Die Ultra-Gruppierung "Green Brigade" war politisch schon immer aktiv, und sie ist seit vielen Jahren auch für pro-palästinensische Aktionen bekannt. Nun wurden die Anhänger von Celtic Glasgow vom Klub aus dem Stadion geworfen. Die Hintergründe des Streits sind vielschichtig – und in der Geschichte des Vereins zu suchen.
Die Botschaft kam nicht überraschend, und sie war eindeutig. Wie es zu erwarten war. "Green Brigade, Until the last rebel ("Green Brigade, bis zum letzten Rebell")", hatten die Fans von Paris St. Germain am Wochenende auf einem Banner präsentiert.
Die Solidarität mit der Ultra-Gruppierung von Celtic Glasgow ist groß, die Dankbarkeit bei der Green Brigade auch. "Aus der ganzen Welt haben Fußballfans Botschaften zur Unterstützung der 304 Celtic-Fans geschickt, die derzeit aufgrund von Solidaritätsaktionen mit Palästina kollektiv und auf unbestimmte Zeit von Spielen ausgeschlossen sind. Vielen Dank für die Unterstützung", schrieb die Gruppe auf dem Kurznachrichtendienst X.
Und zeigte dazu zahlreiche Bilder, darunter auch eines aus Jena von Carl-Zeiss-Anhängern, die ebenfalls die Ultra-Kollegen unterstützen. Oder aus Casablanca, wo die Ultras Eagles schrieben: "Ihr steht auf der richtigen Seite". Doch worum geht es bei den Solidaritäts-Bekundungen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu einem ebenso ungewöhnlichen wie auch emotionalen Streit zwischen dem schottischen Traditionsklub Celtic Glasgow und der Ultra-Gruppierung Green Brigade.
Weitere News gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Jetzt abonnieren!
Eine Ultra-Gruppierung fliegt aus dem Stadion
Was ist passiert?
Der schottische Erstligist Celtic Glasgow hat die Dauerkarten der Green Brigade gesperrt. Womit die gesamte Ultra-Gruppierung von Heim- und Auswärtsspielen ausgeschlossen wurde, und dies erst einmal auf unbestimmte Zeit. Der Verein begründete dies mit einer "zunehmend ernsthaften Eskalation inakzeptabler Verhaltensweisen und der Nichteinhaltung geltender Vorschriften". Konkret nannte Celtic sechs verschiedene Vorfälle bei Spielen in den letzten Monaten. Wie zum Beispiel den Einsatz von Pyrotechnik, dazu "unsicheres Verhalten", oder "illegales Eindringen" in den Celtic Park und das Zeigen eines "nicht genehmigten Banners" sowie "gewalttätiges und einschüchterndes Verhalten gegenüber den Ordnern".
Auslöser der Verbannung dürfte aber vor allem die pro-palästinensische Haltung der Green Brigade sein, auch wenn Celtic das verneint. So hatten die Ultras am 7. Oktober, nur wenige Stunden nach dem Angriff der Hamas-Terroristen, im Spiel gegen Kilmarnock eine grüne Flagge mit der Aufschrift "Ultras Celtic" in arabischer Schrift gezeigt, außerdem die Flagge der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die in Europa als Terrororganisation eingestuft wird. Celtic betonte, man sei ein Fußball-Klub und keine politische Organisation und wollte, dass palästinensische Flaggen nicht mehr im Stadion gezeigt werden. Was natürlich zum Gegenteil führte – die Flaggen blieben, die pro-palästinensische Haltung ebenfalls, auch in der Champions League am 25. Oktober gegen Atletico Madrid. Bis kurz darauf der Ausschluss erfolgte.
"Es ist unbestreitbar, dass die gegen die Mitglieder der Green Brigade verhängten Sanktionen auf die unmissverständliche Solidarität der Gruppe mit Palästina zurückzuführen sind", teilte die Gruppe in einem Statement mit: "Die verhängten Sanktionen, insbesondere die kollektiven Verbote, sind offensichtlich ungerecht; sie entbehren jeglicher Politik, jeglicher Verfahren und jeglicher Kommunikation, da Einzelpersonen zu Unrecht bestraft werden, ohne dass sie eine Anschuldigung, Beweise oder ein Recht auf Verteidigung erhalten."
Lange Liste der Positionierungen
Wer ist die Green Brigade?
Die Gruppe wurde 2006 gegründet, zunächst vor allem, um die Atmosphäre im Celtic Park zu verbessern. Man wollte mit einem Dutzend Mitgliedern das Stadion aus seiner Stimmungs-Lethargie befreien. Doch die Ultras sind inzwischen nicht nur gewachsen, sondern auch politisch stark engagiert. Sie bezeichnen sich als antifaschistisch, antirassistisch und pro Religionsfreiheit, gelten dabei als linkspolitisch. So gab es in der Vergangenheit Aktionen und Unterstützung für "Black Lives Matter" und Proteste gegen ein Mohnblumen-Emblem auf speziellen Trikots am Remembrance Day. Hinzu kamen Spruchbänder zur Unterstützung irischer Nationalisten.
Die Liste der Positionierungen ist lang und beinhaltet seit 2012 auch zahlreiche pro-palästinensische Aktionen. Damals solidarisierten sich die Fans mit palästinensischen Gefangenen im Hungerstreik. 2016 wurde zum Beispiel die Nordkurve pro-palästinensisch ausstaffiert, als der israelische Verein Hapoel Be'er Sheva nach Glasgow kam. Geldstrafen waren oft die Folge, doch die Solidarität währt bis heute, "um der Welt zu zeigen, dass der Klub an der Seite der Unterdrückten und nicht der Unterdrücker steht", wie die Ultras zuletzt in einer Mitteilung erklärten. Dieses Motto haben sich die Ultras generell auf die Fahnen geschrieben, und dies im wahrsten Sinne des Wortes.
An der Seite der Unterdrückten
Doch was ist der Hintergrund der Pro-Palästina-Aktionen?
Um das zu verstehen, muss man sich die Historie des Klubs ansehen, der 1887 als wohltätige Organisation gegründet wurde, um zu Zeiten einer großen Hungersnot die Armut im East End von Glasgow zu lindern. Denn irische Einwanderer haben die Celtic-Geschichte von Anfang an geprägt. Die irischen Wurzeln sind deshalb noch heute fester Bestandteil der Identität des Vereins und zeigen sich auch in Liedern über den irischen Widerstand gegen den britischen Staat und durch kontroverse IRA-Symbolik. Der Nahost-Konflikt erinnert viele Celtic-Fans an die eigene Geschichte der Unterdrückung durch die britische Besatzung. Sie sehen Parallelen zur Situation der Palästinenser. Was wiederum zu der selbst verordneten Aufgabe führt, an der Seite der Unterdrückten zu stehen.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Differenziert, verständnisvoll, unterstützend, kritisch, empört – es ist die ganze Palette der Emotionen und Meinungen. David Low, ein Celtic-Aktionär und ehemaliger Berater des Vorstands, sagte der Financial Times, dass der Verein "immer eine politische Ader hatte. Ich denke, dass der Celtic-Vorstand nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist", sagte Low. "Sie wollen die Uefa nicht verärgern, die ihre Position beeinflusst, aber ein Menschenleben ist wichtiger als Fußball."
Es gibt eine Kluft zwischen der Ideologie vieler Fans und dem Verein, und das schon seit Jahren. Es ist eine Art Kulturkampf innerhalb des Klubs, um die Seele des Vereins. "Der Verein denkt nicht unbedingt so links wie einige der Fans", sagt der schottische Sporthistoriker Matthew McDowell im Gespräch mit "The Athletic".
Lesen Sie auch:
- Keine Trikots oder Fan-Schals: Leipzig warnt Fans vor Auswärtsspiel in Belgrad
Keine Angaben zur Länge der Sperre
Wie so oft in solchen Fällen sind die Anhänger aber teilweise gespalten. Es gibt auch die Fans, die der Green Brigade den Beitrag zur Stimmung nicht absprechen, Aktionen wie am Tag der Hamas-Anschläge aber als vollkommen unangemessen verurteilen. Nir Bitton, ein israelischer Mittelfeldspieler, der zwischen 2013 und 2022 für den Verein spielte, unterstellte den Fans eine "Gehirnwäsche" und kritisierte sie dafür, dass sie "null Ahnung von diesem Konflikt haben und trotzdem so tun, als wüssten sie alles". Israels Nationaltrainer Alon Hazan bezeichnete die Celtic-Fans als "antisemitisch, obwohl viele israelische Spieler für diesen Verein spielten". Die Präsenz israelischer Spieler sei "der größte Sieg. Nur so kann man den Hassern den größten Schaden zufügen".
Wie geht es weiter?
Das ist schwierig zu beantworten, denn die Fronten sind verhärtet. Der Verein hat bei der Verhängung der Strafe keine Angaben dazu gemacht, wie lange die Dauerkarten gesperrt sind. Celtic erklärte, dass die Angelegenheit "bis zur weiteren Prüfung und Kommunikation mit der Gruppe und/oder den betreffenden Fans" andauert. Die Green Brigade wiederum kündigte an, dass die Palästina-Unterstützung definitiv weitergehen werde. So wie die Solidarität mit den Ultras selbst sicher auch.
Verwendete Quellen:
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.