Franck Ribéry beweist nach seinem Abschied vom FC Bayern eindrucksvoll, dass er noch mit den Besten mithalten kann. Sein neuer Arbeitgeber AC Florenz steckt trotzdem weiter in der Krise. Genau darin steckt die Chance für den Altstar, der mit 36 neue Qualitäten beweist.

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Es waren Momente der Hemmungslosigkeit. Von Uli Hoeneß auf der Tribüne. Und von Franck Ribéry auf dem Platz. Beide weinten bitterlich an jenem 18. Mai, als die Bayern zum 29. Mal Deutscher Meister wurden - und Ribéry zum bereits neunten Mal die Schale entgegennahm.

Mehr noch: Als der 36-Jährige beim entscheidenden 5:1 gegen Eintracht Frankfurt zu einem seiner unwiderstehlichen Solos ansetzte, drei Hessen zu Statisten degradierte und dann auch noch Torwart Kevin Trapp überlupfte, brach es aus Hoeneß heraus. Der Präsident des FC Bayern weinte leidenschaftlich, ihm wird schließlich ein schier väterliches Verhältnis zum Franzosen nachgesagt.

Zeit der Ungewissheit für Franck Ribéry

Doch für Ribéry begann danach eine Zeit der Ungewissheit. Zu welchem Klub würde es ihn ziehen? Und, kann er noch mithalten? Ribéry entschied sich für den AC Florenz, einen schwer in Schieflage geratenen italienischen Riesen vergangener Tage.

Trefflicher hätte seine Entscheidung vielleicht gar nicht ausfallen können. Hier der Klub aus der Toskana, der trotz großer und treuer Fan-Basis in der vergangenen Saison nur Platz 16 belegt hatte und gerade so dem Abstieg entging. Dort der kumpelhafte Franzose, der fußballerisch nicht in Vergessenheit geraten möchte und es noch mal allen zeigen will. Ein mutiges Unterfangen in Florenz, liegt der letzte Titel der "Viola" schon 18 Jahre zurück, der Gewinn des italienischen Pokals 2001.

Franck Ribéry glänzt beim AC Florenz

"Ich will noch zwei Saisons bei einem Verein spielen, der Ambitionen hat", hatte der französische Ballvirtuose der "L'Equipe" gesagt: "Mein letztes Tor für Bayern im Meisterschaftsspiel gegen Eintracht Frankfurt hat das gezeigt."

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) kürte den Treffer zum Top-Tor der Saison, sicherlich aus Marketing-Gesichtspunkten kein schlechter Zug, um den Altstar entsprechend aus der Bundesliga zu verabschieden.

Für Ribéry war es aber mehr: die Bestätigung, dass er es noch kann - auch auf höchstem Niveau. Wenige Fußballer gehen mit 36 noch diesen Weg, weil sie schlicht zu alt sind.

Auch Ribéry hat deutlich an Schnelligkeit eingebüßt, über die volle Distanz hat der Liebling vieler Bayern-Fans seit dem 22. Dezember 2018 nicht mehr gespielt. Damals machte er zwei Tore beim 3:0 in Frankfurt und erzielte vier Tore in drei aufeinanderfolgenden Bundesligaspielen.

In der Serie A dauerte es vier Einsätze, ehe der Routinier am vergangenen Wochenende beim 2:2 bei Atalanta Bergamo erstmals vollstreckte - und das herrlich fein per Volley-Direktabnahme nach Vorarbeit von Federico Chiesa, dem Zukunftsversprechen der Fiorentina.

Das Tor bewies, dass Ribéry seinen Weg unbeirrt weitergeht, aller Skepsis zum Trotz. Den Spielzug vor seinem Debüt-Tor dürfte auch Florenz-Sportdirektor Daniele Prade mit viel Erleichterung zur Kenntnis genommen haben.

"Viele dachten, Ribérys Verpflichtung wäre nur eine Marketing-Operation gewesen, aber es ist nicht so", hatte Prade nach dem 0:0 am Spieltag zuvor gegen Erzrivale Juventus Turin und einem ebenfalls starken Auftritt des Ex-Bayern gesagt: "Ribéry ist ein großartiger Spieler und ein Beispiel für die jüngeren Fußballer."

Chiesa, 21 Jahre jung, Sohn des ehemaligen Nationalspielers Enrico Chiesa, ist mit einem geschätzten Marktwert von 60 Millionen Euro der mit Abstand teuerste Spieler der "Viola" - und geschätzt 56 Millionen Euro teurer als Ribéry.

Franck Ribéry wirkt reifer als früher

Doch der Fußball-Oldie ist für Chiesa und die anderen Spieler schon jetzt das, was von ihm erwartet wird: ein Vorbild. Der Altstar blüht nicht nur auf dem Platz auf, sondern hat offenbar auch neben dem Feld die bei ihm lange vermisste Reife entdeckt.

Stets hatten in der Vergangenheit Unsportlichkeiten seine Leistungen getrübt, zum Beispiel, als er im DFB-Pokal-Finale 2016 Dortmunds Gonzalo Castro mit einem Finger in die Augen stach. Um nur ein Beispiel seiner Verfehlungen zu nennen.

In Italien beweist er andere, teils neue Qualitäten. Die eines Anführers und Sportmanns. Für seinen neuen Arbeitgeber ein Segen. Nach vier Spieltagen steht der AC Florenz mit nur zwei Punkten auf dem letzten Platz der Serie A, dabei hatten die Verantwortlichen ihren leidgeprüften Fans nach der Katastrophen-Spielzeit im Vorjahr Fortschritte versprochen.

In dieser Gemengelage ist prompt Ribéry der Hoffnungsträger. "Er gibt der Mannschaft alles, daher vergöttern ihn die Fans im Florentiner Franchi-Stadion", schrieb die "Gazzetta dello Sport" zuletzt gewohnt frenetisch: "Er ist wertvoll, wenn er die Kollegen zum Tor reißt."

Franck Ribéry übt sich in Zurückhaltung

Der viel Gelobte übte sich danach in Zurückhaltung, schrieb bei Twitter: "Großartiges Teamwork, großer Enthusiasmus im Franchi-Stadion." Nach dem neuerlichen Unentschieden bei Champions-League-Teilnehmer Atalanta erklärte er via Social Media: "Glücklich über mein erstes Tor für die Fiorentina. Lasst uns nun auf die nächste wichtige Aufgabe fokussieren."

Es waren Worte, wie er sie ähnlich schon beim FC Bayern gewählt hatte. Doch Ribéry hat für sich offenbar seine neue Rolle nach dem Abgang aus München gefunden: Die eines väterlichen Ratgebers bei einem Klub, der in der Krise steckt. Es ist eine große Chance auf der Zielgeraden einer großen Karriere.

Verwendete Quellen:

  • Lequipe.fr: "Franck Ribéry, c'est ne pas fini"
  • Franck Ribéry auf Twitter
  • Transfermarkt.de: "Franck Ribéry"
  • Transfermarkt.de: "Federico Chiesa"
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