Die EM-Qualifikation wurde zur großen Bühne für einige kleine Nationen - und zum Desaster für die Ex-Europameister Niederlande und Griechenland. Ein neuer Prügelknabe erblickte das Licht der Welt und ein Teilnehmer schaffte es auch "dank" einer Drohne in die Endrunde nach Frankreich.

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So groß wie dieses Mal war die Chance noch nie, sich für eine Europameisterschaftsendrunde zu qualifizieren. Die Aufstockung des Kontinentalturniers von 16 auf 24 Teilnehmer bedeutete - den automatisch qualifizierten Gastgeber Frankreich abgezogen - satte 23 Tickets, die zu vergeben waren.

Am Dienstagabend fielen die letzten Entscheidungen in einer an sonderbaren Vorkommnissen und Überraschungen nicht eben armen Qualifikationsrunde. Von den großen Nationen haben es am Ende dann bis auf eine doch noch alle geschafft.

England hat die beste Qualifikation seiner Geschichte gespielt, zehn Spiele, zehn Siege, 31:3 Tore. Besser geht’s kaum. Italien und Spanien: absolut souverän. Portugal: sieben Siege, nur eine Niederlage. Belgien mit ein paar Wacklern, aber am Ende auch problemlos weiter. Und der Weltmeister? Nicht schön, nicht berauschend, mit einigen Schwächen. Aber trotzdem als Gruppenerster ins Ziel eingelaufen.

Aus der zweiten Reihe haben es Kroatien, Russland, Polen oder die Schweiz direkt nach Frankreich geschafft. Auch das war irgendwie zu erwarten. Aber dann gab es auch noch jede Menge Überraschungen und Sensationen, große und kleine Dramen und ebenso skurrile wie unterirdische Entgleisungen.

Niederlande schlecht wie nie

Die größte sportliche Sensation ist wohl das Scheitern der Niederlande. Fünf Niederlagen kassierte Oranje insgesamt und ging in Gruppe A als Tabellenvierter schändlich unter. Die Elftal wankte wie ein angeschossenes Reh durch den Wettbewerb, unfähig zu handeln und wie paralysiert. Das 2:3 gegen Tschechien zum Abschluss war der Tiefpunkt der jüngeren Verbandsgeschichte.

Die Niederlande sind erstmals seit 2002 nicht bei einem großen Endturnier dabei und verpassen die erste Europameisterschaft seit 32 Jahren. Mit dem Schlusspfiff in Amsterdam beginnen die Aufräumarbeiten und man kann davon ausgehen, dass im Verband und in der Liga kein Stein mehr auf dem anderen bleiben wird.

Die Griechen, 2004 noch Europameister, stehen nach der Qualifikationskampagne vor einem Scherbenhaufen und dem x-ten Neubeginn. Als Letzter der Gruppe F gelang am letzten Spieltag ein Almosensieg gegen Ungarn. Trotzdem landeten sogar die Faröer am Ende noch vor den stolzen Griechen.

Nicht ganz so verheerend, im Endergebnis aber genauso ernüchternd, scheiterte Serbien. Nur vier Punkte aus acht Spielen holten die Serben und mussten - fast noch schlimmer - zusehen, wie Erzrivale Albanien die erste Endrundenteilnahme seiner Geschichte feierte. Die Albaner waren eine der ganz großen positiven Überraschungen.

Island eine Sensation

Die Slowakei gehört ganz bestimmt auch dazu, kommt aber nicht so sensationell daher wie etwa Wales und Nordirland. In den 70er und 80er Jahren sorgten die britischen Underdogs immer mal wieder für Aufsehen, jetzt schafften es beide gleichzeitig zu einer Europameisterschaft. Zusammen mit England und womöglich auch noch Irland, das sich über den Umweg der Playoffs noch qualifizieren kann, bilden Wales und Nordirland einen enorm starken Insel-Block.

Apropos Insel: Islands Teilnahme an einer EM ist nichts weniger als eine Sensation. Das 330.000-Einwohner-Völkchen ist im Handball schon längst Weltklasse - jetzt ziehen auch die Fußballer zumindest teilweise nach. Island und seine verrückten Fans dürften ein Highlight des kommenden Sommers werden.

Die Qualifikation Österreichs ist per se keine große Überraschung. Wer die Entwicklung der Mannschaft unter Trainer Marcel Koller verfolgt hat, durfte zumindest mit Platz drei oder vielleicht Platz zwei in der Gruppe G rechnen. Dass Österreich aber die deutlich höher eingestuften Russen und Schweden geradezu deklassierte und nur so durch die letzten zwölf Monate schwebte, macht den ÖFB fast schon zu einer Art kleinem Geheimfavorit.

Und was war sonst noch? Im Rennen um den schwächsten aller Teilnehmer setzte sich erwartungsgemäß Neuling Gibraltar (0 Punkte, minus 54 Tore) durch - allerdings auch nur knapp vor Andorra (0 Punkte, minus 32). San Marino, der Prügelknabe der letzten Dekaden, erspielte sich gegen Estland nicht nur einen sagenhaften Punkt, sondern erzielte in Litauen auch das erste Auswärtstor seit mehr als 14 Jahren.

Spielabbruch nach Drohnenflug

Den emotionalsten Moment erlebte die Türkei nach Selcuks Tor zwei Minuten vor dem Ende der Partie gegen Island am letzten Spieltag. Durch die gleichzeitige Niederlage Lettlands zu Hause gegen Kasachstan rutschten die Türken als bester Gruppendritter noch direkt ins Endturnier.

Für die negativen Momente sorgten einige Unbekannte vor der Partie Kroatien gegen Italien, die ein metergroßes Hakenkreuz mittels ätzender Chemikalien in den Rasen des Poljud-Stadions in Split brannten. Kroatien wurde daraufhin mit drei Geisterspielen vor leeren Rängen verurteilt.

Für noch größeres Aufsehen und sogar einen Spielabbruch sorgte eine Drohne beim Spiel Serbien gegen Albanien. Kurz vor der Halbzeitpause schwebte sie mit der großalbanischen Flagge ins Stadion. Nachdem ein serbischer Spieler die Flagge herunterriss, flog die Drohne auf den Rasen. Zwischen einigen albanischen Spielern und Fans kam es auf den Rängen zu einer Schlägerei und nach fast einer Stunde zum endgültigen Spielabbruch.

Die UEFA wertete die Partie nachträglich mit 3:0 für die Gäste - es waren jene Punkte, dank denen Albanien am Ende in der Tabelle vor den drittplatzierten Dänen lag.

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