mit Philipp Lahm, Holger Badstuber, David Alaba, Thomas Müller und dem zurückgekauften Mats Hummels nur auf fünf Eigengewächse. Alaba, der bereits 2010 sein Bundesligadebüt gab, war der letzte Top-Spieler aus dem eigenen Nachwuchs. Bayerns Jugendabteilung steht deshalb in der Kritik.

Stefan Kohfahl weiß um die Stärken der spanischen Nachwuchsarbeit. Der Hamburger leitet die westeuropäischen Fußballschulen von Real Madrid. "Spanische Vereine haben ein gut durchdachtes Konzept, wie ein F-Jugendspieler in die A-Jugend gebracht wird", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. "Jeder Verein hat eine Methodik-Abteilung, die die Weiterentwicklung der Spieler bewertet. Es findet mehr individuelles Training statt, wo an den Schwächen gearbeitet wird."

Betreuung der Spieler ebenfalls besser

Auch die Betreuung der Spieler empfindet Kohfahl in Spanien als besser: "Bei Real Madrid gibt es eine interne Spielerberatung. Wenn ein 18-Jähriger im eigenen Verein nicht direkt nach oben gelangt, kümmert sich der Verein darum, dass er woanders unterkommt. Die Spieler werden mit Methodik verliehen. Sie sollen sich weiterentwickeln und später den eigenen Verein verstärken. Deutschen Vereinen geht es teilweise nur darum, die Spieler von der Gehaltsliste zu bekommen."

Dass die Spanier häufig mehr Eigengewächse im Kader haben, bringt nicht nur einen finanziellen Vorteil. Die Spieler haben auch die Spielphilosophie des Vereins mehr verinnerlicht. In Spanien beinhaltet das viel Ballbesitz und eine hohe taktische Flexibilität. Kohfahl sagt: "Spanische Spieler sind körperlich meist schwächer, finden aber mehr spielerische Lösungen."

Der spanische Fußballverband beteiligt sich an der Ausbildung. Im Ciudad del Futbol nahe Madrid werden nicht nur die besten Jugendspieler gefördert. Auch die Nachwuchstrainer werden dort zentral ausgebildet. Hier will der DFB nachziehen. Ende 2018 soll in Frankfurt ein modernes Leistungszentrum eröffnet werden.

Vielleicht hilft das dem deutschen Fußball ein wenig, die spanische Dominanz zu brechen.

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