Eintracht Frankfurt ist als einziger deutscher Verein noch im europäischen Wettbewerb vertreten und der Beweis, dass man im Fußball auch mit wenig Geld erfolgreich sein kann.
Der deutsche Fußball gab im Europapokal bislang keine gute Figur ab. Kein einziger deutscher Verein erreichte das Viertelfinale der Champions League.
In der Europa League scheiterte RB Leipzig in der Vorrunde, Bayer 04 Leverkusen im Sechzehntelfinale. Lediglich Eintracht Frankfurt hat sich den Spitznamen der "Eurofighter" verdient.
Die Mannschaft von Trainer Adi Hütter ist als einzige deutsche Mannschaft noch im Europapokal vertreten und bestreitet heute das Europa-League-Viertelfinal-Hinspiel bei Benfica Lissabon (21:00 Uhr, LIVE bei uns im Ticker und live bei RTL und DAZN).
Doch die Eintracht ist mehr als "nur" der letzte Hoffnungsträger des deutschen Fußballs.
Dieser Verein ist in Zeiten der Mega-Transfersummen der Beweis, dass auch Clubs mit wenig Geld international durchstarten können.
Seit Sommer 2016 wurden laut transfermarkt.de insgesamt 49,55 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Im Spitzenfußball ist das ein "Klecker-Betrag".
Zum Vergleich: Der italienische Erstligist Inter Mailand investierte im gleichen Zeitraum 378,5 Millionen Euro. Im Achtelfinale der Europa League trafen die beiden Vereine aufeinander – Frankfurt gewann.
Eintracht Frankfurt: 2016 fast in die 2. Liga abgestiegen
Die jüngere Entwicklung von Eintracht Frankfurt gleicht einem Fußball-Märchen. In der Saison 2015/2016 sah die Welt noch völlig anders aus.
Frankfurt drohte der zweite Abstieg innerhalb von fünf Jahren. Erst in der Relegation gelang unter dem damals neuen und heutigem Bayern-Trainer
Ein Umbruch im Kader war notwendig. Es gab nur ein Problem: Der Verein hatte kein Geld.
Der damals neue Sportvorstand Fredi Bobic erinnert sich im kicker: "Ich fing 2016 mit einem kleinen Budget an, konnte 2,5 Millionen Euro investieren, musste damit aber einen komplett neuen Kader planen. Das kann man sich heute kaum vorstellen."
Spieler vom "Abstellgleis" geholt
Und was macht ein Sportchef, der kein Geld hat? "Wir versuchen, jedes Jahr diese Spieler zu finden, die bei dem einen oder anderen Verein vielleicht auf dem Abstellgleis sind, aber Qualität besitzen und bei uns noch einmal einen Schritt machen", erklärte Bobic im Sport-1-Doppelpass.
So entstand eine "Multi-Kulti-Truppe". Bestes Beispiel: Am fünften Spieltag der Saison 2017/2018 bestand die Startaufstellung aus elf Spielern mit elf unterschiedlichen Herkunftsländern.
"Das ist aus Versehen ein Markenzeichen geworden, weil wir uns keine deutschen Spieler leisten konnten", so Bobic.
Das Wichtigste ist aber: Mit dieser Transferphilosophie gelang der Umschwung. 2016/2017 entledigte sich der Verein jeglicher Abstiegssorgen. 2017/2018 gewann Eintracht den DFB-Pokal und qualifizierte sich somit für die Europa League.
Nun befinden sie sich in der Bundesliga als Tabellen-Vierter sogar auf Champions-League-Kurs und haben im Jahre 2019 noch kein einziges Spiel verloren.
Rebic, Jovic, Haller: Das Schnäppchen-Sturm-Trio
Symbolhaft für die gelungene Transferpolitik der Eintracht steht das Offensiv-Trio: Ante Rebić,
Jovic wechselte im Sommer 2017 vom heutigen Gegner Benfica nach Frankfurt. In Lissabon galt er als unprofessionell, kam fast nur bei der zweiten Mannschaft zum Einsatz.
Für eine Leihgebühr von 200.000 Euro und eine Kaufoption in Höhe von kolportierten sechs Millionen Euro wurde er nach Frankfurt abgegeben.
Dann der Durchbruch: Der 21-Jährige kam in bisher 65 Pflichtspielen auf 33 Tore und neun Vorlagen. Heute sind Top-Vereine wie Real Madrid, FC Barcelona, FC Chelsea und Bayern München an ihm dran. Die kolportierte Ablösesumme: 80 Millionen Euro.
Ähnlich die Geschichte von Rebić: Er galt beim italienischen Erstligisten AC Florenz als Flop, wurde unter anderem an RB Leipzig verliehen, konnte sich aber nicht einmal dort in der zweiten Bundesliga durchsetzen.
Ganz anders in Frankfurt: Gerade einmal zwei Millionen Euro Ablöse hat er gekostet. Heute hat der Offensivspieler laut transfermarkt.de einen Marktwert von rund 35 Millionen.
Der momentan verletzte Mittelstürmer Haller hat seinen Wert ebenfalls vervielfacht. Für sieben Millionen Euro kam er im Sommer 2017 von dem niederländischen Erstligisten FC Utrecht. Heute soll er 40 Millionen wert sein.
Eintracht beweist, dass im Fußball vieles möglich ist
Alle diese Spieler haben langfristige Verträge. Das heißt: Selbst wenn Frankfurt ihre Top-Stars aufgrund guter Offerten nicht halten kann, könnten sie mit den Transfereinnahmen ihre gute Position im deutschen Fußball verteidigen.
Die Eintracht fungiert daher als Vorbild für "kleinere" Bundesligavereine, die wenig Geld haben und dennoch durchstarten möchten.
Lutz Pfannenstiel, Sportvorstand von Fortuna Düsseldorf, lobte gegenüber dem SID, Bobic habe "in vier, fünf Jahren einen Verein gemacht, der nun Spieler mit zweistelligen Millionenmarktwerten hat, der zweimal im Pokalfinale war, die Bayern geschlagen hat und nun in Europa gegen große Klubs gewinnt. Wenn das ein Verein wie die Eintracht so hinkriegt, dann ist vieles im Fußball möglich."
Vorbildlich ist auch, mit wie viel Euphorie Frankfurt die Europa League angeht. Über 15.000 Fans begleiteten die Eintracht zuletzt nach Mailand.
In Lissabon werden am Donnerstag mehr als 12.000 Eintracht-Anhänger erwartet. Unglaublich: Nur etwas mehr als 3.200 davon haben überhaupt ein Ticket.
"Unser Verein hat seit 26 Jahren zum ersten Mal das Viertelfinale erreicht", sagt Torwart Kevin Trapp auf eintracht.de. "Da ist es unser gutes Recht, uns auf die nächsten Wochen zu freuen." Momentan scheint es so, als könnte sich die Eintracht sogar auf die nächsten Jahre freuen.
Verwendete Quellen:
- Kicker 104 / 2018: Der Mann des Jahres 2018 Fredi Bobic
- Bild.de "Benfica verschenkte Jovic an Eintracht"
- Youtube: Ganze Folge CHECK24 Doppelpass mit Fredi Bobic und Klaus Allofs
- eintracht.de "Wäre ein Fehler, sich jetzt auszuruhen" - Kevin Trapp im Interview
- Wiesbandener Kurier: Fantasie der Fans: So kommen Eintracht-Anhänger in Benfica-Arena
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.