Mario Gomez ist raus, Mats Hummels gesperrt und bei Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger sieht es nicht gut aus: Deutschland hat vor dem Halbfinale gegen Frankreich große Personalsorgen. Joachim Löw benötigt entweder ein medizinisches Wunder. Oder aber ein paar pfiffige Ideen.
Kein Turnierspiel einer deutschen Nationalmannschaft ohne das entsprechende Bohei. Das ist die goldene Regel, spätestens seit den Tagen des Sommermärchens vor zehn Jahren. Ein Teil dieser Folklore sind dann immer kaum zulässige Quervergleiche zu früheren Turnieren oder Spielen.
Wenn die deutsche Mannschaft am Donnerstagabend aber auf Frankreich trifft, ist ein wenig mehr Getöse getrost erlaubt. Schließlich dient als letzte Referenzgröße für ein deutsches Halbfinale bei einem großen Turnier nichts weniger als das Jahrhundertspiel.
An das, was Deutschland vor zwei Jahren mit dem Gastgeber der Weltmeisterschaft veranstaltet hat, wird man sich dieser Tage des Öfteren erinnern. An eine Wiederholung der magischen Nacht von Belo Horizonte, als Deutschland Brasilien 7:1 schlug, mag ohnehin niemand glauben. Ganz im Gegenteil hat Deutschland dieses Mal vor dem Spiel mit großen personellen Problemen zu kämpfen. Und nicht der Gastgeber, der damals in Neymar und Thiago Silva auf seine beiden besten Spieler verzichten musste.
Quartett droht auszufallen
Deutschland hat vor dem Duell mit Frankreich ein Personalproblem.
Für Gomez ist die EM wegen eines Muskelfaserrisses definitiv gelaufen, bei
Mal wieder stehen zwei stille Helden des DFB-Trosses unfreiwillig im Mittelpunkt: Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Physiotherapeut Klaus Eder. Beide hatten in den vergangenen Tagen und Wochen bereits Schweinsteiger, Khedira oder Boateng wieder fit bekommen. Aber zaubern können auch Müller-Wohlfahrt und Eder nicht. Und deshalb ist momentan davon auszugehen, dass Joachim Löw gleich vier wichtige Spieler gegen die Franzosen fehlen werden.
Falsche Neun im Angriff
Es stellt sich unweigerlich die Frage nach Alternativen und systemimmanenten Umstellungen der Startelf. Dabei ist zumindest das Reservoir an geeigneten Spielern einigermaßen überschaubar. Durch Gomez' Ausfall haben sich - quasi als kleiner Trost am Rande - immerhin die Diskussionen über einen echten Mittelstürmer oder die falsche Neun im Zentrum erübrigt.
Es wird zwangsläufig darauf hinauslaufen, dass der Bundestrainer auf einen schwimmenden Mittelstürmer setzen muss, also einen, der nicht klassisch als Stoßstürmer permanent das Zentrum besetzt, sondern auf die Flügel oder ins Mittelfeld ausweicht. Es sei denn, Löw geht "all in" und reaktiviert den gelernten Angreifer Lukas Podolski für diese Position. Aber davon ist nun wirklich nicht auszugehen.
Vielmehr dürfte Mario Götze die besten Chancen haben, gegen Frankreich in vorderster Linie zum Einsatz zu kommen. Julian Draxler hat gegen Italien bewiesen, dass er mit dieser Rolle kaum zurecht kommt, ebenso fühlt sich Andre Schürrle mit dem Rücken zum Tor nicht besonders wohl. Bliebe allenfalls noch Thomas Müller. Als Raumsucher und Passspieler im letzten Drittel ist der Münchener aber wertvoller, zudem plagt er sich ja auch noch mit dieser hartnäckigen Serie von null EM-Toren herum.
Weigl, Can oder Kimmich
Im defensiven Mittelfeld ist Löw nur noch
Dass Löw sich nicht scheut, auch unerfahrenere Spieler in wichtigen Partien ins kalte Wasser zu werfen, hat er vor zwei Jahren im Finale von Rio mit der Berufung von Christoph Kramer bewiesen. Weigl wäre dann das absichernde Element im defensiven Mittelfeld neben Kroos.
Variante Nummer drei wäre die Versetzung von
Rückkehr der "alten" Viererkette?
Das wiederum würde aber weitreichendere Umstellungen auch in der Abwehr zur Folge haben. Kimmichs Position rechts in der Kette oder im rechten Mittelfeld wäre vakant. Und für Hummels benötigt Löw ohnehin schon einen Ersatz. Als logischer Kandidat für die Innenverteidigung gilt Benedikt Höwedes.
Aber: Der Schalker wäre auch als rechter Verteidiger wertvoll, gerade gegen eine spielstarke Mannschaft wie Frankreich. Also Höwedes nach rechts - und stattdessen Shkodran Mustafi wieder neben
"Es ist sehr bitter, wenn in der entscheidenden Phase des Turniers wichtige Spieler ausfallen. Für uns heißt das, dass wir die neue Situation annehmen und Lösungen finden müssen. Und das werden wir", sagt Joachim Löw.
Er muss jetzt improvisieren und vielleicht auch ein bisschen zaubern. Denn Frankreich hat sich im Turnierverlauf deutlich gesteigert - und im Vergleich zur deutschen Mannschaft für Donnerstag alle Spieler an Bord.
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