Der Ausfall von Mario Gomez stellt Bundestrainer Joachim Löw vor ein Problem. Wer soll nun als Sturmspitze agieren? Potenzielle Lösungen gibt es zwar genügend. Doch richtig ideal scheint keine davon zu sein.

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Mario Gomez war auf dem besten Wege, der große Gewinner der EM 2016 zu werden. Seit der 30-Jährige in der Startelf stand, lief das Offensivspiel der DFB-Auswahl runder. Im letzten Gruppenspiel gegen Nordirland und im Achtelfinale gegen die Slowakei gelang ihm jeweils ein Tor. Im Viertelfinale gegen Italien leitete er den Führungstreffer mit einem genialen Pass ein.

Nun muss Joachim Löw allerdings ohne den Stürmer auskommen. Gomez fällt aufgrund eines Muskelfaserrisses im rechten Oberschenkel für die restliche Europameisterschaft aus. Das stellt die deutsche Nationalmannschaft vor ein Problem. Gomez ist nämlich der einzige echte Stoßstürmer im Kader.

Gomez ist kaum zu ersetzen

Löw ist sich der Schwierigkeiten bewusst. "Seine Präsenz wird uns fehlen", sagt er auf DFB.de zu Gomez' Ausfall. "Er kann aus einer Chance ein Tor machen. Er ist ein Stürmer, der beim letzten Pass in den Strafraum gefährlich ist. Auch seine Kopfballstärke wird uns fehlen."

Wie der Angriff am Donnerstag gegen Frankreich aussehen wird, dürfte in den nächsten Tagen das meistdiskutierte Thema in Fußballdeutschland sein.

Es wäre naheliegend, Mario Götze wieder zu bringen. Bereits in den ersten beiden Gruppenspielen gegen die Ukraine und Polen begann der 24-Jährige in der Spitze. Löw glaubt an die taktische Ausrichtung mit einer sogenannten falschen Neun. Das Problem ist nur: Götze steckt in einem Formtief.

Götze kommt nicht zur Geltung

Als Mittelstürmer kam er trotz intensiver Bemühungen überhaupt nicht zur Geltung. Erst als die taktische Ausrichtung verändert wurde und Götze gegen Nordirland als Linksaußen gebracht wurde, kam er vermehrt zu Chancen. Doch ließ er diese allesamt ungenutzt.

In den K.-o.-Spielen saß er dann auf der Bank. Sein Selbstvertrauen dürfte angekratzt sein. Nicht unbedingt die beste Voraussetzung, um im Halbfinale gegen den Gastgeber aufzutrumpfen.

Oder wird Thomas Müller als Mittelstürmer aufgeboten? Der 26-Jährige kennt diese Position von den Bayern und auch aus der Nationalmannschaft. Bei der WM 2014 bestritt er die ersten vier Partien als einziger Stürmer.

Gegen Portugal zum Auftakt traf er gleich dreifach, auch gegen die USA gelang ihm der Siegtreffer. Allerdings scheint Müller momentan das Pech an den Schuhen zu kleben. In den ersten beiden Spielen der EM blieb er ohne Torchancen, in den folgenden drei Partien vergab er sie dann massenweise.

Selbst im Elfmeterschießen gegen Italien traf er nicht. Möglicherweise kann er der Mannschaft als Rechtsaußen momentan mehr helfen. Von dort aus ackert er viel für die Mannschaft, öffnet Räume für die Mitspieler und arbeitet auch defensiv stark mit.

Kommt Sané ins Spiel?

Kommt also ein Stürmer zum Einsatz, der bislang noch keine große Rolle gespielt hat? Leroy Sané wurde bei der Europameisterschaft bisher nicht eingesetzt. Mit seiner frechen Spielweise, seiner Schnelligkeit und seinen Stärken im Eins-gegen-Eins könnte er für Unberechenbarkeit im deutschen Offensivspiel sorgen. Allerdings ist der 20-Jährige eher die Position des Rechtsaußen oder der hängenden Spitze gewohnt.

Beim Testspiel gegen die Slowakei Ende Mai wurde Sané zwar als Stürmer gebracht – allerdings zusammen mit Mario Gomez. Eine Partie als einzige Sturmspitze zu beginnen, ist eine ganz andere Herausforderung. Selbst bei Schalke 04 hat er keine Erfahrung damit gesammelt.

Zumal ein EM-Halbfinale noch einmal etwas anderes ist als ein Bundesligaspiel.

Oder doch Schürrle?

Eine weitere Option wäre André Schürrle. In der EM-Qualifikation wurde er gelegentlich als Mittelstürmer gebracht. Gegen Gibraltar gelangen ihm drei Tore. Auch in der Bundesliga und in der Premier League wurde er vereinzelt vorne eingesetzt. Vom Spielstil her ist er allerdings eher ein klassischer Linksaußen. Und überzeugt hat Schürrle bei seinen bisherigen EM-Kurzeinsätzen auch noch nicht.

Oder kommt vielleicht Lukas Podolski zum Einsatz? Es wäre eine Ironie des Schicksals, wenn ausgerechnet der Spieler, der als "EM-Tourist" oder "Maskottchen" belächelt wurde, nun das Stürmer-Problem von Deutschland beheben würde.

Die Position des Mittelstürmers kennt er aber gut. Bei Galatasaray Istanbul wurde er oft als Spitze gebracht. Auch in der Nationalmannschaft bekleidete er diese Position früher häufig – wenn auch im Verbund mit einem zweiten Stürmer.

Tatsache ist: Mit seinen 13 Toren in 30 Ligaspielen hat Podolski Selbstvertrauen gesammelt. Allerdings ist das Niveau der türkischen Liga natürlich nicht mit dem Niveau eines EM-Halbfinals zu vergleichen.

Nur zwei Tore in drei Jahren von Podolski

In der Nationalmannschaft gelangen ihm in den vergangenen drei Jahren nur zwei Tore - eins gegen Armenien, das andere gegen Australien. Eine Ideallösung scheint es für das Stürmer-Problem nicht zu geben.

Rückblickend könnte es ein Fehler von Löw gewesen sein, mit Mario Gomez nur einen klassischen Stoßstürmer mitzunehmen. Allerdings waren die Optionen - besonders nach dem Rücktritt von Miroslav Klose - auch begrenzt. Stefan Kießling spielt beim Bundestrainer schon seit Jahren keine Rolle mehr und hat zudem erklärt, unter Löw kein Nationalspieler mehr sein zu wollen.

Eine Nachnominierung wäre leider auch nicht mehr möglich. Die vorhandenen Spieler müssen die Lücke im Sturm schließen. Immerhin: Da Deutschland in fünf EM-Spielen noch keinen Gegentreffer aus dem Spiel heraus kassiert hat, könnte ein einziges Tor für den Finaleinzug reichen.

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