- Weil er in einem Tweet die Flüchtlingspolitik der Regierung kritisierte, wurde Gary Lineker vom öffentlich-rechtlichen Sender BBC aus der beliebten Sportsendung "Match of the Day" geworfen.
- Damit löste die BBC in Großbritannien eine Welle der Empörung aus, viele Kollegen von Lineker solidarisierten sich.
- Jetzt macht der Sender eine Rolle rückwärts und holt den Ex-Nationalspieler zurück.
Man stelle sich vor, "das aktuelle sportstudio" im ZDF müsste am Samstagabend komplett ohne Moderation, Kommentatoren und Gäste auskommen. Undenkbar? So ähnlich lief es am vergangegen Wochenende aber bei der Sendung "Match of the Day" ab, die in Großbritannien seit Jahrzehnten das Sportprogramm am Samstagabend bestimmt.
Statt der üblichen eineinhalb Stunden Fußballshow sahen Fans, die sich auf dem öffentlich-rechtlichen Sender BBC die Zusammenfassungen der Premier-League-Spiele ansehen wollten, nur etwa 20 Minuten, in denen ohne jegliche Anmoderation oder Kommentar Spielhighlights gezeigt wurden.
Ursache für die verkürzte Sendung waren nicht etwa technische Probleme, sondern eine Debatte um den Einfluss der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In dessen Mittelpunkt steht die englische Stürmerlegende Gary Lineker, hierzulande vor allem bekannt durch sein Zitat, dass Fußball ein Spiel sei, in dem 22 Spieler 90 Minuten dem Ball nachjagen und am Ende immer die Deutschen gewinnen.
Nach seiner Zeit als Fußballprofi, unter anderem bei Leicester City und dem FC Barcelona, startete Lineker auch eine erfolgreiche Karriere in den Medien und präsentiert dort seit 1999 als Moderator von "Match of the Day" die Fußballspiele des Tages.
Lineker kritisierte britische Migrationspolitik
Neben seiner Moderationsarbeit ist Lineker aber auch regelmäßig auf Twitter aktiv. Und dort hatte er in der vergangenen Woche auf ein Video reagiert, in dem die britische Innenministerin Suella Braverman die Verschärfung der britischen Asylgesetze ankündigte. "Unfassbar grausam" sei dies, urteilte Lineker in einem mittlerweile gelöschten Tweet, und verfasst "in einer Sprache, die nicht unähnlich zu der von Deutschland in den 30er Jahren" sei.
Eine Aussage, die bei der konservativen Regierungspartei wenig überraschend für Aufsehen sorgte und sowohl von Innenministerin Braverman als auch Premierminister Rishi Sunak Kritik hervorrief.
Aber nicht nur die Politik, sondern auch Linekers Arbeitgeber, die BBC, reagierte auf den Tweet: Nach zunächst angekündigten "ernsten Gesprächen" mit Lineker suspendierte die BBC den Moderator am Freitag kurzerhand. Dessen Aktivität in den sozialen Medien sei ein Verstoß gegen die Richtlinien, so die Argumentation. Die Mitarbeiter des Senders, aber auch nicht fest gebundene Moderatoren wie Lineker, seien dazu verpflichtet, sich bei politischen Themen zurückzuhalten.
Rücktrittsforderungen gegen BBC-Generaldirektor
Ein Sportmoderator, der wegen politischer Äußerungen gehen muss - hatte sich die Debatte bislang noch hauptsächlich im Internet abgespielt, schlug sie spätestens jetzt auch außerhalb davon hohe Wellen. Besonders BBC-Generaldirektor Tim Davie, der brisanterweise selbst früher bei der Regierungspartei politisch aktiv war, sah sich starken Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Der Sender sei mit der Suspendierung vor der Regierung eingeknickt, so die Kritik.
Die BBC-Entscheidung sorgte nicht nur für viel Empörung, sondern auch für Solidarität unter Linekers Kollegen und Kolleginnen. "Jeder weiß, was 'Match of the Day' für mich bedeutet, aber ich habe der BBC mitgeteilt, dass ich die Sendung morgen nicht machen werde", erklärte etwa Ex-Arsenal-Profi Ian Wright, der in der Sendung eigentlich als Experte hätte auftreten sollen. Auch dessen Vertretungen, darunter Alan Shearer, Micah Richards und Ex-Nationalspielerin Alex Scott, lehnten allesamt eine Teilnahme an der Sendung ab.
Es folgten zahlreiche Kommentatoren von "Match of the Day" und sogar die Spielergewerkschaft, die bestätigte, dass die Profis dem Sender nach den Partien keine Interviews geben müssten. "Ich sehe nicht einen Grund dafür, warum jemand für diese Äußerung suspendiert werden sollte", zeigte neben vielen anderen auch Liverpool-Trainer Jürgen Klopp Unverständnis für Linekers Suspendierung.
Auch weitere Formate der BBC von Boykotten betroffen
Und so musste die BBC eine Sendung "Match of the Day" gestalten, ohne aber Menschen zu finden, die darin auftreten würden. "Einige unserer Experten haben erklärt, dass sie nicht Teil der Sendung sein möchten, solange wir versuchen, die Situation mit Gary zu lösen", ließ die BBC am Freitagabend schließlich unter dem Absagenregen erklären.
"Wir verstehen ihre Position und haben entschieden, dass die Sendung sich auf Spielszenen ohne Studiomoderation oder Expertenmeinungen konzentrieren wird." Auch weitere in der BBC ausgestrahlte Formate konnten am Wochenende nicht planmäßig stattfinden.
Ein "schwieriger Tag" sei es gewesen, musste auch BBC-Generaldirektor Davie unter dem Eindruck der starken Proteste schon am Sonntag zugeben. Womöglich äußerte er auch deshalb schnell die Hoffnung, die Suspendierung Linekers wieder rückgängig machen zu können. "Erfolg bedeutet für mich, dass Gary wieder auf Sendung geht“, so Davie.
Und tatsächlich konnten der Sender und Lineker den Konflikt mittlerweile beilegen. Lineker erklärte passenderweise per Twitter, er freue sich, "nach ein paar surrealen Tagen" wieder als Moderator der Sendung zu arbeiten.
Und auch der BBC-Chef fand wieder warme Worte: "Gary ist ein geschätzter Teil der BBC, und ich weiß, wie viel die BBC für Gary bedeutet, und ich freue mich darauf, dass er am kommenden Wochenende unsere Berichterstattung präsentiert", so Davie. Die Senderrichtlinien, auf deren Grundlage Lineker suspendiert wurde, will die BBC nach eigener Ankündigung nun unabhängig überprüfen lassen.
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