DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und sein Vorgänger Theo Zwanziger liefern sich vor dem Hintergrund des Skandals um die mutmaßlich gekaufte WM 2006 eine Schlammschlacht der Superlative. Doch woher kommt diese Ablehnung? Was hat speziell Zwanziger gegen Niersbach? Ein Rückblick.
Theo Zwanziger geht ein hohes Risiko. Er werde im Extremfall seine Behauptungen vor Gericht wiederholen und eine eidesstattliche Erklärung abgeben, berichtet der "Spiegel". Dem Magazin hatte der frühere DFB-Präsident das polarisierende Interview gegeben, das seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach in der Affäre um die angeblich gekaufte WM 2006 immer weiter in die Enge treibt.
"So wie ich das sehe, lügt Niersbach", meinte Zwanziger. "Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab. Und es ist ebenso klar, dass der heutige Präsident des DFB davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005." Es ist der Höhepunkt einer jahrelangen Privatfehde zwischen den beiden Fußballfunktionären. Sie begann mit dem Ende Zwanzigers beim DFB – ein Rückblick.
Niersbach beerbt Zwanziger
Im Dezember 2011 gibt der heute 70-jährige Zwanziger völlig überraschend seinen Rücktritt als Präsident des größten Sportfachverbands der Welt bekannt. Und das ausgerechnet auf der Weihnachtsfeier des DFB. Ende 2011 ist er angeschlagen. Zwanziger wird zuvor teils scharf wegen seines Krisenmanagements in der Schiedsrichteraffäre um Manfred Amerell und seines Einzugs in die Fifa-Exekutive kritisiert. Für seine Nachfolge favorisiert er den früheren Präsidenten des VfB Stuttgart, Erwin Staudt.
Doch die Wahl am 2. März 2012 wird zur Niederlage: Niersbach, zuvor Generalsekretär, übernimmt und sagt: "Der Präsident eines solchen Verbandes kann kein Solist sein, er kann nur Kapitän dieser Mannschaft sein." Es ist ein klarer Seitenhieb gegen Zwanziger. Dieser schießt zurück. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag", das am 10. November 2012 erscheint, kritisiert er die Arbeitsweise seines Nachfolgers und wirft diesem halbherziges soziales Engagement vor.
Es bleibt nicht dabei. Im April 2013 kritisiert Zwanziger den DFB für seinen Umgang mit dem von schweren Korruptionsvorwürfen belasteten ehemaligen Fifa-Präsidenten Joao Havelange. "Warum hat der DFB keinen Antrag auf Aberkennung der Ehrenpräsidentschaft für Havelange gestellt?", fragt er seinerzeit.
Zwanziger kritisiert DFB wegen Katar
Und nochmal meldet sich Zwanziger zu Wort. Er wirft dem DFB im September 2013 vor, nichts zur Diskussion um angeblich unmenschliche Arbeitsbedingungen auf der WM-Baustelle in Katar zu sagen. "Es gibt als Funktionär nicht nur die schönen Seiten [...] Man hat auch eine gesamtpolitische Verantwortung, die sichtbar werden muss." Einen Monat später im Oktober 2013 kontert Niersbach in einem Interview mit der "Welt am Sonntag". "Im Fußball ist man vor Überraschungen nicht gefeit", sagt er, "und auch abseits der 90 Minuten muss man nicht alle Dinge verstehen können".
Sechsstelliger Betrag für Ehrenamt
Im Juni 2014 eskaliert der Streit. In einem am 10. Juni in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) erschienenen Interview attackiert Zwanziger Niersbach. Er könne nicht verstehen, sagt er, dass Niersbach als ehrenamtlicher DFB-Präsident eine Betriebsrente kassiere und wirft ihm "Heuchelei" vor. Man könne sich "doch nicht bei Hunderttausenden von Menschen, die unter Ehrenamt im Fußball etwas ganz anderes verstehen, aus der Kasse des DFB Vergütungen in einer deutlich sechsstelligen Größenordnung zahlen lassen", wird er zitiert.
Der Verband wehrt sich vier Tage später: Das DFB-Präsidium fordert Zwanziger zum Rücktritt aus dem Fifa-Exekutivkomitee auf. Der Vorwurf: Zwanziger vertrete "nicht mehr angemessen die Interessen des deutschen Fußballs" in der Regierung des Weltfußballs. Zwanziger lehnt ein vorzeitiges Ende seiner bis Mai 2015 andauernden Amtszeit jedoch ab: "Ich habe in diesen drei Jahren Arbeit bei der Fifa geleistet - das sage ich mal ganz deutlich –, wie kaum ein anderer Deutscher vorher", wird er zitiert. Niersbach wiederum sagt: Die Kritik komme "von einem Mann, der seit zwei Jahren in der Isolation ist."
Am 18. Februar 2015 ersucht Zwanziger die Fifa-Ethikkommission um Prüfung der Vergütungsregelung für Niersbach, die beim Wechsel von Zwanziger zu seinem Nachfolger im Jahr 2012 getroffen wurde.
Herbe Pleite für Zwanziger
Am 13. März 2015 erklärt die Untersuchungskammer der Ethikkommission, dass "im vorliegenden Fall keine Satzungen des Ethikreglements verletzt wurden". Es ist eine herbe Pleite für Zwanziger. "Das ist peinlich für ihn und traurig für den Fußball", meint Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino damals.
Es folgt die größte Krise in der Geschichte des DFB: der Skandal um die mutmaßlich gekaufte WM 2006. Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtet am 16. Oktober 2015 von angeblichen Schwarzen Kassen rund um das Sommermärchen 2006. Mit Veröffentlichung der nächsten "Spiegel"-Ausgabe wird klar, dass Zwanziger wohl die Quelle für die Recherchen war. Zwanziger bezichtigt im Heft vom 23. Oktober 2015 Niersbach der Lüge. Und das dürfte es noch nicht gewesen sein.
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