Zuletzt sorgten Bilder aus Frankreich für Aufsehen: Präsident Emmanuel Macron lud Kylian Mbappé zum Abendessen ein. Der PSG-Superstar als Staatsgast? Ja, und das nicht zum ersten Mal. Wir haben uns mit dem Frankreich-Experten Stefan Seidendorf darüber unterhalten, warum das so ist und warum es gar nicht so ungewöhnlich ist.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Das Bild wirkte zunächst einigermaßen absurd. Brigitte Macron begrüßte Kylian Mbappé lächelnd, neben ihr freute sich ihr Mann, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, sichtlich über den Besuch des Superstars. Neben Macron wiederum stand der Emir von Katar, Sheikh Tamim bin Hamad Al Thani. Ebenfalls mit einem Grinsen im Gesicht.

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Ein Staatstreffen? Ja, das war es tatsächlich, im Elysée-Palast hatte das Staatsoberhaupt alles aufgefahren, was dazugehört. Denn die Franzosen und Katari führten Gespräche über den Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Mit Mbappé am Tisch? So weit ging das Ganze dann doch nicht. Dass die Kommunikationsverantwortlichen von Paris Saint-Germain dies noch einmal verdeutlichen mussten, unterstreicht die durchaus bizarre Situation, dass Mbappé an dem Abend im Februar wie ein Staatsgast empfangen wurde.

Beim Abendessen war der französische Superstar dann aber dabei. Es soll gegrillten Spargel, Kaviar und Hummer aus der Bretagne gegeben haben. Trotzdem stellt sich die Frage nach dem "Warum"?

Aus französischer Sicht nicht ungewöhnlich

"Ich fand es gar nicht so absurd, weil ich es wahrscheinlich schon länger gewöhnt bin. Macron macht es so wie alle anderen bisherigen Präsidenten auch. Das ist aus französischer Sicht nicht so ungewöhnlich", sagt der stellvertretende Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg, Stefan Seidendorf, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Seit 2011 ist PSG in Besitz der Investorengruppe Qatar Sports Investment (QSi). "Schon länger sind die Beziehungen zu Katar also stark über Sportdiplomatie entwickelt worden, schon unter dem früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy. Jetzt ist das Sichtbarste immer noch das Engagement beim Fußball", sagt Seidendorf.

Nicht umsonst soll Macron bei dem jüngsten Treffen angeblich zu Mbappé gesagt haben: "Sie werden uns Probleme bereiten." Mit einem Lächeln, doch klar ist, dass der sehr wahrscheinliche Wechsel Mbappés im Sommer zu Real Madrid für Macron und die katarischen Besitzer höchst ungelegen kommt. Schließlich geht eine Galionsfigur, ein Gesicht des Klubs und der Investoren. Ohne Frage ein herber Verlust. Da verwundert es nicht, dass die Verantwortlichen alles Erdenkliche auffahren, um Mbappé vielleicht doch noch umzustimmen. Denn offiziell ist sein Wechsel noch nicht.

Nicht der erste Mbappé-Besuch bei Macron

Man muss dazu wissen: Es war nicht das erste Mal, dass Mbappé bei Macron zu Gast war. Frankreichs Präsident zeigt sich immer wieder mit dem fußballerischen Aushängeschild des Landes.

Auch, um ihn immer mal wieder davon zu überzeugen, in Paris zu bleiben. Denn mit einem Wechsel kokettiert Mbappé schon länger. "Das ist vielleicht das typisch Französische und das französische politische System, wo sich der Präsident, wenn er möchte, um alles kümmern kann", sagte Seidendorf. "Insgesamt kann der Präsident in Frankreich viel Einfluss auf den Sport nehmen, aus einer mächtigeren Position heraus als etwa der deutsche Bundeskanzler." Was Macron auch nutzt.

Denn auch telefonisch intervenierte Macron, Anrufe gab es Ende 2021, Anfang 2022, wie Mbappé einmal erzählte. "Macron rief an und sagte: 'Ich weiß, dass du gehen willst. Ich will dir sagen, du bist auch hier in Frankreich wichtig. Ich will nicht, dass du gehst. Du hast die Chance, hier Geschichte zu schreiben. Jeder liebt dich'", verriet Mbappé im vergangenen Jahr in der "Sports Illustrated". "Ich sagte, dass ich das zu schätzen weiß, weil es wirklich verrückt ist. Der Präsident ruft dich an und will, dass du bleibst." Macron sagte dazu laut "Sports Illustrated" im Juni: "Ich glaube, es ist meine Verantwortung, als Präsident das Land zu verteidigen."

Macron nutzt die Wucht des Sports

Macron nutzt den Sport wenig überraschend für politische Zwecke, genauso wie die Beziehung zu Mbappé. Der Präsident weiß um die Wucht, die der Sport gesellschaftlich und politisch entwickeln kann, ob es nun Fußball, Rugby, Radsport ist oder wie im Sommer die Olympischen Spiele in Paris sind.

Und bei Mbappé liegen die Vorteile auf der Hand. Er hat mehr als 146 Millionen Follower in den sozialen Medien, von denen der Großteil französisch und jung ist. Ihnen, die oft auch orientierungslos sind, gibt er die Hoffnung, dass man es auch aus sozial benachteiligten Schichten nach oben schaffen kann.

Daneben spricht Mbappé auch die Mittel- und Oberschicht an, die Unternehmer und die älteren Menschen. Mbappé steht für den Franzosen des 21. Jahrhunderts. Den erfolgreichen Franzosen, den smarten, den allseits beliebten.

Umgekehrt ist Mbappé wiederum fasziniert von Macht und Politik, ihm ist natürlich klar, dass ihm der Umgang mit Macron in Sachen Popularität helfen kann. "Es fällt innerhalb der französischen Verhältnisse allerdings bisher nicht aus dem Rahmen", sagt Seidendorf: "Macron versucht, davon zu profitieren, aber es ist nicht so, dass ich sagen würde, dass es besonders auffällig ist."

PSG hat in Frankreich keinen gestiegenen Stellenwert

Und ein Alleinstellungsmerkmal haben die Franzosen damit auch nicht wirklich. "Man erinnere sich an die früheren Bundeskanzler Helmut Kohl nach dem WM-Titel 1990 und Angela Merkel beim Sommermärchen 2006. Sie hat auch zum Beispiel Bastian Schweinsteiger zu einem Staatsempfang eingeladen. Und 2006 war der damalige Innenminister Otto Schily nah dran am WM-Organisationskomitee. Also so groß sind da die Unterschiede nicht", betont Seidendorf.

"Macron macht das alles vielleicht nochmal bewusster, auch als Zugang zu den jungen Leuten in den Vororten. Er stilisiert sich zudem selbst – das hat bisher noch kein Präsident gemacht – als Fan eines Fußballklubs, als Anhänger von Olympique Marseille."

Dass sich die Politik aktiv in den Sport einmischt, ist in Frankreich auch kein großes Thema. Medial rückt es durchaus schon mal in den Fokus, dass die präsidialen Überzeugungsversuche dann vielleicht doch ein wenig zu weit gehen. Doch einen gestiegenen Stellenwert konnte sich PSG in all den Jahren nicht erkaufen. Sprich: Auf die Reichen und Schönen mag der Klub eine magische Anziehungskraft haben, einen Großteil der Bevölkerung und der Fans lässt er aber mehr oder weniger kalt. Andere Klubs punkten mit mehr Tradition und gelebter Fußballkultur.

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Seidendorf: "Mbappé hat das bisher eigentlich sehr cool gemacht"

Auch deshalb bleibt es für Macron ein schmaler Grat. Denn es kann schnell passieren, dass die staatsmännische Nähe bei gleichzeitigem, respektvollem Abstand zu einem kumpeligen und plumpen Umarmungsversuch verkommt. Doch vor allem Mbappé ist damit souverän umgegangen. Mbappé hat Macron während Corona bei der Impfkampagne unterstützt. Doch als 50 Menschen aus der Welt des Sports in der französischen Zeitung "Le Parisien" ein Memo veröffentlichten, in dem sie die Franzosen aufforderten, für Macron statt für Marine Le Pen zu stimmen, gehörte Mbappé nicht dazu.

"Mbappé hat das bisher eigentlich sehr cool gemacht, hat sich aber auch nicht von der Politik vereinnahmen lassen. Umgekehrt hat er sich auch nicht in eine bestimmte Ecke drängen lassen, wie das bei Karim Benzema zum Beispiel der Fall war", sagt Seidendorf.

Benzema ist auch ein französischer Superstar, allerdings auch ein "Enfant terrible", das sich regelmäßig mit zahlreichen Skandalen herumschlägt. "Er ist in Frankreich sehr umstritten, weshalb sich Macron mit ihm nicht so eng zeigen würde wie mit Mbappé", so Seidendorf. Macron weiß schließlich, welche Wucht der Sport entwickeln kann. Und das in alle Richtungen.

Über den Gesprächspartner

  • Stefan Seidendorf ist seit 2014 stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsch-französischen Beziehungen, der europäische Integrationsprozess sowie politische Soziologie Europas und regionale Kooperation bzw. grenzüberschreitende Beziehungen.

Verwendete Quellen

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