Nach drei vergeblichen Versuchen bekam der DFB endlich die Zusage für die erste Europameisterschaft in Deutschland. Doch die gute Stimmung wurde schon frühzeitig getrübt.

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Die Ostblockstaaten wollten (West-)Berlin nicht als Stadt der BRD anerkennen und drohten mit Boykott, wenn der DFB auch die ehemalige Hauptstadt als Spielort bestimmen würde. Der Verband nahm nach langem hin und her und auf Druck der UEFA Abstand vom Spielort Berlin und beendete so alle politischen Diskussionen um die EM.

Neben den als Gastgeber qualifizierten Deutschen meldeten sich 32 Länder für die EM-Qualifikation. In sieben Gruppen wurden die restlichen sieben Startplätze vergeben, wobei es zur ein oder anderen Sensation kam. Titelverteidiger Frankreich gewann in Gruppe 3 nur eins seiner acht Spiele und blieb blamabel auf der Stecke. In derselben Gruppe bot die DDR eine starke Leistung, musste sich am Ende aber der Sowjetunion geschlagen geben. Und in Gruppe 7 setzte sich der krasse Außenseiter Irland gegen Belgien, Bulgarien, Schottland und Luxemburg durch und schaffte es erstmals zu einem großen Turnier. In Deutschland wurden in der Zwischenzeit die Stadien der acht Austragungsorte modernisiert und mobil gemacht für den befürchteten Ansturm der irischen, englischen und holländischen Fans.

Die Auslosung im Januar 1988 brachte dann das Eröffnungsspiel Deutschland gegen Italien – aber vor allem den Bruderkampf zwischen England und Irland zu Tage. Am 10. Juni 1988 ging es im Düsseldorfer Rheinstadion los – allerdings nicht so, wie es sich der Gastgeber erhofft hatte. Mancini traf kurz nach der Pause für Italien und Deutschland konnte sich bei Andreas Brehme bedanken, der einen zweifelhaften Freistoß wenigstens noch zum Ausgleich ins Netz donnerte. Im zweiten Gruppenspiel gegen Dänemark lief es schon besser. Jürgen Klinsmann und Olaf Thon schossen einen verdienten 2:0 Erfolg heraus. Da Spanien im Parallelspiel gegen Italien verlor, kam es im letzten Gruppenspiel gegen die Iberer zu einem echten Endspiel.

Im Münchener Olympiastadion wurde die Partie zur Sternstunde des Rudi Völler. Der Stürmer vom AS Rom stand nach eher schwachen Leistungen in der Kritik, Teamchef Beckenbauer hielt dennoch an ihm fest. Zu Recht. Völler erzielte zunächst auf Zuspiel von Klinsmann das 1:0 und sorgte in der zweiten Hälfte nach toller Vorarbeit von Lothar Matthäus für die endgültige Entscheidung. Die "L’Equipe" sprach von einem "glanzvoll errungenen Sieg" der DFB-Elf.Noch enger ging es in Gruppe 2 zu. Zum Auftakt strömten fast 60.000 Iren und Engländer nach Stuttgart, um dem Kampf David gegen Goliath beizuwohnen Bereits in der sechsten Minute stellte ein Kopfball von Ray Houghton den historischen Sieg für die Iren sicher. "Es waren die längsten 84 Minuten meines Lebens", gestand Irland-Coach Bobby Charlton danach. Die "Irish Press" sah den "größten Sieg der irischen Fußballgeschichte".

In der Stuttgarter Innenstadt machten die berüchtigten englischen Fans ihrem schlechten Ruf alle Ehre und zertrümmerten einige Bars und Kneipen. Da sich die Niederlande zum Auftakt gegen die Russen eine vermeidbare Niederlage erlaubten (0:1), kam es im zweiten Gruppenspiel gegen England zum Duell der Verlierer. Es wurde die One-Man-Show und die Wiedergeburt des Marco van Basten. Nach langer Verletzungspause machte van Basten das beste Spiel seiner Länderspielkarriere und erlegte die Engländer mit drei Toren beim 3:1-Sieg im Alleingang. Damit war das Turnier für die Three Lions schon vorbei.

Die Entscheidung um den Einzug ins Halbfinale musste also im letzten Spiel zwischen Irland und Holland fallen. Den Iren genügte nach dem Punktgewinn gegen die UdSSR (1:1) bereits ein Remis. 84 Minuten lang rannten die Niederländer vergeblich an. Nach einer zu kurz abgewehrten Ecke feuerte Ronald Koeman den Ball einfach mal aufs Tor. Der kurz zuvor eingewechselte Wim Kieft hielt den Kopf in die Flugbahn und fälschte den Ball entscheidend ab. Keeper Pat Bonner wurde auf dem falschen Fuß erwischt und der Ball hoppelte zum 1:0 ins Netz.

Da dabei ein Holländer im passiven Abseits stand, ist der Treffer bis heute höchst umstritten. Schiedsrichter Horst Brummeier aus Österreich aber hatte nichts gesehen. Im Hamburger Volksparkstadion kam es also zum ewig jungen Duell zwischen Deutschland und Holland. Oranje dürstete es auch 14 Jahre nach der Niederlage von München noch nach Revanche – vielleicht mehr denn je.

Lothar Matthäus brachte Deutschland nach einem zweifelhaften Elfmeter kurz nach der Pause in Führung. Frank Rijkaard hatte Jürgen Klinsmann gefoult. Die Holländer antworteten mit wütenden Angriffen und wurden in der 74. Minute von Schiedsrichter Ion Igna aus Rumänien belohnt. Jürgen Kohler spitzelte van Basten den Ball fair vom Fuß, der Rumäne zeigte dennoch auf den Punkt. Koeman ließ sich die Chance nicht entgehen und glich aus.

Zwei Minuten vor dem Ende dann der Schock: Jan Wouters erspähte eine Lücke in der deutschen Abwehr und schickte einen Steilpass auf van Basten auf die Reise. Der Torjäger entwischte Kohler nur dieses eine Mal – und schob den Ball im Fallen an Kohler und Keeper Eike Immel vorbei ins lange Eck. Für den Gastgeber war das Turnier beendet, die Holländer hatten endlich die lang ersehnte Revanche. Knapp zehn Millionen Niederländer feierten nach dem Spiel auf den Straßen. "Vor allem ältere Menschen weinten, das hatte noch mit dem Krieg zu tun", sagte Bondscoach Rinus Michels.

Auch im zweiten Halbfinale musste mit Italien der vermeintliche Favorit die Segel streichen. Die Azzurri kamen mit dem Rasenschach der Russen nie zurecht und verloren völlig verdient mit 0:2. Das Endspiel von München wurde dann zu einem einzigen Schaulaufen der Holländer. Ruud Gullit brachte Oranjes in der ersten Halbzeit per Kopf in Führung. Als die Russen etwas besser wurden, zog ihnen van Bastens Wundertor zum 2:0 den Zahn. Nach einer weiten Flanke von Arnold Mühren hämmerte der Stürmerstar den Ball aus unmöglichem Winkel volley in den linken Giebel. "Das war das Tor seines Lebens", sagte Coach Michels danach. Kurz vor dem Ende verschoss Igor Belanow dann auch noch einen Elfmeter: Die Niederlande war Europameister! "Holland und der Fußball – die großen Sieger einer Super-EM", jubelte die Schweizer Zeitschrift "Sport" nicht zu Unrecht.

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