Früher waren tausende Fußballplätze in Deutschland im Sommer rot und staubig und im Winter knochenhart. Vielerorts gibt es die Hart- oder Aschenplätze nicht mehr. Kunstrasen hat sie ersetzt. Die teuren Schätze aber schaden der Umwelt. Viele Vereine bangen plötzlich um ihre Existenz.

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Realistische Existenzgefahr für Fußballklubs oder (sport-)politische Panikmache im Sommerloch? Das mögliche Aus für Kunstrasenplätzen mit Plastik-Granulat sorgt für große Aufregung im deutschen Sport. Aber noch ist vieles unklar. Die wichtigsten Antworten.

Worum geht es überhaupt?

Die Europäische Kommission will sogenanntes Mikroplastik, kleine Kunststoffteilchen mit einem Durchmesser unter fünf Millimeter, verringern, weil dieses umweltschädlich sei.

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) führt in diesem Zusammenhang öffentliche Befragungen durch, welche Auswirkungen es hätte, wenn weniger Mikroplastik-Granulat eingesetzt würde. Dieses wird unter anderem als Füllmaterial für Kunstrasen auf Fußballplätzen genutzt.

Die ECHA geht davon aus, dass jährlich erhebliche Mengen Mikroplastik in den Boden und in Flüsse, Seen und Meere gelangen. Dort werden die Partikel womöglich von Tieren aufgenommen und können somit in die Nahrungskette gelangen. Welche Auswirkungen dies auf die menschliche Gesundheit hat, ist nach Angaben der ECHA noch weitgehend unbekannt.

Wie konkret ist nun ein mögliches Verbot?

Noch nicht sehr. Die Konsultationen der ECHA laufen noch bis zum 20. September, im kommenden Frühjahr werden der Europäischen Kommission die Ergebnisse vorgelegt. Diese erarbeitet dann einen Vorschlag.

Über ein mögliches Verbot von Kunststoffgranulat und dessen Ausmaß wird vermutlich im kommenden Jahr in einem Ausschussverfahren unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments gefällt. Mit einem Inkrafttreten der neuen Regelung wird frühestens 2021 gerechnet.

Wie sind die Reaktionen darauf?

Sportpolitiker und Verbände bringen sich bereits in Stellung. Bundesinnenminister Horst Seehofer will sich für eine Übergangsfrist von sechs Jahren für bestehende Plätze einsetzen.

Der Deutsche Fußball-Bund, als Mitglied einer vom Deutschen Olympischen Sportbund geleiteten Arbeitsgruppe, fordert Bestandsschutz.

Die EU-Kommission betonte, dass eine Bestimmung auch Übergangszeiten beinhalten könnte. "Wir sind uns bewusst, was für eine wichtige Rolle Sportplätze spielen", sagt eine Sprecherin der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur.

Man werde deswegen bei allen Vorschlägen beachten, dass diese auch gesellschaftlich angemessen seien. Ein generelles Verbot von Kunstrasenplätzen sei definitiv nicht geplant.

Wie viele Kunstrasenplätze wären in Deutschland betroffen?

Nach Angaben des Deutschen Fußball-Bunds gibt es etwa 5.000 für den Fußballspielbetrieb gemeldete Kunststoffrasenplätze sowie etwa 1.000 DFB-Minispielfelder.

Hinzu kommen noch Plätze, die nicht von Fußballklubs genutzt werden. Sie könnten die Gesamtzahl der betroffenen Spielflächen auf mehr als 13.000 erhöhen. Dabei bleibt aber offen, auf wie vielen Plätzen Granulat oder bereits anderes Material genutzt wird.

In Hamburg werden beispielsweise schon seit 2010 auf öffentlichen Kunstrasenplätzen keine Gummi-Granulate mehr verwendet. Stattdessen werden nach Angaben der Innenbehörde die Plätze mit Quarzsand aufgefüllt.

Warum wird überhaupt Mikroplastik als Füllmaterial für Kunstrasen genutzt?

Das Granulat bietet die besten Spieleigenschaften und den höchsten Spielerschutz, sagt Tobias Müller, Pressesprecher des Kunstrasensystemherstellers Polytan. Deswegen würden sich die meisten Vereine für eine Mischung aus Granulat und Sand entscheiden.

Nach Ansicht von Ex-Nationalspieler Michael Rummenigge, Geschäftsführer eines Unternehmens für Kunstrasen-Minispielfeldbau, könne das Granulat jedoch problemlos durch Kork ersetzt werden: "Da spürt man keinen Unterschied".

Die Europäische Fußball-Union UEFA bezeichnete existierende Alternativen als "weder machbar noch nachhaltig" und verwies auf hohe Kosten.

Welche anderen Füllmaterialien gibt es?

Nach Aussage von Polytan-Sprecher Müller gibt es im Wesentlichen drei Alternativen: Eine Mischung aus Sand und Kork, reiner Sand und ein komplett unverfüllter Platz.

Dies hätte jedoch Nachteile. Kork sei anfälliger für die Witterung und müsse häufiger nachgefüllt werden. Auf reinem Sand komme es schneller zu Schürfverletzungen, und die unverfüllten Plätze müssten bei großer Dürre gewässert werden, damit sie nicht stumpf werden.

Ein mit Kork gefüllter Platz sei nicht wesentlich teurer als einer mit Granulat, sagte Arnd Schade, Geschäftsführer eines Unternehmens für Kunstrasen-Minispielfeldbau. Sand sei sogar billiger und auch unverfüllte Plätze nicht "unbezahlbar".

Wie hoch wären die Kosten für eine Umrüstung?

Die jährlichen Mehrkosten nach einem Mikroplastik-Verbot könnten sich deutschlandweit schätzungsweise auf einen hohen einstelligen Millionenbetrag belaufen. Der Gesamtbetrag für den Austausch des Füllstoffes der Kunststoffrasensysteme wird grob auf bis zu 90 Millionen Euro beziffert.

Wenn lediglich das Füllmaterial ausgetauscht wird, kostet eine Umrüstung laut Polytan-Sprecher Müller rund 75.000 Euro. Dafür würde das Granulat abgesaugt und durch Kork ersetzt werden, so Rummenigge. Der Städte- und Gemeindebund schätzt die Kosten für eine Sanierung auf 250.000 Euro, in Einzelfällen auch höher. Bei dieser Summe müsste dann vermutlich der komplette Rasen neu verlegt werden, so Müller.

Ist Mikroplastik auf Kunstrasenplätzen auch gefährlich für den Menschen?

Es bestehen nach Angaben der Echa von 2017 höchstens geringe gesundheitliche Bedenken beim Spielen auf Kunstrasenplätzen mit Plastik-Granulat als Füllmaterial. Dies gelte auch bei Hautkontakt, Verschlucken oder Einatmen.

Bei der Verwendung von Gummigranulaten in Hallen könnten die freigesetzten flüchtigen organischen Verbindungen jedoch zu einer erhöhten Haut- und Augenreizung führen. Weitere Untersuchungen seien aber nötig.

Auch das Umweltbundesamt vermutet, dass die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen sehr gering sind. Das Granulat sei zu groß, um vom Körper aufgenommen zu werden, selbst wenn es versehentlich verschluckt werde.

Wie groß ist das Problem in anderen Sportarten?

Der Deutsche Tennis-Bund sieht das Thema beispielsweise gelassen. Allzu viele Plätze seien in der Sportart in Deutschland gar nicht betroffen.

In den Hallen liege eher Teppich, ansonsten wird vorwiegend auf Sand, Hartplatz oder Naturrasen gespielt. "Der DTB ist sich des Themas bewusst, auch wenn zahlenmäßig nicht so viele Plätze betroffen sind. Wir warten die Empfehlungen des DOSB ab und werden uns daran orientieren", hieß es von Verbandsseite.

Wie sieht es im Rest der Europäischen Union aus?

Nach Angaben des Kontinentalverbands gibt es 25.250 Kunstrasenplätze in 20 der 28 Staaten der Europäischen Union - mit sehr unterschiedlicher Verteilung.

Im Vereinigten Königreich sind es 4.853 Plätze, in Polen 3.252, in den Niederlanden 2.328, in der Tschechischen Republik beispielsweise nur 232. Dabei bleibt offen, auf wie vielen Plätzen Granulat oder bereits anderes Material genutzt wird.

Für acht Länder, darunter Frankreich, Spanien und Österreich, lagen vom Kontinentalverband keine Zahlen vor. (hau/dpa)

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