Nicht mal zehn Monate ist es her, dass Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati keinen Ausweg mehr weiß, außer sich die Pulsadern aufzuschneiden. Er wird rechtzeitig gerettet, zieht sich aus dem Fußballgeschäft zurück. Doch er ist nicht der Einzige, dem die schnelllebige Fußballwelt zugesetzt hat. Auch die Profis Sebastian Deisler und Thomas Broich hatten mit Depressionen zu kämpfen.
Es ist das erste längere Interview, dass Babak Rafati nach dieser schwärzesten Zeit seines Lebens gibt. Er ist zu Gast beim Sport-Stammtisch von "Bild-Hannover". "Mir geht es wieder gut", sagt er, "ich bin sehr glücklich mit meinem neuen Leben". Sein neues Leben ist ein Leben ohne Fußball, das steht für Rafati fest. "Ich werde nie wieder pfeifen." Dass es der Fußball war, der die Depressionen vielleicht nicht ausgelöst, doch zumindest verstärkt hat, wird klar, als Rafati zugibt, dass er in der ersten Zeit seiner Genesung Spiele nicht mal am Fernseher verfolgen konnte. Das geht in der Zwischenzeit.
Rafati braucht noch Zeit
Als Schiedsrichter stand Rafati des Öfteren im Kreuzfeuer der Kritik. Auch gegen ihn gab es Hetzkampagnen im Internet - der Fall Pezzoni beim FC Köln erinnert daran. Ausführlich will der Ex-Schiedsrichter noch nicht über diese schwere Zeit sprechen. Zwar ist die stationäre Therapie, der er sich unterzogen hat, abgeschlossen, doch um die Erlebnisse endgültig verarbeiten zu können, dazu braucht Rafati noch Zeit.
Deisler: ein Leben fernab des Fußballs
Zeit hat auch Sebastian Deisler gebraucht. Das hochgejubelte Fußballtalent hatte am 16. Januar 2007 seinen Rücktritt erklärt. Er galt vor allem in seiner Zeit bei Hertha BSC als die Hoffnung des deutschen Fußballs, doch Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück. Auch das Profigeschäft zehrte sehr an Deisler, er wird depressiv. Nach seinem Rücktritt ist er erleichtert. "Ich habe Krieg geführt gegen mich, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem ich mich maßlos überfordert hatte mit all meinen Problemen, meinen Schmerzen und mit meinen Träumen", sagte Deisler in einem Interview mit der Zeitschrift "11 Freunde".
Auch er hat sich, wie Babak Rafati, komplett aus dem Fußballgeschäft zurückgezogen, eröffnete einen Nepal-Laden in Freiburg. "Ich möchte jetzt ein Leben führen, dass ich allein bestimme", sagt er, fernab vom Fußballgeschäft.
Broich hat sein Paradies gefunden
Einen anderen Weg hat Thomas Broich gewählt. Der ehemalige Gladbach-Profi war schon als der neue Günther Netzer gehandelt worden. Aufgrund seiner Liebe zum Klavierspiel, zur Literatur und Philosophie verpasste man ihm den Spitznamen "Mozart mit der Kugel". Er hob sich von den anderen Profis ab, zelebrierte lange Zeit dieses Anderssein. Er selbst sagte in einem Interview mit der "Zeit": "Irgendwann war ich gefangen in der Rolle. Ich war nur noch frustriert und verletzt." Auch er erlebt eine depressive Phase, in der er glaubt, keinen Fußball mehr spielen zu können.
Broich hat sich inzwischen zurückgekämpft, jedoch nicht in der Bundesliga. Er spielt seit 2010 in Australien für Brisbane Roar, gewann die beiden letzten Meisterschaften und wurde im April zum besten Spieler der Saison 2011/12 gewählt. Er hat in Australien sein "kleines Paradies gefunden".
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