Noch gibt es keine finale Entscheidung, ob Mason Greenwood zu Manchester United zurückkehrt. Das wollte der Klub in einer Mitteilung am Mittwoch noch einmal feststellen. Doch eine Tendenz scheint es zu geben und die lässt vor allem weibliche Fans auf die Barrikaden gehen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sabrina Schäfer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Sechs Monate hat sich Manchester United Zeit gelassen. Vor sechs Monaten wurde die Anklage gegen Mason Greenwood fallen gelassen. Nicht, weil seine Unschuld bewiesen wäre, sondern weil sich Hauptzeugen aus dem Verfahren zurückgezogen hätten und es deshalb keine realistische Aussicht auf eine Verurteilung gebe, wie es damals von offizieller Stelle geheißen hatte. Die Anklage gegen Mason Greenwood lautete Vergewaltigung, Überwachung, Nötigung und Körperverletzung.

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Noch immer kursiert im Netz ein Audio-Mitschnitt, auf dem ein Mann, aller Wahrscheinlichkeit nach Mason Greenwood, eine Frau zum Sex zwingt. Der Mitschnitt ist verstörend. Die Frau macht sehr deutlich, dass sie keinen Sex haben möchte, der Mann bedroht sie: "Schubs mich nochmal und dann siehst du, was dir passiert!"

Ganz England hat diesen Audio-Mitschnitt gehört und die Bilder gesehen, die Greenwoods Freundin gepostet hat, die sie mit aufgeschlagener Lippe und blauen Flecken zeigten. Das hebt Greenwoods Fall von anderen Fällen ab und deshalb fällt wohl auch die öffentliche Reaktion deutlicher aus, als man es sonst fast schon gewohnt ist.

Protest gegen mögliche Greenwood-Rückkehr

Als sich in den vergangenen Tagen Medienberichte mehrten, dass Manchester United Greenwoods Rückkehr in das Team von Trainer Erik ten Hag kurz bevorstünde, mischten sich unter die Fans, die vor Old Trafford unter dem Schlachtruf "Glazers Out" gegen die Besitzerfamilie des Klubs protestieren, auch viele, die sich deutlich gegen Greenwoods Rückkehr aussprachen.

Reporter von "Spox" zitieren eine der Demonstrierenden, der die Wut über die Situation deutlich anzumerken ist:

Dieser Fall ist eine Gelegenheit, dieses Thema aufzubrechen und so mehr Sichtbarkeit und Verantwortlichkeit zu erreichen. Spieler sollten zur Rechenschaft gezogen werden. Das sind reiche, junge Männer, die denken, sie seien unantastbar. Aber das sind sie nicht - und das sollten sie auch nicht sein.

Bei Twitter veröffentlichte zudem der Kanal Female Fans Against Greenwood's Return ein Statement, das den Klub auffordert, seiner Fürsorgepflicht für weibliche Fans und Angestellte nachzukommen und einen Null-Toleranz-Ansatz in Sachen Gewalt gegen Frauen zu verfolgen, indem man sich weigere, Greenwood zurück in das Team zu lassen:

Die Situation ist klar - nimmt man Greenwod zurück, legitimiert und normalisiert man sexuelle Nötigung und häusliche Gewalt. Es zeigt anderen Spielern und den Männern und Jungen, die zu ihnen aufsehen, dass es in Ordnung ist, Frauen zu missbrauchen, ohne dass es Konsequenzen gibt und negative Auswirkungen auf deine Karriere hat.

Manchester United: Entscheidung noch nicht gefallen

Am späten Mittwochnachmittag sah sich Manchester United schließlich gezwungen, eine Mitteilung bezüglich Mason Greenwood herauszugeben:

Entgegen der Spekulationen in den Medien wurde noch keine Entscheidung getroffen und die Sache wird derzeit intern intensiv diskutiert. Die endgültige Verantwortung liegt beim Geschäftsführer (Richard Arnold, Anm.d.Red.). [...] Es ist ein sehr schwieriger Fall für alle, die mit Manchester United verbunden sind und wir verstehen die starken Meinungen, die der Fall hervorgebracht hat und die sich auf die Teilbeweise stützen, die öffentlich verfügbar sind. Wir bitten um Geduld, während wir uns durch die finalen Etappen dieses genau durchdachten Prozesses arbeiten.

Dieser "genau durchdachte Prozess", von dem der Klub spricht, beinhaltet unter anderem das Einbeziehen des Frauenteams in die Greenwood-Entscheidung. Dass drei Spielerinnen (Ella Toone, Mary Earps and Katie Zelem) derzeit noch in Australien beim englischen Nationalteam um den Titel kämpfen, scheint nun auch der Grund für eine Verzögerung bei der Entscheidungsfindung zu sein. Wobei die Frage erlaubt sein muss, warum man die Spielerinnen nicht bereits in den vergangenen sechs Monaten zu ihrer Meinung befragt hat. Und warum es überhaupt nun am Frauenteam liegen soll, diese Entscheidung zu treffen. Ein Fan hielt bei den Protesten vor dem Old Trafford ein sehr pointiertes Schild hoch: "Überlasst die Entscheidung nicht dem Frauenteam, ihr rückgratlosen, mutterlosen Deppen". Es dürfte die Meinung von vielen abbilden.

Manchester United
Fans protestieren am 16. August gegen eine mögliche Rückkehr von Mason Greenwood zu Manchester United. © IMAGO/Offside Sports Photography/IMAGO/Simon Stacpoole

Greenwood-Rückkehr als wirtschaftliche Kalkulation

In einem lesenswerten Kommentar bringt es "Guardian"-Sportjournalist Jonathan Liew auf den Punkt: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Markt die Entscheidung bestimmen. Nicht die Spielerinnen, nicht die Fans, nicht der Trainer; der Markt.

Der Klub wird abwägen, wie viel sportlichen Wert Greenwood mit seiner Torgefährlichkeit bringt, wie viel Gehalt man ihm noch zahlen muss, sollte er nicht spielen, wie groß der Aufschrei sein wird, wie lange er dauern könnte und welche wirtschaftlichen Einbußen er mit sich brächte. Fußball ist zu großen Teilen wirtschaftliche Kalkulation. Der moralische Kompass spielt dabei in den meisten Fällen eine nachgeordnete Rolle.

Von Mason Greenwood selbst war seit seiner Verhaftung 2022 lange Zeit nichts zu hören. Am 14. Juli 2023 gab es ein erstes Lebenszeichen bei Social Media von ihm und seiner Freudin. Sie sind Eltern geworden. Seine Freundin hat alle Beiträge bei Instagram gelöscht, nur das Babybild ist noch da.

Quellen:

  • Spox.de: Der Fall Mason Greenwood bei Manchester United: "Wenn er bleibt, war's das für mich"
  • Manchester United Club statement: Update on Mason Greenwood
  • Twitter: Female Fans against Greenwood's Return
  • Guardian.co.uk: Mason Greenwood and what will really decide if he plays for Manchester United again
  • Instagram: Mason Greenwood und Harriet Robson
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