Der englische Erstligist Everton wurde kürzlich wegen eines Verstoßes gegen die Finanzregularien der Premier League mit einem heftigen Punktabzug bestraft. Derweil sind größere Vereine wie Manchester City und Chelsea trotz schwerwiegender Vorwürfe bislang unbestraft geblieben. Gibt es hier eine Ungleichbehandlung im englischen Spitzenfußball?
Nach 13 Spieltagen steht Everton, der Traditionsclub aus Liverpool, auf dem vorletzten Tabellenplatz der Premier League. Vier Punkte haben die "Toffees" auf dem Konto. Eigentlich wären es 14 - wäre da nicht die heftige Strafe der Liga gegen den Verein.
Laut den Rentabilitäts- und Nachhaltigkeitsregularien (PSR) der Premier League ist es Erstligisten gestattet, einen finanziellen Verlust von 105 Millionen Britischen Pfund (ca. 121 Millionen Euro) über drei Jahre zu verbuchen. Everton allerdings riss diese Grenze um 19,5 Millionen Pfund (ca. 22,5 Millionen Euro).
"Das war ein ernsthafter Verstoß, der eine signifikante Strafe nach sich zieht", ließ die Liga dazu vor Kurzem verlauten. Die Ligakommission kam zum Schluss, dass die Transferpolitik des Clubs angesichts eines drohenden Abstiegs "rücksichtslos war, was einen erschwerenden Faktor darstellt". Unter Umständen können Leeds, Leicester, Burnley und Southampton, also jene vier Clubs, die in den vergangenen Spielzeiten anstelle von Everton abgestiegen sind, eine finanzielle Kompensation von Everton im achtstelligen Bereich einfordern.
Zudem wurden Vermutungen laut, dass das heftige Urteil auch damit zusammenhängen könnte, dass der englische Spitzenfußball weiterhin fürchten muss, dass die britische Regierung einen unabhängigen Aufseher einsetzen könnte, der die Premier League und dessen Clubs fortan beaufsichtigt.
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Deal mit russischem Investor platzte wegen des Ukraine-Kriegs
Everton selbst zeigte sich geschockt ob der Höhe der Strafe, denn der Club würde in diesem Jahr so oder so wieder gegen den Abstieg in die Championship, die zweite englische Liga, kämpfen. Die Verantwortlichen sagen zu den Vorwürfen, es würde sich lediglich um eine abweichende Interpretation von Bilanzen handeln und der Punktabzug sei deshalb ungerechtfertigt.
Everton argumentiert, dass ein lukrativer Deal über 200 Millionen Pfund (ca. 230 Millionen Euro) mit USM, der Holdingfirma des Russen Alisher Usmanow, über einen Verkauf der Namensrechte am Stadion wegen des Kriegs in der Ukraine nicht zustande gekommen sei. Der Club habe zuvor schon Kredite für Infrastrukturprojekte aufgenommen, die nun nicht als zusätzliche Ausgaben gewertet werden sollten. Die Kommission widersprach jedoch dieser Argumentation.
Hinzu kommt: Die weitverbreitete Ansicht im englischen Fußball ist, dass der Club unter Besitzer Farhad Moshiri eine riskante Transferpolitik verfolgt und immer wieder Spieler mit horrendem Geldeinsatz in den Goodison Park lockte. In den vergangenen Monaten hatte die in Miami beheimatete Investmentfirma 777 Partners versucht, Everton zu übernehmen. Lange Zeit scheiterte die Übernahme am Fehlen ausreichender Wirtschaftsprüfungsunterlagen.
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Ermittlungen gegen City und Chelsea laufen
Fernab der Probleme von Everton wirft die Strafe gegen den Liverpooler Club aber auch Fragen auf. Denn während Everton einen erheblichen sportlichen Schaden erlitten hat, kommen etwa Manchester City und Chelsea aktuell noch ungeschoren davon. Bereits im Februar wurde bekannt, dass die Premier League mehr als 100 Verstöße der eigenen Regularien durch City festgestellt hat und eine unabhängige Kommission über mögliche Strafen gegen den sechsmaligen englischen Meister entscheiden sollte.
City war bereits 2020 wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay der Uefa aus der Champions League ausgeschlossen worden. Diese Strafe wurde später jedoch vom CAS, dem Internationalen Sportgerichtshof, wieder aufgehoben. Momentan, so heißt es, gibt es juristische Auseinandersetzungen zwischen der Premier League und City, die ein abschließendes Urteil wohl hinauszögern.
Bei Chelsea laufen unterdessen seit Kurzem Ermittlungen zu den Jahren, als der russische Oligarch Roman Abramowitsch Eigentümer des Londoner Clubs war. In jener Zeit soll es angeblich von Firmen, die Abramowitsch gehören, zu geheimen Zahlungen an den Verein gekommen sein, ohne dass diese ausgewiesen wurden.
Noch steht in beiden Fällen ein Urteil aus. Sollte die Beweislage ähnlich eindeutig wie im Fall von Everton sein, müsste die Strafe vergleichbar hart ausfallen. Andernfalls würde sich der englische Fußball unglaubwürdig machen – so die Theorie. In der Praxis ist es alles andere als einfach, einen Club wie Manchester City abzustrafen und damit direkt ins prestigeträchtige Titelrennen der Premier League einzugreifen. Aktuell ist das von Pep Guardiola trainierte Team Tabellenzweiter, einen Punkt hinter Arsenal.
Premier League hatte Everton regelmäßig gewarnt
Die Fans von Everton nehmen die ausbleibenden Urteile zum Anlass, um gegen die Premier League zu schießen. Am vergangenen Freitag protestierten Anhänger vor dem Sitz der Liga, am Sonntag hingen bei der Partie gegen Manchester United riesige Banner im Goodison Park. "Wo es Macht, Gier und Geld gibt … gibt es auch Korruption", war auf einem zu lesen.
"Warum wir? Warum nicht City, warum nicht Chelsea?", wird Everton-Anhänger Patrick Garner von der Nachrichtenagentur AFP zitiert. Everton sei ein leichtes Opfer, aber man werde das Ganze nicht einfach über sich ergehen lassen.
Auch die Verantwortlichen von Everton werden weiter genau hinschauen und gegebenenfalls ein ausbleibendes Urteil gegen City oder Chelsea nutzen, um öffentlich die angebliche Ungerechtigkeit in der Premier League anzuprangern. Einen Freispruch wird es für die "Toffees" allerdings nicht mehr geben. Zumal Everton bereits 2021 ein informelles Abkommen mit der Liga einging, wonach jeder Transfer des Clubs von der Premier League abgesegnet werden sollte.
Auch wenn die Liga nicht direkt eingriff, wurde Everton wegen der hohen Verluste von den Finanzkontrolleuren gewarnt. Schlussendlich überspannte Everton wohl den Bogen und muss nun mit den sportlichen Konsequenzen leben. Ob es City, Chelsea oder andere "große" Teams ebenfalls treffen wird, bleibt derweil abzuwarten.
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