Die Krise von Borussia Dortmund hat sich nach dem Pokal-Aus gegen den VfL Wolfsburg weiter zugespitzt. Nach dem Spiel sprach Sportdirektor Sebastian Kehl über die Gründe für die Erfolglosigkeit, den glücklosen Sommer-Neuzugang Maximilian Beier und das bevorstehende Top-Spiel gegen RB Leipzig.

Ein Interview

Drei Niederlagen in Serie erschüttern Borussia Dortmund: erst die 2:5-Niederlage in der Champions League gegen Real Madrid, dann das 1:2 in der Bundesliga gegen den FC Augsburg, jetzt am Dienstagabend auch noch das Pokal-Aus beim VfL Wolfsburg.

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Der BVB steckt tief in der Krise. In der 2. Runde des DFB-Pokals kassierten sie erst in der 117. Minute der Verlängerung das entscheidende Gegentor zum 0:1 durch Jonas Wind. Die BVB-Spieler sanken enttäuscht zu Boden, als kurz darauf der Abpfiff ertönte. Sebastian Kehl sprach danach unter anderem mit unserer Redaktion über die schwierige Situation.

Herr Kehl, was geht Ihnen nach dieser Niederlage durch den Kopf?

Sebastian Kehl: Natürlich sind wir sehr enttäuscht. Ich glaube, wir hätten das Weiterkommen auch verdient gehabt. Am Ende in der 118. Minute das Gegentor zu kassieren und nicht mehr wirklich reagieren zu können, ist leider ein Teil der Geschichte heute. Ich kann der Mannschaft gar keinen Vorwurf machen. Sie hat wirklich alles gegeben, hat sich reingehauen und hat gekämpft bis zum Umfallen. Sie ist an die Grenzen gegangen, die wir bei unseren personellen Möglichkeiten hatten. Aber der Ball wollte einfach nicht reingehen. Das bisschen Glück, das man in solchen Spielen braucht, müssen wir uns weiter hart erarbeiten. Heute haben wir dieses Glück nicht geschenkt bekommen.

Kehl: "Wir waren wirklich gut im Spiel"

Gibt es eine Möglichkeit, die Spieler jetzt wieder aufzurichten? Die Stimmung in der Kabine dürfte sehr niedergeschlagen sein…

Ja, natürlich ist es eine enttäuschte Stimmung. Alle sind sehr ruhig, denn wir wissen, dass wir in diesem Wettbewerb ausgeschieden sind. Das können wir nicht mehr korrigieren. Ich habe natürlich das Ziel, wieder einmal nach Berlin zum Finale zu fahren. Wir wussten, dass es unter diesen Voraussetzungen hier in Wolfsburg schwer wird. Aber die Mannschaft hat das Spiel von der 1. Minute an gut angenommen, hat das Spiel kontrolliert und Chancen herausgespielt. Wir waren wirklich gut im Spiel. Am Ende scheiden wir trotzdem aus.

Sie machen der Mannschaft keinen Vorwurf. Dafür aber waren die Fans sehr unzufrieden und haben gepfiffen. Es gibt eine große Unruhe im Vereinsumfeld, oder?

Wir müssen ein bisschen differenzieren. Ich glaube, dass es heute keinen Spieler gab, der nicht den Willen hatte. Einige Jungs sind über die Grenzen hinweggegangen. Daher kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Aber natürlich sind die Fans mit den Ergebnissen der letzten Spiele nicht zufrieden. Wir haben ein paar Niederlagen in Folge kassiert. Das drückt sicherlich den Unmut der Fans aus. Das können wir verstehen. Das ist nicht unser Anspruch.

Kehl steht zu Trainer Sahin

Welche Mittel helfen nun, um aus der Krise herauszukommen?

Zaubern wird niemand können. Am Ende bleibt es dabei, dass wir die Kräfte sammeln müssen, dass wir zusammenstehen müssen, dass wir hart an den Dingen arbeiten müssen - so wie wir das heute versucht haben. Am Samstag haben wir wieder ein Heimspiel und benötigen unsere Fans. Wir treffen auf starke Leipziger.

Was bedeutet die erneute Niederlage für den Trainer Nuri Sahin?

Nichts – außer, dass wir natürlich alle enttäuscht sind und der Trainer auch sehr enttäuscht ist.

Ein erfolgreiches Spiel am Samstag gegen RB Leipzig wäre wichtig, um nicht den Anschluss an die oberen Tabellenplätze zu verlieren. Wie viel Druck liegt auf dem Trainer und auf der Mannschaft?

Druck ist bei Borussia Dortmund immer da, das ist klar. Das zeigte ja auch die Reaktion der Fans. Wir hinken den Ansprüchen hinterher. Daran werden wir arbeiten. Aber das ist keine Situation, die Borussia Dortmund nicht in der Vergangenheit auch schon mal gemeistert hat. Wir werden zusammenstehen. Leider ist der Kader aufgrund der Verletzungssituation relativ klein. Trotzdem werden wir am Samstag alles versuchen, dieses Spiel zu gewinnen. Das ist unsere Pflicht, das sind wir unseren Fans schuldig. Ich sehe uns auch durchaus in der Lage dazu.

"Das Spiel hätte auch in unsere Richtung kippen können"

Und Sie sind überzeugt davon, dass Sie so aus der Krise kommen?

Natürlich, ich bin davon überzeugt, dass uns nicht viel fehlt, um Spiele zu gewinnen. Das war heute nicht anders. Das Spiel hätte auch in unsere Richtung kippen können. Wolfsburg hat uns nicht an die Wand gespielt. Sie hatten am Ende noch ein bisschen mehr Power und Geschwindigkeit. Aber wir wollen das (die vielen Verletzungen, Anm.d.Red.) nicht als Ausrede nutzen. Wir werden am Samstag alles versuchen, um mit unseren vorhandenen Mitteln zu einem guten Ergebnis zu kommen.

Der Sommer-Neuzugang Maximilian Beier wartet auch im elften Pflichtspiel weiter auf seinen ersten Treffer. Er hatte früh im Spiel eine Top-Chance und knallte den Ball gegen den Pfosten. Passt dies in das Gesamtbild?

Ich glaube, jeder hätte Maxi das Tor in dieser Situation gewünscht. Das war ein toller Laufweg, ein toller Pass, eigentlich alles richtig gemacht – er hat auch im richtigen Moment abgeschlossen. Es sind eben ein paar Zentimeter, die uns momentan fehlen. Uns fehlt das Glück, dass der Ball reingeht. Aber ich glaube, Maxi hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Er war unglaublich fleißig, hat sehr viele Wege gemacht. Die beiden da vorne (Beier und Serhou Guirassy, Anm.d.Red.) haben sich gut verstanden. Aber das hilft uns nicht, weil wir ausgeschieden sind.

Über den Gesprächspartner

  • Sebastian Kehl (Jahrgang 1980) gab im Alter von 18 Jahren sein Profidebüt in der Bundesliga für Hannover 96. Im Jahre 2000 wechselte er zum SC Freiburg, 2002 zu Borussia Dortmund. Er blieb bis zu seinem Karriereende 2015 beim BVB, gewann dreimal die Deutsche Meisterschaft und einmal den DFB-Pokal. Er absolvierte 31 Länderspiele für Deutschland. Seit dem 1. Juli 2022 ist er Sportdirektor von Borussia Dortmund.
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