Der FC Bayern verliert das vierte wichtige Spiel in Folge bei einem spanischen Klub und muss ernüchtert feststellen: Auch Carlo Ancelotti kann offenbar nicht allein durch Handauflegen die Champions League gewinnen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Das Vicente Calderon ist eine Bruchbude, sagen die einen. Das Vicente Calderon ist ein Stadion, das Geschichte atmet und mehr Charme und Flair hat als hundert aus dem Boden gestampfte Arenen zusammen. Vor allen Dingen aber ist das Estadio Vicente Calderon von Atlético Madrid eine Festung.

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Die besten Mannschaften der Welt beißen sich daran seit Jahren die Zähne aus, jetzt durfte der FC Bayern sogar zweimal innerhalb kürzester Zeit in den Süden der spanischen Hauptstadt reisen und sich versuchen. Aber auch nach 180 Minuten blieben die Bayern ohne (Teil-)Erfolg und ohne Tor.

Im neunten Pflichtspiel mit dem neuen Trainer Carlo Ancelotti setzte es für die Bayern die erste Niederlage. Und es soll Experten geben, die in den letzten Wochen bereits geahnt hatten, dass der Ausflug nach Madrid in eben einer solchen enden würde.

Atlético schlägt die nächste Schlacht

Da war zum einen die Vorgeschichte mit zuletzt drei Niederlagen in Folge in K.o.-Spielen gegen spanische Top-Klubs, ein 0:1 bei Real, ein 0:3 bei Barca und ein 0:1 bei Atlético. Alle drei Spiele waren die Vorboten für ein später folgendes Ausscheiden im Halbfinale. Nun war es "nur" ein Spiel der Gruppenphase - zumindest für die Bayern.

Atlético spielte die Partie, wie Atlético Partien mit Gewicht eben spielt: Wie ein Endspiel, wie eine Schlacht. Die 90 Minuten gegen die Bayern hatten etwas von einer K.o.-Phase, so intensiv und emotional ging Atlético zu Werke. Die Münchener hatten dem erstaunlich wenig entgegenzusetzen. Nach Thomas Müllers dicker Chance zur Führung gleich zu Beginn - die vermutlich so einiges erleichtert hätte - blieb die Offensive des deutschen Rekordmeisters stumpf wie lange nicht mehr.

Die Bayern spielten ordentlich, aber viel zu brav. Sie hatten viele brauchbare Ansätze und ein paar Halbchancen. Aber sie konnten zu keinem Zeitpunkt der Partie zwingenden Druck aufbauen. Es fehlte an Ideen, an Esprit und Inspiration. Als nach der Partie die üblichen Statistiken rumgereicht wurden, lagen die Münchener in fast jeder Rubrik vorne.

Die Offensive enttäuscht

Aber abseits der öffentlichkeitswirksamen Daten, die so viel und doch so wenig aussagen können, gab es ein paar entscheidende Mängel. Es gab zum Beispiel keinerlei Verknüpfungspunkte unter den drei Offensiven Robert Lewandowski, Thomas Müller und Franck Ribery und eine Linie dahinter zwischen Arturo Vidal und Thiago.

Kaum Zuspiele untereinander, kaum zusammenhängende Passagen. Die Folge war ein sehr flügellastiges Spiel der Gäste, die dort aber immer wieder leicht eingebremst werden konnten und das Tempo drosseln mussten. Und durch das Zentrum ging rein gar nichts.

In der Münchener Defensive wurden dazu entscheidende Zweikämpfe halbherzig geführt und entsprechend verloren - es reihten sich zu viele kleine Fehler aneinander.

Ancelottis Kritik

"Ich glaube, wir haben nicht bissig genug gespielt, wir waren nicht entschlossen genug. Wir hatten Ballverluste, wir haben uns Konter eingefangen, wir waren teilweise auch zu langsam. Gegen Atlético muss man schneller und effizienter sein, die Gelegenheiten nutzen", sagte Ancelotti und man konnte schon erkennen, dass diese erste Niederlage als Bayern-Coach auch beim sonst so lässigen Italiener Eindruck hinterlassen hatte.

Seine Bayern waren in den Umschaltmomenten nicht wach genug, aber das war nur die halbe Wahrheit. Es fehlte, was bereits in den beiden Halbfinalspielen der vergangenen Saison gegen Atlético gefehlt hatte: Ein bisschen Glück und sehr viel mehr Galligkeit, Gier und Abgeklärtheit vor dem gegnerischen Tor.

"Atlético hat den Killerinstinkt - wir nicht"

"Atlético hat den Killerinstinkt, können aus wenigen Chancen viel machen. Wir hatten diesen Killerinstinkt nicht", sagte Manuel Neuer und besser hätte man es wohl nicht auf den Punkt bringen können. Nach zwei Spieltagen ist natürlich noch nicht viel passiert und schon gar nichts verloren. Aber die Art und Weise der Niederlage und die Blaupause mehrmals erlebter Pleiten sorgten für ein mulmiges Gefühl.

"Wir haben verloren, daraus müssen wir lernen", sagte Arjen Robben. So hatte sich der Niederländer bereits im April angehört, auf den Lerneffekt warten die Bayern bis heute vergeblich. Unter Pep Guardiola gelang diese Wende nicht, unter Ancelotti setzt sich der Trend nun im Kleinen fort. Die Bayern haben nun lediglich zwei ihrer letzten elf Auswärtsspiele in der Königsklasse gewonnen, gegen die Leichtgewichte Olympiakos Piräus und Dinamo Zagreb.

Die Bayern unter Ancelotti haben noch jede Menge zu tun. Aber, und das ist die beruhigende Erkenntnis: Die Saison ist ja noch lang. Und wirklich ernst wird es erst im Frühjahr werden. Nur, irgendwann wird dann wohl auch wieder Atlético warten. Diese Mannschaft ohne Schwächen, die alles kann, keine Schwächen offenbart und aus vergleichswiese wenig sehr viel macht.

"Ich kenne jede Ecke, jede Tribüne und jeden Fan. Ich will, dass die Leute echten Fußball erleben", sagte Atléticos Trainer also. "Wir spielen seit vier Jahren diesen Fußball. Wir wissen, was wir wollen und werden unseren Stil nicht ändern." Simeones Worte klangen dabei wie eine düstere Drohung an die Konkurrenz.

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