- Mit null Punkten und 1:8 Toren ist die türkische Nationalmannschaft bei der EM bereits in der Gruppenphase sang- und klanglos gescheitert.
- Angesichts der hohen Erwartungen ist die Enttäuschung beim EM-Halbfinalisten von 2008 groß.
- Die Kritik fokussiert sich auf den Trainer. Senol Günes lehnt es aber ab, von seinem Amt zurückzutreten.
Die Türkei hat auch ihr drittes Gruppenspiel bei der EM verloren. Beim 1:3 gegen die Schweiz gelang der Mannschaft von Nationaltrainer Senol Günes durch Irfan Can Kahveci zum zwischenzeitlichen 1:2 wenigstens ihr erstes Turniertor, das zudem ein sehenswertes war.
Freude darüber kam aber nicht auf, weder bei Kahvecis Mitspielern noch auf den Rängen. Vielmehr pfiffen die Fans in Baku ihre gefallenen Helden gnadenlos aus.
Senol Günes über die EM 2021: "Die Erwartungen haben uns erdrückt"
"Wir konnten die Erwartungen der türkischen Nation nicht erfüllen, wir wurden von diesen erdrückt", bilanzierte Günes. Der Titel der Tageszeitung "Fanatik" am Tag nach dem EM-Aus lautete, auf Englisch: "The End". Und weiter hieß es: "Die Euro 2020, die wir mit großen Hoffnungen begonnen haben, ist mit großer Enttäuschung zu Ende gegangen."
Merih Demiral, Eigentorschütze zum 0:1 gegen Italien, hatte vor dem Turnier noch auf den Finaleinzug gehofft und gar vom möglichen Gewinn des Titels gesprochen. Jetzt fasste er das vorherrschende Gefühl knapp zusammen: "Wir sind sehr traurig. Wir haben nicht erwartet, dass es so schlecht laufen würde."
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Durch die EM-Qualifikation war das Team in der Frankreich-Gruppe mit sieben Siegen und nur einer Niederlage in zehn Spielen gestürmt. Drei Gegentore bedeuteten die wenigsten aller Teilnehmer. Gruppensieger und Weltmeister Frankreich, bei der laufenden EM Bezwinger Deutschlands, hatte die Türkei daheim mit 2:0 besiegt.
Und in der Qualifikation für die WM 2022 führen die Türken nach drei absolvierten Partien mit sieben Punkten vor den Niederlanden. Die Oranjes - bei der EM in bisher zwei Begegnungen zweimal siegreich - unterlagen zum Start der Qualifikation mit 2:4 in der Türkei.
Deutsche Türkei-Experten lagen komplett daneben
Etliche Experten wie der frühere Besiktas- und Fenerbahce-Trainer Christoph Daum, ARD-Experte Kevin-Prince Boateng, der in der Vorsaison zu Besiktas Istanbul verliehen war, und Herthas Sportvorstand Fredi Bobic, handelten aufgrund dieser Vorleistungen die Türkei als einen der Geheimfavoriten.
Doch schon das 0:3 zum Auftakt gegen Italien habe sich "negativ ausgewirkt", stellte Günes fest. Auf erschreckende Art und Weise traten Defizite in allen Mannschaftsteilen zutage. Günes bekam das Ruder nicht mehr herumgerissen. Er, 2002 mit der damaligen Mannschaft bis auf WM-Platz drei gestürmt, habe seine Spieler nicht erreicht, bemängelten mehrere Medien.
"Ich wünschte, wir hätten auch einen Trainer ... Wenn er seine Mannschaft nur so berühren könnte wie Angelovski, Hjulmand, Clarke", schrieb Reporter Ugur Meleke für das Portal "Spor Arena", das zur Tageszeitung "Hürriyet" gehört. Er zog zum Vergleich die Trainer Nordmazedoniens, Dänemarks und Schottlands heran.
Nach dem 0:2 gegen Wales hatte sich Verteidiger Umut Meras für die eigene und die Leistung seiner Kollegen entschuldigt. Kapitän Burak Yilmaz, mit dem OSC Lille französischer Meister, entschuldigte sich ebenfalls beim Anhang. Er sprach nach dem 1:3 gegen die Schweiz von einer Peinlichkeit.
Fazit der "Fanatik": "Wir sind am Boden zerstört"
Die türkische Presse suchte nach Erklärungen für den leb- und erfolglosen Kurzauftritt. "Es kann nur eine Erklärung dafür geben, dass nicht einmal einer unserer Spieler auf dem Top-Niveau ist: Diese Mannschaft ist übertrainiert", vermutete Güntekin Okay vom Portal "Spor Arena". Kollege Umut Eken von der "Fanatik" fasst zusammen: "Wir sind am Boden zerstört, während wir schreiben. Wer wird diese Rechnung bezahlen?"
Weitere Pressestimmen zum Ausscheiden:
- "Fotomac": "Blamage. Senol Günes ist mit einer falschen Kaderauswahl, schlechtem Fußball, den er hat spielen lassen, und seiner Unfähigkeit, den Gegner zu entziffern, sitzen geblieben."
- "Aksam": "Es ist im Endeffekt ein Turnier. Es kann sein, dass du nicht über die Gruppenspiele hinauskommst. Aber du hast kein Recht, so schlechten Fußball zu spielen."
- "Milliyet": "Wir sind nicht traurig, wir schämen uns. (...) Im Fußball gewinnt die athletische Mannschaft. Diejenigen, die mehr laufen, die fitteren, die schnelleren, die ambitionierteren, die Mannschaft die besser kämpft."
- "Takvim": "Wir waren mit unserem Spiel, das wir gespielt, und dem Kampf, den wir gegeben haben, die schlechteste Mannschaft des Turniers. So traurig es auch ist, das zu sagen, es ist die Wahrheit! (...) Verantwortlich dafür ist unser Trainer Senol Günes."
Senol Günes lehnt Rücktritt ab
Der angegriffene Trainer Günes will seinen Posten aber nicht räumen. "Ich denke im Moment nicht an Rücktritt", sagte der 69-Jährige. Er räumte ein, als Trainer für die Leistungen des Teams verantwortlich zu sein - und musste sich von "Fanatik" fragen lassen: "Wenn wir den guten Start in die WM-Qualifikation fortsetzen und uns für das Turnier qualifizieren, machen wir dann noch einmal die gleichen Fehler im Vorbereitungsprozess oder lernen wir eine Lektion?" (hau/dpa)
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