Auch mit dem FC Liverpool hat Jürgen Klopp ein Finale verloren. Es ist die fünfte Endspiel-Niederlage in Serie für den Coach. Gegen den FC Sevilla kommt vieles zusammen, das Klopps ganz persönlichen Fluch aufrechterhält. Und trotzdem könnte "The Normal One" die Reds in eine neue Epoche führen.
Jürgen Klopp vergrub seine Hände tief in den Hosentaschen, den Blick zum Boden gerichtet. Alleine schritt
Ein paar Augenblicke zuvor hatte seine Mannschaft das Finale der Europa League verloren. Beim 1:3 (1:0) gegen den FC Sevilla waren die Reds in der zweiten Halbzeit förmlich zerschellt an der fußballerischen Klasse und Abgezockheit ihres Gegners.
Selten hat eine Mannschaft ein europäisches Finale derart famos dominiert wie Sevilla die zweiten 45 Minuten nach einem ersten Durchgang, in dem der FC Liverpool noch die etwas bessere Mannschaft war. Aber die Spanier sind und bleiben nun einmal das Maß der Dinge im europäischen Vereinsfußball. In den vergangenen drei Jahren holten spanische Klubs alle Titel in der Europa League und in der Champions League.
Der FC Sevilla geht als EL-Dauersieger in die Geschichte ein, der dritte Triumph in Serie und der insgesamt fünfte in den vergangenen zehn Jahren bedeuten eine fast schon unheimliche Serie. Als Unay Emeri und sein Team den Pokal entgegennehmen durften, hatten Klopp und seine Spieler längst den Ort der Demütigung verlassen.
Erster schwerer Dämpfer
Für Liverpool war das letzte Spiel der Saison gleichzeitig auch das härteste. Alles hatten die Reds in diese eine Partie gelegt und in der Liga am vergangenen Wochenende noch die letzte Chance auf das Erreichen des Europapokals vorsätzlich sausen lassen - in der Hoffnung, körperlich ausgeruht und mental topfit ins große Endspiel zu gehen.
Für Liverpool ging es um deutlich mehr als "nur" den Sieg in der Europa League. Durch die Niederlage haben die Reds den Einzug in die Champions League verpasst. Das dürfte einschneidende Folgen haben im Gerangel um die ganz großen Stars in diesem Transfersommer. Liverpool hat zwar jede Menge Geld zu Verfügung - es kann aber nicht mit den ganz großen sportlichen Zielen locken.
Für den FC Liverpool bedeutet das so etwas wie die Stunde null. Und für "The Normal One"? Jürgen Klopp hat am Mittwoch sein fünftes Pokalendspiel in Serie verloren. Die Kloppo-Manie hat einen ersten schweren Dämpfer erfahren. Vielleicht kann der Deutsche doch nicht einfach so über Wasser gehen. Gegen Sevillas Power-Fußball der zweiten Halbzeit hatten Klopp und sein Trainerteam keine Antwort mehr. Alle taktischen Umstellungen, alle Wechsel verpufften.
Wieder Pech mit den Schiedsrichtern
Aber - und das gehört offenbar auch zur Geschichte von Klopp und den Endspielen - Liverpool hatte auch massives Pech bei Schiedsrichterentscheidungen. Zweimal hätte Referee Eriksson im ersten Durchgang auf Handelfmeter entscheiden müssen.
2013 stellte der Unparteiische Rizzoli in Dortmunds CL-Finale gegen die Bayern den Münchener Dante trotz wiederholten Foulspiels nicht vom Platz, ein Jahr später übersah das Gespann im Pokalfinale wieder gegen die Bayern ein klares Kopfballtor von Mats Hummels. Und nun das.
"Mit so einem 2:0 in die Pause zu gehen, wäre schon cool gewesen", sagte Klopp nach dem Spiel erstaunlich aufgeräumt. "Von den Fehlentscheidungen in Finals ist noch keine zu meinen Gunsten ausgefallen. Und wenn heute welche dabei waren, fielen die alle zugunsten von Sevilla aus."
Nur auf die Fehler des Schiedsrichters wollte Klopp die Niederlage aber nicht schieben. "Der Ausgleich nach nicht einmal 20 Sekunden in der zweiten Halbzeit hat bei uns brutal eingeschlagen. Unsere Reaktion darauf war bescheiden. Wir haben unser Passspiel von einfach und schnell auf kompliziert und langsam umgestellt und konnten das nicht mehr ändern."
Shankly, Paisley - Klopp?
Die tragische Geschichte seiner Endspiele sei ihm bewusst, so richtig damit auseinandersetzen will sich Klopp aber offenbar nicht. "Wenn Gott den Plan hat, dass ich jedes Mal ins Finale komme und dann verliere - dann ist es eben so. Ich hatte viel Glück im Leben …"
Vielmehr kümmert sich Klopp in den nächsten Tagen und Wochen schon mit voller Energie um die neue Saison. Als er damals zum BVB kam, verpasste die Borussia das internationale Geschäft am Ende der ersten Saison um ein mickriges Tor. Klopp nutzte seine zweite Saison, um die Truppe auf Linie zu trimmen. Der Rest der Geschichte ist bekannt.
"Wir müssen die Erkenntnisse der Saison nutzen, um uns zu verbessern. Wir haben ja in der neuen Saison jede Menge Zeit und die werden wir nutzen, um zu trainieren. Und wir werden besser werden!", versprach Klopp. "Ich kann die Enttäuschung unserer Fans verstehen. Aber ich kann auch sagen, dass diese Mannschaft in den letzten sieben Monaten tolle Signale gesendet hat. Darauf werden wir aufbauen."
"Shankly-Paisley-Klopp" lautet ein Dreiklang der Liverpool-Fans. In dem Deutschen sehen die Anhänger der "Reds" endlich wieder einen legitimen Erben der beiden Klub-Ikonen, Bill Shankly und Bob Paisley, die Liverpool als Trainer von 1960 bis Mitte der 1980er-Jahre zur größten Mannschaft der Welt coachten. Aber auch Shankly und Paisley hatten so ihre Startprobleme.
Paisley benötigte zwei, Shankly sogar fünf Jahre für den jeweils ersten Titel. Gemessen daran hat Jürgen Klopp noch jede Menge Zeit. Und irgendwann wird er ganz sicher auch wieder ein Finale gewinnen.
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