Krasse Fehlentscheidungen sollen im Fußball bald der Vergangenheit angehören. Der Video-Schiedsrichter wird heute beim Länderspiel zwischen Italien und Deutschland getestet. Wir erklären, was es mit dieser Technik auf sich hat.
War das ein Foul oder eine Schwalbe? Stand der Torschütze im Abseits oder nicht? Für Schiedsrichter ist es praktisch unmöglich, aus dem Spiel heraus immer die richtige Entscheidung zu treffen. Zukünftig soll der Video-Schiedsrichter helfen.
Zuschauer sehen den Video-Schiedsrichter nicht
Die Zuschauer im Stadion werden den Video-Schiedsrichter nicht zu Gesicht bekommen, der heute bei Italien gegen Deutschland zum Einsatz kommt. Der Portugiese Manuel de Sousa, der diese Rolle heute gemeinsam mit einem Assistenten übernimmt, sitzt in einem Raum im Stadion. Er hat Zugriff auf alle Bilder des deutschen und italienischen Fernsehens. Bei einer klaren Fehlentscheidung kann er den Schiedsrichter per Funk kontaktieren. Genauso gut kann der Schiedsrichter auf dem Platz bei dem Video-Schiedsrichter nachfragen, wenn er sich bei einer Situation nicht sicher ist.
Allerdings wird nicht jede Kleinigkeit überprüft. Nur wenn ein Tor geschossen wurde, es eine Elfmeter-Entscheidung gibt, ein Platzverweis im Raume steht oder ein Spieler eine gelbe Karte sieht, der überhaupt nicht in die Spielszene involviert war, es also praktisch eine Verwechslung gab, meldet sich der Video-Schiri vielleicht zu Wort und korrigiert die Entscheidung. Der Zuschauer bekommt das mit, indem der Schiedsrichter auf dem Platz ein TV-Signal anzeigt.
Der Unparteiische auf dem Feld hat keine Möglichkeit, sich die Videobilder anzuschauen. Zumindest noch nicht. Mittelfristig ist es geplant, dass der Schiedsrichter besonders strittige Entscheidungen an einem Monitor überprüfen kann.
"Der Fußball bleibt gleich, aber wir haben mit dem Video-Schiedsrichter ein Extra-Auge. Wir arbeiten daran, dass der Fußball ehrlicher wird", sagte der frühere Weltklassestürmer Marco van Basten, der nun als FIFA-Beauftragter für Technische Entwicklung fungiert, bei einer Pressekonferenz.
Im Ausland ist der Video-Schiedsrichter schon häufiger angewandt worden. Entwickelt wurde die Technik in den Niederlanden. Die Testverfahren sind dort größtenteils abgeschlossen. Sogar in Pflichtspielen kommt der Video-Schiedsrichter gelegentlich zum Einsatz.
Mit Erfolg: Bei einem Pokalspiel zwischen Ajax Amsterdam und Willem II wollte der Schiedsrichter nach einem Foul zunächst nur die gelbe Karte geben. Sein Assistent hinter den Bildschirmen sah eine rote Karte als gerechtfertigt – der Spieler musste den Platz verlassen. Schiedsrichter Danny Makkelie sagte hinterher: "Die Technik hat ihren Wert bewiesen."
Video-Referee auch in der Bundesliga
Die Einsätze der Video-Schiedsrichter sollen kontinuierlich ausgebaut werden – auch in der Bundesliga. Ab der kommenden Saison wird das technische Hilfsmittel für Schiedsrichter getestet. Teilweise geschieht das heute schon. Allerdings noch im Offline-Betrieb. Das heißt, es besteht kein Kontakt zwischen Schiedsrichter und Video-Schiedsrichter.
Laut Helmut Krug, der als Schiedsrichter-Manager der Deutschen Fußball Liga fungiert, sind solche Testverfahren wichtig. "Es ist schwierig herauszufiltern, was ist denn eine völlig falsche Entscheidung? Man muss erst ein Gefühl für die Szenen entwickeln. Es ist nicht so einfach umsetzbar", sagt er auf DFB.de.
Ein häufiger Kritikpunkt von Gegnern des Video-Beweises ist, dass der Spielfluss unterbrochen wird. In anderen Sportarten wie Eishockey oder American Football ist das tatsächlich so. Schaut sich der Schiedsrichter dort eine strittige Szene noch einmal an, ist das Spiel für mehrere Minuten unterbrochen. Im Fußball soll das nicht geschehen. Krug erklärte, dass beim Testverfahren Fehlentscheidungen nach 15 bis 20 Sekunden korrigiert waren.
Überhaupt soll sich der Video-Beweis im Fußball von dem anderer Sportarten unterscheiden. Im American Football haben die Trainer beider Mannschaften zum Beispiel die Möglichkeit, pro Spiel zweimal eine Szene nach Wunsch überprüfen zu lassen. Im Fußball wird das nicht möglich sein. Hier entscheiden alleine die Schiedsrichter, welche Spielsituation noch einmal anzuschauen ist.
Auch bei anderen Sportarten wie Basketball, Cricket, Hockey, Tennis oder Volleyball ist der Videobeweis längst üblich. Der Fußball ist also ein Spätstarter. Umso beachtlicher, welches Tempo nun vorgelegt wird: Sind die Erfahrungen weiterhin positiv, wäre sogar ein Einsatz bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 möglich.
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