Neymar spielt nach einem Jahr Leidenszeit wieder Fußball - von der großen Karriere des einst teuersten Spielers der Welt sind aber nur noch vage Erinnerungen geblieben. Warum eigentlich?
Die Rückkehr war standesgemäß: Ein paar Minuten nach seiner Einwechslung rollte ein Ball auf ihn zu, der Gegenspieler attackierte frontal und in hohem Tempo. So ziemlich jeder andere Spieler auf der Welt hätte den Ball wohl flink einem Mitspieler zugespielt oder vielleicht versucht, mit einem explosiven Dribbling zu entkommen.
Der Mann mit der Rückennummer 10 entschied sich für eine andere Lösung: Er chippte den Ball mit dem ersten Kontakt im hohen Bogen über den heranfliegenden Gegner, umkurvte sein Gegenüber, stoppte den sinkenden Ball mit dem rechten Oberschenkel und spielte erst dann zurück zu seinem Innenverteidiger.
Die Zuschauer johlten und klatschten und
Eine andere, sehr vertraute, ereilte die Fans nur ein paar Minuten später: Neymar, der ehemals beste und teuerste Spieler der Welt, kann der Tragik der letzten Monate und Jahre offenbar kaum mehr entkommen. Keine halbe Stunde nach seiner Einwechslung musste der Brasilianer schon wieder angeschlagen vom Platz.
Fast genau ein Jahr lang verletzt
Neymar ist mittlerweile 32 Jahre alt, er bewegt sich mindestens im Herbst seiner Karriere. Spötter würden behaupten, dass diese Laufbahn mit dem Wechsel in die Saudi Pro League zu Al-Hilal SFC im Sommer vergangenen Jahres schon praktisch beendet wurde. Seitdem war Neymar, der dem FC Barcelona in einer grauen Vorzeit die sagenhafte Summe von 222 Millionen Euro wert war, fast komplett von der Bildfläche verschwunden.
Ein Kreuzband- und ein Meniskusriss setzten Neymar fast auf den Tag genau ein Jahr lang außer Gefecht. Nun ist er wieder da - und schon wieder verletzt?
"Es fühlte sich an wie ein Krampf, nur sehr stark! Ich werde mich untersuchen lassen und hoffe, dass es nichts allzu Ernstes ist. Es ist normal, dass so etwas nach einem Jahr passiert, die Ärzte hatten mich schon gewarnt, also muss ich vorsichtig sein und mehr Spiele machen", schrieb er in den Stunden nach dem Spiel seiner Mannschaft bei Instagram seinen 226 Millionen Followern.
Nie mehr als der Junior-Partner der ganz Großen
In der Wüste, in einer Liga weit weg vom großen Scheinwerferlicht und ohne jegliche sportliche Relevanz für den Weltfußball, versucht der Gebeutelte ein Comeback. Mal wieder, muss man wohl leider dazu erwähnen. Der Totalschaden in Neymars Knie war die vorerst letzte und auch heftigste Verletzung in einer beinahe unglaublichen Misere.
Insgesamt 38 kleine, mittelschwere und schwere Verletzungen hat Neymar in seiner Karriere schon überstehen müssen, von Muskelfaserrissen über eine Wirbelverletzung, zwei Mittelfußbrüchen, diversen Bänderrissen bis zum Kreuzbandriss war da alles dabei. Und kaum ein Körperteil ist bisher verschont geblieben.
Es gehört auch zur Geschichte Neymars, dass er sein unglaubliches Potenzial auch wegen dieser permanenten Rückschläge nie voll hatte entfalten können. Dass da gefühlt noch deutlich mehr möglich gewesen wäre. Dass er - auch im Vergleich zu
Lesen Sie auch
Hinterhof statt ballon d‘or
Nun also Al-Hilal. Eine Mannschaft, die vor theoretisch 30.000 Zuschauern in einem Stadion mit dem Namen "Kingdom Arena" spielt - wenn denn mal alle Plätze gefüllt wären. In der heimischen Liga schauen im Schnitt keine 10.000 Fans zu.
Obwohl die Dichte an Stars durchaus imposant ist: Neben Neymar spielen mittlerweile auch Keeper Bono, Ex-Bayern-Spieler João Cancelo, Ruben Neves, Sergej Milinkovic-Savic oder Angreifer Malcom für den saudischen Meister. Eine kleine Weltauswahl also, mit Neymar als Anführer. Und trotzdem bleibt Al-Hilal nur ein Hinterhof des Weltfußballs.
Selbst von den Spielen der AFC Champions League Elite, also der asiatischen Champions League, bekommt in Europa kaum jemand etwas mit. Hätte Neymar nicht ein paar Kunststückchen vollführt und sich danach womöglich erneut wieder verletzt: Kaum jemand hätte sich dafür interessiert.
Als neulich beim Ballon d’Or unter mehr oder weniger großem Getöse ein paar wichtige Preise des Weltfußballs verliehen wurden, rückte längst die neue Generation an. Dabei könnte einer wie Neymar, mit diesen unnachahmlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, auch im fortgeschrittenen Alter noch eine dominierende Position einnehmen - hätte er seine Karriere doch nur etwas anders organisiert.
Gibt es noch einen Ausweg aus der Sackgasse?
Neymar hat für den FC Santos, für Barcelona und Paris St.-Germain gespielt, drei Größen im Weltfußball. Nach sechs Jahren in Paris nahm er dann aber trotz einiger Angebote ambitionierter europäischer Klubs, die Offerte aus Saudi-Arabien an. Da war er 31 - in einem Alter also, in dem Messi noch für Barcelona oder Ronaldo bei Real Madrid die Champions League gewinnen wollten. Neymar hat sich stattdessen für den einfacheren Weg entschieden, in eine allenfalls zweitklassige Liga.
Vier, fünf gute Jahre könnte der Spieler bei entsprechender Gesundheit sicherlich noch haben, auch auf höchstem Niveau. Stattdessen kickt er nun für sehr viel Geld um ein überschaubares sportliches Prestige und droht, aus dieser Sackgasse nicht mehr herauszufinden.
Es halten sich zwar hartnäckig Gerüchte um einen Wechsel entweder zu seinem Heimatklub Santos, wobei die Brasilianer das horrende Gehalt von kolportierten 70 Millionen Euro pro Saison nicht ansatzweise stemmen könnten. Oder aber in die Vereinigten Staaten. Da spielen bei Inter Miami die ehemaligen Barca-Kumpels Jordi Alba, Sergio Busquets, Luis Suárez und natürlich Leo Messi.
Die alte Gang noch einmal zu vereinen, wäre eine reizvolle Option in einer etwas besseren und mehr beachteten Liga. Allerdings müsste dafür wiederum der Salary Cap in der Major League Soccer umgangen werden. Die finanziellen Sphären, in die sich Neymar nicht erst, aber doch final mit dem Deal in Saudi-Arabien katapultiert hat, würden sich dann tatsächlich als Boomerang erweisen.
Verwendete Quelle
- instagram.com: Post von Neymar
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.