Nach keiner einzigen Niederlage an der Anfield Road seit über einem Jahr und 25 Heimspielen wettbewerbsübergreifend , rutschte der FC Liverpool jüngst in nur einem Monat in eine tiefe Krise. Das liegt auch an Jürgen Klopp.
Die Krise war greifbar. Von acht Spielen gewann der FC Liverpool unter
Doch ist dem Umfeld längst der Spaß vergangen? Im Interview mit unserer Redaktion spricht der LFC-Experte und Liverpooler Graham Agg über die Gründe der Krise, das Ansehen von Klopp in der Stadt und vermeintliche Fehler des Kult-Trainers.
Herr Agg, Teammanager Jürgen Klopp wirkt angespannt, gegen den FC Chelsea hatte er Ärger mit dem vierten Offiziellen und einem Fan ...
Graham Agg: Ich denke, dass Klopp sehr nervös war, weil Liverpool drohte, das nächste Spiel an der Anfield Road zu verlieren. Das wäre die vierte Heimniederlage innerhalb von zehn Tagen gewesen. Vier Heimniederlagen in Folge gab es in Liverpool seit 1923 nicht mehr, also seit 94 Jahren nicht. Er wollte sicher nicht diesen Negativ-Rekord haben.
Haben Sie in der Stadt und im Umfeld von LFC einen besonderen Druck auf Klopp verspürt?
Es gibt immer eine Minderheit unter den Fans, für die Klopp der König von Liverpool ist, wenn er zweimal hintereinander gewinnt. Und wenn er ein, zweimal in Folge verliert, ist er für sie ein Clown. Für solche Leute habe ich keine Zeit. Die große Mehrheit der Liverpool-Fans steht zu hundert Prozent hinter Klopp. Wir sind immer noch Vierter. Wenn sich LFC für die Champions League qualifiziert, war es eine erfolgreiche Saison.
Doch Klopp war gegen Chelsea wie ein Vulkan. Es läuft gerade nicht bei ihm.
Aber genau wegen dieser Leidenschaft ist Klopp doch so beliebt in Liverpool. Manche Liverpool-Fans leben nur für Fußball. Jetzt haben sie einen Trainer, der genauso denkt. Fußball ist für ihn nicht nur ein Job, sondern seine Leidenschaft. Deshalb kommt er hier in der Stadt so gut an.
Warum wankte Liverpool zuletzt?
Gott sei Dank ist der Januar zu Ende. Von acht Spielen haben wir nur ein einziges gewonnen, das war das Wiederholungsspiel gegen den Viertligisten Plymouth. Noch am 31. Dezember hatten wir zu Hause gegen Manchester City gewonnen. Seither sind wir zuerst gegen Southampton aus dem Ligapokal und dann im FA-Cup gegen Wolverhampton rausgeflogen, den 18ten der 2. Liga. Klopp hat auch Schuld daran.
Weshalb?
Im Pokal hat er zu viele junge Spieler auf einmal eingesetzt, um den Stammspielern eine Pause zu geben. Doch der Kader ist für solch eine Rotation in der Breite nicht stark genug. Das hat sich gegen Wolverhampton gerächt. Er hat sechs, sieben junge Spieler gebracht, das waren viel zu viele auf einmal. In England sind die unterklassigen Ligen meiner Meinung nach viel besser als in Deutschland. Er hat das unterschätzt.
Ich teile seine Meinung. Mané war zuletzt auch noch beim Afrika Cup. Das war ein großer Verlust. Liverpool braucht aber vor allem einen Linksverteidiger. Jüngst musste James Milner aushelfen, er fehlt dann im Mittelfeld.
Alberto Moreno, der andere Linksverteidiger, ist international verglichen nicht gut genug. Die Besitzerfamilie aus den USA, die Fenway Sports Group, muss hier investieren. Kommt Liverpool in die Champions League, sind es vier Wettbewerbe. Leider hatte Klopp ein Problem mit Mamadou Sakho ...
... der Linksverteidiger ist und nach einem Disput mit Klopp an Crystal Palace ausgeliehen wurde.
Er ist ein Top-Spieler. Klar, du brauchst in jeder Mannschaft Disziplin. Sakho kam mehrmals zu spät ins Training, heißt es. Deswegen hat Klopp ihn angeblich aussortiert. Ich weiß nicht, was sonst noch vorgefallen ist. Fakt ist: Viele Liverpool-Fans vermissen Sakho.
Hamann hat weiter gesagt, dass sich Liverpool von Klopp abhängig gemacht habe, als der Klub ohne Not bis 2022 mit ihm verlängerte.
Der Meinung bin ich nicht. LFC ist 1892 gegründet worden, seither hatten wir nur 21 Trainer. Die besten Klubs haben immer Kontinuität. Hamann kennt die Geschichte des Vereins. Er müsste wissen, dass zum Beispiel Bill Shankly von 1959 bis 1974 hier Trainer war, ehe er in Rente ging. Bob Paisley, eine weitere Trainerlegende, war von 1974 bis 1983 hier verantwortlich, ehe auch er in Rente ging. Klopp hat es doch in Dortmund vorgemacht. Er ist zu hundert Prozent der richtige Mann.
In Deutschland gibt es die Gegenbeispiele Hamburger SV und TSV 1860 München. Allein die Löwen hatten in den vergangenen sechs Jahren zwölf Trainer. Kann Liverpool gar nicht ohne Kontinuität?
Liverpool-Fans ticken anders. Sie singen während eines Spiels nicht die Namen der Spieler, sondern den des Trainers. In Deutschland sind immer die Spieler die Helden, dann kommt der Coach. In Liverpool ist es genau anders herum. Die Menschen hier wissen, dass die wichtigste Person immer der Trainer ist. Er ist verantwortlich für Disziplin, für die Zusammensetzung der Mannschaft.
Liverpool gewinnt gegen die Topteams, verliert gegen schwache Gegner. Warum?
Das muss enden, keine Frage. Zuletzt haben wir in der Premier League gegen das abstiegsgefährdete Swansea, gegen Aufsteiger FC Burnley und gegen Bournemouth verloren, das einen Zuschauerschnitt von 11.000 Fans hat - alles kleine Vereine. Die Spieler haben Einstellung vermissen lassen, das ist ein Mentalitätsproblem. Und das muss Klopp anders vorleben. Er hat gegen Wolverhampton diese junge Mannschaft gebracht. Klopp muss das Team gegen kleine Gegner besser einstellen, erklären, dass jedes Spiel drei Punkte gibt, nicht nur die gegen die großen Gegner.
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