Manuel Neuer gleicht einem Boxer, der in den Seilen hängt. Sein Gegner Marc-André ter Stegen bietet beim FC Barcelona seit Monaten Leistungen an, die einen baldigen Wechsel im Tor der Nationalmannschaft immer wahrscheinlicher werden lassen. Der Bundestrainer aber hat Neuer einen Freifahrtschein ausgestellt.

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Torwart Marc André ter Stegen gibt sich nicht mit der Reservistenrolle in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hinter Manuel Neuer zufrieden.

Ter Stegen setzt Neuer unter Druck

"Ich möchte den Umbruch auch auf der Torwart-Position vollziehen", sagte der Keeper des FC Barcelona dem Streaming-Portal DAZN: "Ich möchte Druck machen." Ungeachtet des "absoluten" Respekts, den ter Stegen vor dem hat, "was Manu für Deutschland bislang getan hat. Er hat tolle Turniere gespielt."

Ter Stegen, der schon länger bei Barca überragend hält, hat bislang 21 Länderspiele absolviert, ist aber hinter DFB-Kapitän Neuer von Bayern München die Nummer zwei im DFB-Team.

Wie lange noch, hängt nicht nur von ter Stegens Leistungen ab, sondern vor allem von Neuers Antwort darauf.

Real-Verletzung als Karriereknick

Neuers Karriere hat mit seiner langwierigen Fußverletzung, die er sich im Champions-League-Viertelfinale bei Real Madrid im April 2017, einen spürbaren Knick erfahren, den womöglich entscheidenden.

Seit Jahresbeginn 2017 büßte Neuer nach Information des Portals "transfermarkt.de" über die Hälfte seines einstigen Marktwerts ein. Er stürzte von 56 Millionen Euro auf 22 Millionen Euro ab.

Im gleichen Zeitraum legte ter Stegen um sagenhafte 344,4 Prozent zu. Von 18 Millionen Euro auf 80 Millionen Euro. Insofern ist ter Stegen aktuell - gemeinsam mit Jan Oblak von Atlético Madrid - nicht nur der teuerste Torwart der Welt, sondern nicht weniger als 58 Millionen Euro mehr wert als Neuer.

Für 58 Millionen Euro gäbe es derzeit auf dem Transfermarkt Spieler wie Neuers Teamkollegen David Alaba oder Edinson Cavani von Frankreichs Über-Verein Paris St. Germain.

Klares Votum pro ter Stegen auf Facebook

Das Ergebnis einer Facebook-Umfrage der "Sport-Bild" hat ergeben, dass sich 70 Prozent der 36.957 Teilnehmer ter Stegen als Nummer eins im deutschen Tor wünschen. 30 Prozent sprachen sich für Neuer aus.

Die Statistik untermauert dieses verschobene Kräfteverhältnis aber nicht wirklich. Ter Stegen hat in 31 Pflichtspielen dieser Saison 14-mal kein Gegentor kassiert, Neuer aber wurde in 28 Partien auch 13-mal nicht bezwungen.

Oliver Kahn ist unentschieden

Oliver Kahn, Vorgänger Manuel Neuers als Torwart-Legende beim FC Bayern München und im Nationalteam, will nicht in Joachim Löws Haut stecken. Kahn hält beide Torleute für "exzellent" und betont im Interview mit DAZN: "In der Nationalmannschaft kann man Manuel Neuer nichts vorwerfen."

Allerdings sind dessen Leistungen auf Vereinsebene eingebrochen, und das nicht nur gefühlt. Nach 23 Bundesligaspieltagen liegt Neuers Notenschnitt im "kicker" nur noch bei 3,26. Schlechter war Neuer nie zuvor in seiner Profi-Laufbahn bewertet.

"Joachim Löw", gab Kahn dem Bundestrainer einen Ratschlag, "muss Manuel Neuer den Hinweis geben, dass andere auf seinem Level angekommen sind. Er muss die Angreifer in jedem Spiel abwehren."

An deren Spitze steht ter Stegen. Vor wenigen Wochen hat aber Löw die Rangfolge bis zur EM 2020 noch einmal bestätigt.

Joachim Löw legt sich für die EM 2020 bereits fest

Ter Stegen sei zwar "genauso Weltklasse mittlerweile", sagte Löw im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF, aber "falls nichts Außergewöhnliches passiert, sollte Manuel Neuer unsere Nummer eins sein bis zur EM, absolut".

Ter Stegen werde "sicher in Spielen seine Chance bekommen, er ist auf einem sehr, sehr guten Niveau, hat herausragend gespielt", ergänzte Löw.

Neuer sei aber "wahnsinnig wichtig für unsere Spieler und die Mannschaft. Ich möchte die Leistung von Marc nicht schmälern, aber Manu wird bis 2020 eingeplant sein als Nummer eins."

Ter Stegen lässt Leistung sprechen

Ter Stegen will sich damit aber nicht abfinden. "Ich fighte dafür, dass ich gute Leistungen im Klub zeige. Das ist die Voraussetzung, um auch beim DFB den Anspruch stellen zu können und zu sagen: Hier bin ich. Ich bin in einer guten Position. Ich mache alles dafür, dass ich den Trainer von mir überzeuge", sagte er bei DAZN.

Denn, so sein Motto: "Wenn ich nicht mehr darüber nachdenke, noch besser zu werden, dann habe ich eigentlich schon aufgehört."

Kahn gefällt, dass ter Stegen mit Leistung statt mit großen Sprüchen überzeugen will. "Das würde auch nicht zu ihm passen." Kahn erinnert an ter Stegens schwierige Situation vor und während der WM 2018 in Russland. "Es war eine Leistung, wie es ter Stegen hingenommen hat, dass Neuer nach acht, neun Monaten Verletzung ohne Spielpraxis gespielt hat. Das zeigt, dass ter Stegen gute Nerven hat und mental stabil ist. Das genau braucht ein Torhüter." (hau/AFP/dpa)

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