Deutschland dominiert die Slowakei im Achtelfinale der Fußball-EM 2016 und schlägt den Underdog auch in der Höhe verdient. Die deutsche Mannschaft präsentiert sich dabei in vielen Belangen bärenstark, der Trainer beweist erneut ein glückliches Händchen - und trotzdem dürfte diese Leistung noch nicht zum ganz großen Wurf reichen.
Es war ein Spiel, das mal wieder eine elementare Frage des Fußballs aufwarf. Wenn eine Mannschaft eine andere 3:0 schlägt und dabei so spielt, wie Deutschland es gegen die Slowakei tat, heißt es danach: War der Sieger so gut oder der Verlierer so schwach?
Der Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Achtelfinale war so etwas wie die Antithese zum Großteil der bisherigen EM-Spiele im Allgemeinen und den K.o.-Spielen im Speziellen. Deutschland spielte tatsächlich schönen Fußball, schnörkellos, geradlinig, fußballerisch in den meisten Sequenzen sehr fein.
Deutschlands Spielaufbau funktionierte wie vom Reißbrett und war dennoch so unvorhersehbar für den Gegner. Die DFB-Elf nutzte das gesamte Spektrum handwerklicher Kniffe, vom Ballbesitz- und Positionsspiel über schnelle Konterattacken, Hinterlaufen, Flanken, das Spiel in die Tiefe und endlich auch mal ein paar Dribblings.
Deutschland präsentiert das gesamte Repertoire
Besonders tat sich dabei Julian Draxler hervor, der es am Ende auf einen eigenen Treffer und eine Torvorlage brachte. Was ihm wiederum den Titel des "Man of the Match" der UEFA einbrachte.
Davor hatten Jerome Boateng mit dem schnellsten EM-Tor der DFB-Geschichte (nach acht Minuten) und
Die Slowaken hätten ein unangenehmer Gegner werden können - wenn die deutsche Mannschaft sie denn gelassen hätte. Aber die Slowaken kamen weder zu ihrem Flügel- noch zu ihrem besonders gefürchteten Konterspiel.
Den Grund dafür lieferten in diesem Spiel besonders konzentrierte Deutsche, die ein Gegenpressing aufzogen, das in Ballnähe nah dran war an der Perfektion. "Die Deutschen waren perfekt vorbereitet auf uns. Sie haben Stärke und Größe gezeigt", sagte der slowakische Torhüter Matus Kozacik.
In der Tat war Deutschland bestens gerüstet vor dem zweiten Aufeinandertreffen mit den Slowaken binnen vier Wochen. Draxlers Stärken im Dribbling brachten ihm den Platz in der Startelf,
Die vielen Spielverlagerungen und ein klarer Stoßstürmer im Zentrum waren weitere Indizien dafür und zeigen auch, wie sich
Mario Götze darf nur zuschauen
"Wir wollten mehr Tiefe im Spiel haben und das haben wir auch geschafft", sagte Löw. "Wir waren heute immer mit drei, vier Spielern im Strafraum. Das war gegen Polen nicht so."
Löw passt das Spiel der Mannschaft und das ausführende Personal mittlerweile eher auch dem Gegner an und liegt damit bisher goldrichtig.
Draxler wurde gegen die Slowakei zum Mann des Spiels, Gomez hat nun in zwei Spielen von Beginn an zwei Tore erzielt und Joshua Kimmich gegen tief stehende Gegner auf der rechten Abwehrseite mehr Offensivdruck ausgeübt als Benedikt Höwedes. Löw wollte mit der einzigen Änderung, Draxler für Götze, "einen neuen Reiz setzen", wie er selbst sagte.
Später hat er dann noch Lukas Podolski eingewechselt. Die paar Minuten des Publikumslieblings fühlten sich aber nicht wie eine Verheißung für die anstehenden Spiele an wie bei Draxler oder dem immer noch nicht eingesetzten Leroy Sané.
Es hatte mehr den Anschein eines Abschiedsspiels auf Wettbewerbsebene. So viel Zeit und Muße blieben im Achtelfinale, weil Deutschland dem Gegner zu haushoch überlegen war. Das DFB-Team war an diesem Abend wirklich so gut.
Aber die Mannschaft ist noch nicht so gut, um in der Runde der letzten Acht auch gegen Italien oder Spanien bestehen zu können. Hinter dem deutschen Gegenpressing war die Absicherung in vielen Fällen nicht gut.
Das fällt gegen die spielerisch limitierten Slowaken kaum auf. Gegen eine Mannschaft mit gehobenem Anspruch und Weltklasse-Einzelspielern ist das aber tödlich.
Slowakei-Coach: Deutschland hat "Traummannschaft"
"Deutschland hat vielleicht etwas langsam begonnen in der Gruppe. Aber sie haben sich gesteigert", sagte Slowakei-Coach Jan Kozak. "Es ist einfach eine Turniermannschaft!"
Das ist so weit richtig, zum sechsten Mal in Folge steht Deutschland nun bei einem großen Turnier im Viertelfinale. Und die Mannschaft hat sich in Frankreich sukzessive gesteigert. Aber sie spielt noch lange nicht am Limit. Genau das wird aber nötig sein, um die dicken Brocken auch aus dem Weg zu räumen.
"Wir haben bisher gegen Mannschaften gespielt, die nicht zu den Top Ten gehören. Auch wenn die Polen jetzt weitergekommen sind", sagte Löw. Er weiß ganz genau, wie tückisch so ein Turnier in der K.o.-Runde sein kann.
Vor vier Jahren, als er noch nicht der Weltmeister-Trainer war, huldigte ihm das Fußballvolk während der EM in Polen und der Ukraine auch für sein goldenes Händchen in Personalfragen - und teerte und federte ihn dann nach dem krachenden Aus gegen Italien im Halbfinale.
Löw warnt: "Müssen noch stärker werden"
Löw geht sein fünftes Turnier als Cheftrainer mit der Gelassenheit eines gereiften Trainers an. Er hat erfahren müssen, wie schnell sich die Dinge drehen können. Eine Heile-Welt-Stimmung will der Bundestrainer im Rückblick auf das Slowakei-Spiel und im Vorlauf auf das Viertelfinale keinesfalls einreißen lassen.
"Die kommende Woche steht im Zeichen von Analyse des Gegners. Und wir werden an den gleichen Dingen weiterarbeiten: an der defensiven Grundordnung und auch in der Offensive, insbesondere an den Laufwegen feilen", sagte Löw. Die Wochen der Vorbereitung und die ersten Spiele bei der EM haben seine Mannschaft in eine Lage manövriert, die man getrost als "gute Ausgangslage" titulieren kann.
Aber erst jetzt beginnt für Deutschland ja das eigentliche Turnier, mit den Spielen gegen die ganz Großen. "Ich glaube, dass wir noch stärker werden müssen, um im Titelrennen ein entscheidendes Wort mitzusprechen!"
Eine klare Warnung vor einem Viertelfinale gegen Spanien oder Italien. Widersprechen dürfte dem Bundestrainer dabei niemand.
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