- Die Europameisterschaft in England steht in den Startlöchern. Dass Deutschland mit acht Titeln unangefochtener Rekordchampion ist, dürfte mittlerweile bekannt sein.
- Aber wissen Sie auch, dass Cristiano Ronaldo gar nicht die meisten Länderspiele in Europa absolviert hat? Oder wie viele große Titel Frankreich bisher gewonnen hat?
- Kennen Sie die einzige Torhüterin, die bisher als beste Spielerin bei einer EM ausgezeichnet wurde? Hier kommt Europameisterschafts-Wissen für Angeberinnen und Angeber.
Die Europameisterschaft in England startet am 6. Juli mit dem Eröffnungsspiel zwischen den Gastgeberinnen und Österreich. Der Fußball der Frauen erlebt in nahezu ganz Europa einen großen Boom und dieses Turnier verspricht mit so vielen Favoritinnen so viel Spektakel wie noch nie.
Viele Zuschauerinnen und Zuschauer werden ein derartiges Großereignis im Fußball der Frauen erstmals verfolgen – in der Kneipe, beim Public Viewing oder daheim im Freundeskreis. Dass Deutschland den Titel bereits achtmal gewonnen hat und dementsprechend Rekordtitelträger ist, dürften mittlerweile alle wissen.
Aber wissen Sie auch, dass
Spanien hat noch nie ein K.-o.-Spiel gewonnen
Spanien gilt bei vielen als kommender Champion. Vor allem der große Aufstieg des FC Barcelona im Vereinsfußball hat dazu beigetragen. Barca spielt attraktiv, schnell, dynamisch und ist an guten Tagen kaum zu stoppen. Im spanischen EM-Kader stehen neun Spielerinnen der Champions-League-Siegerinnen von 2021 – mindestens acht von ihnen werden wohl in der Startelf stehen.
Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Die Barca-Dominanz geht bei der Euro weiter. Zu sicher sollte man sich aber nicht sein. Spanien hat bisher an drei Europa- und zwei Weltmeisterschaften teilgenommen, dabei aber kein einziges K.-o.-Spiel gewinnen können. Der spanische Fußball der Frauen hat sich erst in den vergangenen Jahren sukzessive entwickelt.
Bis 2015 war Ignacio Quereda Trainer des Nationalteams. 27 Jahre lang soll er eine toxische Kultur innerhalb des Verbands geschaffen haben. Spielerinnen stellten sich dann mit einem Brief gegen ihn und er wurde entlassen. Die Rede war unter anderem von Beleidigungen und Kontrollzwang. Erst dann entwickelte sich Spanien unter dem bis heute tätigen Jorge Vilda Rodriguez zu einem Top-Team.
Das Gerede vom Weltrekord in Barcelona
Die Europameisterschaft wird viele Zuschauerinnen und Zuschauer in die Stadien locken, über 500.000 Tickets wurden bereits verkauft. Einen Weltrekord wird es hingegen nicht geben, weil die Kapazitäten der einzelnen Stadien dafür nicht ausreichen. Ganz sicher wird der vermeintlich in diesem Jahr aufgestellte Weltrekord aber wieder Thema sein. In der Champions League spielte der FC Barcelona vor 91.553 Menschen gegen Real Madrid.
Sollte Ihnen das jemand auftischen, können Sie mit Geschichtswissen kontern: Bei der zweiten inoffiziellen WM 1971 in Mexiko erreichte Dänemark das Finale gegen Mexiko. Im Aztekenstadion von Mexiko-City fanden sich damals 110.000 Zuschauerinnen und Zuschauer ein, wie der DFB auf seiner Website schreibt. Andere Quellen berichten sogar von mehr.
Inoffiziell war die WM deshalb, weil der Fußball der Frauen vielerorts und auch in Deutschland lange als organisierter Sport verboten wurde. Das hielt Frauen aber nicht davon ab, Fußball zu spielen und Turniere zu organisieren. Insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren entstanden wichtige Bewegungen und Strukturen. "Die nationalen Verbände – sei es der DFB, die FA und weitere – schreiben gerne ihre eigene Geschichtsschreibung", sagte Fußball-Historikerin Petra Tabarelli im April bei "Spox".
Was der FC Barcelona in diesem Jahr erreicht hat, ist ein großer Erfolg. Aber es ist eben nicht der Weltrekord.
Rekordnationalspielerin: Mehr Länderspiele als CR7
Google will einem erklären, dass Cristiano Ronaldo die meisten Länderspiele Europas hat. Mit 189 Einsätzen thront er angeblich an der Spitze. Ein weiteres Beispiel für männliche Geschichtsschreibung.
Denn mit Caroline Seger ist bei der diesjährigen EM die Rekordnationalspielerin Europas mit dabei. Die 37-Jährige kommt auf beeindruckende 230 Einsätze für Schweden. Da muss Ronaldo sich noch ordentlich strecken.
Wenn wir schon mal bei den Schwedinnen sind, dann kommt hier noch eine nette Anekdote: Hedvig Lindahl ist mit 39 Jahren die Torhüterin der Vize-Olympiasiegerinnen und nahm wie Seger bereits an der Europameisterschaft 2005 teil. Teamkollegin Hanna Bennison (FC Everton) war damals erst zwei Jahre jung.
Julie Nelson: Nordirische Legende
Viel Erfahrung bringt auch Julie Nelson mit. Die 37-Jährige hat einen Großteil ihrer Karriere als Amateurspielerin verbracht, bringt es aber auf 125 Länderspiele für Nordirland.
In diesem Jahr ist sie Teil des Teams, das Nordirland erstmals bei einer Europameisterschaft vertreten kann. Sie war zudem die erste Nordirin, die die Marke von 100 Einsätzen für ihr Land erreichte.
Das Besondere an der Geschichte ist, dass sie als Amateurin lange kein oder nur sehr wenig Geld verdiente und sich trotzdem immer wieder die Zeit für den nordirischen Fußballverband nahm. Damit ist sie beispielhaft für den Werdegang von vielen Frauen im Fußball.
Heute ist sie eine Legende ihres Sports in Nordirland. Aktuell arbeitet sie parallel für die irische FA als Trainerin in einem Entwicklungsprogramm – sie wird dem Fußball also auch nach ihrer aktiven Karriere erhalten bleiben. Wann immer diese enden mag.
Frankreich: Bisher titellos
Olympique Lyon ist selbst jenen ein Begriff, die mit dem Fußball der Frauen kaum Berührungspunkte haben. In diesem Sommer haben sie die Champions League zum achten Mal in zwölf Jahren gewonnen. Und Frankreich? Les Bleues haben in vier Weltmeisterschaften und acht Europameisterschaften noch keinen Titel gewonnen. 2009, 2013 und 2017 ging es bei der Euro jeweils bis ins Viertelfinale – besser war man nie.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Dass Frankreich das Nationalteam der Frauen lange stiefmütterlich behandelt hat, ist ein Teil der Wahrheit. Ein anderer ist, dass es viele Kontroversen rund um die aktuelle Trainerin Corinne Diacre gibt. Seit 2017 steht die 47-Jährige bei den Französinnen an der Seitenlinie.
Seitdem gab es kaum ein Jahr ohne Kritik – an ihrer Taktik, ihren Nominierungen und dem zwischenmenschlichen Umgang. Stars wie Amandine Henry oder Eugenie Le Sommer sortierte sie nach halb-öffentlichem Streit aus. Auch mit der aktuellen Kapitänin Wendie Renard gab es häufig Ärger.
Auch wenn es dafür keinen Titel gibt, sind die Französinnen aber so etwas wie Qualifikationsmeisterinnen. Zwischen 2007 und 2020 gewannen sie 46 Qualifikationsspiele für die WM oder EM am Stück, dann folgte ein 0:0 gegen Österreich. Seit 2007 gab es aber keine Niederlage in den Qualifikationswettbewerben.
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Die Kopfballstars des Turniers
Auch für Fans von Zahlen und Daten ist etwas dabei: Unter den für die EM nominierten Spielerinnen, die in der abgelaufenen Saison mindestens 500 Minuten absolvierten, ist Frankreichs Marie-Antoinette Katoto die mit Abstand kopfballstärkste. Dass die 23-Jährige 46 Treffer in 44 Einsätzen erzielt hat, ist eigentlich schon beeindruckend genug.
17 davon resultierten aus einem Kopfball. Damit hat sie eine Kopfballtrefferquote von 0,46 pro 90 Minuten. Martina Piemonte (Italien, drei Kopfballtore, 0,43 pro 90 Minuten), Beth England (England, acht Kopfballtore, 0,39 pro 90 Minuten) und Lea Schüller (Deutschland, 13 Kopfballtore, 0,38 pro 90 Minuten) folgen ihr.
Equal pay: Mindestens die Hälfte der Verbände zieht mit
Equal pay ist eine leidige Debatte. Nicht, weil das Thema nicht wichtig wäre, sondern weil der Begriff oftmals vom eigentlichen Thema ablenkt. Es geht für die Spielerinnen nicht darum, den Männern etwas wegzunehmen, Millionen zu verdienen oder etwas einzufordern, was nicht da wäre.
Vielmehr geht es um Strukturen und darum, den Sport weiter zu professionalisieren. Begründet werden können diese Forderungen mit der Geschichte und einer gesellschaftlichen Verantwortung der Verbände. Wussten Sie, dass es schon in den 1920er Jahren Spiele der Frauen gab, die von tausenden Menschen besucht wurden? 1920 kamen 53.000 Menschen zum Spiel der Kerr Ladies FC gegen die St Helen's Ladies. Das Potenzial war immer da. Die großen Verbände haben aber erfolgreich die Entwicklung des Fußballs der Frauen gestoppt.
Rund um die diesjährige Europameisterschaft haben sich mindestens acht Verbände dazu entschieden, dem Frauen-Nationalteam die gleichen Prämien zu zahlen wie ihren Männern: Schweiz, England, Island, Finnland, Norwegen, Spanien, die Niederlande und ab September auch Schweden.
Dänemark wurde in den letzten Monaten immer mal wieder von Medien aufgezählt, eine eindeutige Information zu den Prämien gibt es aber nicht. Der DFB zahlt für einen EM-Sieg immerhin die Rekordprämie von 60.000 Euro pro Spielerin. Das ist fast eine Verdopplung der Prämien, die 2017 beschlossen wurden. Zum Kontrast: Die Männer hätten bei einem EM-Sieg 2021 400.000 Euro kassiert.
EM: Auch das sollten Sie wissen
- Portugal hat sich nicht sportlich für dieses Turnier qualifiziert. Gegen Russland scheiterten sie in den Playoffs. In Folge des Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde Russland aber ausgeschlossen und Portugal rückte nach.
- Nadine Angerer ist bisher die einzige Torhüterin, die zur Spielerin des Turniers gewählt wurde (2013).
- Keine Nation nahm an allen zwölf Europameisterschaften teil. Norwegen und Italien waren elfmal dabei, Deutschland gewann den Titel in zehn Anläufen achtmal.
- England war bereits 2005 Austragungsort der EM. Die Gastgeberinnen schieden damals aber als Gruppenletzte gegen Finnland, Dänemark und Schweden aus.
- Solveig Gulbrandsen und Birgit Prinz sind die Rekordspielerinnen mit jeweils 20 Einsätzen bei Europameisterschaften. Caroline Seger (16) kann diese Marke bei ihrer fünften Teilnahme knacken.
Verwendete Quellen:
- Spox: FC Barcelona: Weltrekord des FC Barcelona ist keiner
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