- Will Still hat als Jugendlicher am Computer den "Football Manager" gezockt.
- Er hat das geschafft, wovon alle jugendlichen Fußball-Manager träumen: Nicht nur virtuell, sondern auch in der realen Welt erfolgreich sein.
- Still ist mit 30 Jahren bei Stade Reims der jüngste Trainer in den Top-5-Ligen. Für ihn zahlt sein Klub bei jedem Spiel sogar eine Strafe.
Der Traum lebt seit Generationen. Im Grunde von der Sekunde an, seitdem es Fußballmanager-Simulationen gibt. Seit Jahrzehnten also schon. Das Training vorbereiten, Transfers eintüten, die Aufstellung austüfteln, die Taktik einstellen – mit dabei war bei den unzähligen jugendlichen Hobby-Managern stets die Vorstellung, auch in der Realität so erfolgreich sein zu können wie in der virtuellen Welt. Will Still ist einer, der diesen Traum tatsächlich lebt. Bei Stade Reims in der französischen Ligue 1. Und das auch noch sehr erfolgreich.
"Ich war verrückt danach, Football Manager zu spielen, als ich aufwuchs. Mein Bruder und ich spielten es ununterbrochen", sagte Still der Website The Coaches Voice. "Das Spiel hat wahrscheinlich das Feuer in mir entfacht, das ich jetzt als Trainer an der Seitenlinie habe", so der Fan von West Ham United. Stills Eltern erlaubten ihm und seinem Bruder zwar keine Playstation, das Spiel wurde dann eben am "Familiencomputer" gezockt, wie er verriet. Zum Glück drückten die Eltern beide Augen zu.
Nur noch ein Spiel …
Denn alle Hobby-Manager werden das, was er in der Daily Mail beschreibt, nur zu gut kennen. Denn auch sie haben sich die Nächte um die Ohren geschlagen, um ihren Verein nach vorne zu bringen. Stills Klub war West Ham. "Ich habe Nächte verbracht, in denen man um 22 Uhr denkt: ‚Ok, noch ein Spiel‘ - und dann ist es plötzlich 4 Uhr morgens und ich bin immer noch dabei, oh. Aber jetzt weiß ich, dass das Verrückte daran ist, dass es eigentlich so realistisch ist."
Real ist inzwischen auch seine irre Karriere. Das Manager-Spiel sorgte dafür, dass er mit 17 Jahren seine wenig aussichtsreiche Kicker-Karriere nicht weiter verfolgte, sondern sich auf seine Laufbahn als Trainer fokussierte. 2011 fing er mit 19 Jahren in der U18 des damaligen englischen Drittligisten Preston North End als Co-Trainer an. Still, der englische Eltern hat und in Belgien geboren wurde, kam viel herum, lernte in der Heimat für verschiedene Klubs als Videoanalyst und Scout.
Immer wieder der Jüngste
In Lierse wurde er 2017 nach nur drei Monaten Co-Trainer, drei weitere Monate später dann sogar Chefcoach, und das mit gerade einmal 24 Jahren. Er war damals der jüngste Zweitliga-Coach, mit 28 knackte er diese Bestmarke dann auch in der ersten Liga bei Beerschot AC, ehe er nach Frankreich ging und in Reims Co-Trainer unter Oscar Garcia wurde. Den Spanier beerbte er im Oktober 2022, als dieser entlassen wurde. Womit er nun mit 30 der jüngste Trainer in Europas Top-fünf-Ligen ist.
Seitdem erlebt Still eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Am Sonntag holte sein Team ein 0:0 bei AJ Auxerre, es war das 15. ungeschlagene Pflichtspiel in Folge, seit er den Job übernommen hat. Darunter war auch ein respektables 1:1 beim Starensemble von Paris Saint-Germain. Die renommierte L’Equipe lobte anschließend: "Wir werden Woche für Woche Zeuge der Geburt eines Technikers auf hohem Niveau. Die Art und Weise, wie seine Truppe an das Spiel herangegangen ist - furchtlos, mit viel Persönlichkeit - ist bemerkenswert."
Das 0:0 in Auxerre war einer der schlechteren Auftritte, doch in Sachen Phrasen klingt der 30-Jährige schon wie ein alter Hase. "Wenn du nicht gewinnen kannst, ist es wichtig, nicht zu verlieren", sagte er nach dem Remis. Der körperliche und mentale Durchhänger, den sein Team nach den unglaublichen letzten Wochen gezeigt habe, sei Teil des Fußballs, vor allem bei so vielen Spielen in so kurzer Zeit, sagte Still: "Wir spielen am Mittwoch wieder und werden uns auf die nächsten Schritte konzentrieren, uns neu mobilisieren und untersuchen, warum wir nicht in der Lage waren, den Unterschied zu machen, wenn es nötig gewesen wäre."
Viel Druck und Aufmerksamkeit
Was sich professionell und abgeklärt anhört, ist "harte Arbeit", wie er zugibt, denn als Cheftrainer "gibt es Druck und es gibt Aufmerksamkeit. Aber ich kann das beiseiteschieben und mich auf meinen Job konzentrieren", so Still, der allerdings kein Fan des Rampenlichts ist, das mit der Arbeit eines Chefcoaches einhergeht. "Ich bin nicht sehr kontaktfreudig", gibt er zu: "Mit Menschen, die ich kenne, bin ich offen und entspannt, aber ich fühle mich nicht wohl, wenn ich zu viel Aufmerksamkeit bekomme."
Die wächst zwar mit jedem Tag, mit jedem ungeschlagenen Spiel. Doch wenn er jeden Tag mit 26 Fußballern und drei Säcken voller Bälle auf dem Rasen stehen könne, schwärmt Still, "dann bin ich glücklich. Ich würde es für lau machen! Es nun als Job zu machen, ist wirklich ein wahr gewordener Traum!" Dabei hätte er nie gedacht, dass der Football Manager einen Einfluss auf seine reale Karriere hat, "aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, hat es das definitiv", sagte Still. Nicht nur bei ihm übrigens: Sein Spielgefährte und Bruder Edward trainiert mittlerweile den belgischen Erstligisten KAS Eupen.
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Der Klub zahlt jedes Mal eine Strafe
Bei Stade Reims ist man so begeistert von Still, dass der Klub nicht nur das Gehalt, sondern oben drauf sogar noch eine Strafe zahlt. Denn Still besitzt noch keine UEFA-Pro-Lizenz, und das kostet den Verein 25.000 Euro. Pro Spiel. "Der Klub hat mir gesagt: 'Wir sind bereit, in deine Karriere zu investieren", sagte Still: "Solange du gewinnst." Oder nicht verlierst, wie Still sagen würde. Was seit Monaten ziemlich gut klappt.
Vielleicht funktioniert es dann ja auch mit Stills ganz großem Traum, den er hat, seit er das Spiel zum ersten Mal gespielt hat. Es wäre das i-Tüpfelchen. "Das kleine Kind in mir, das all die Stunden damit verbracht hat, einer der besten Manager der Welt zu werden und im Football Manager alles zu gewinnen, sagt mir, dass ich an dem Traum festhalten soll, West Ham zu trainieren", so Still. "Das wäre wirklich ein Traum." Und wenn ihn sich einer erfüllen kann, dann wohl Will Still.
Verwendete Quellen:
- www.dailymail.co.uk: The amazing tale of Englishman Will Still, Europe's youngest boss who cut his teeth playing FOOTBALL MANAGER and is now on a stunning unbeaten run with Ligue 1 Reims
- www.coachesvoice.com: Real-life fottball manager
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