Zehn Jahre ist es her, dass zum ersten Mal eine Fußball-Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent stattgefunden hat. Heute stehen die meisten Stadien leer, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Der Nationalstolz aber ist geblieben – und das Ansehen Südafrikas in der Welt gestiegen. Wie es um das Land heute steht.
Auch zehn Jahre nach der Weltmeisterschaft in Südafrika wissen Fußballfans auf der ganzen Welt noch genau, wie eine Vuvuzela klingt: ohrenbetäubend. Mit diesen Fan-Trompeten tröteten sich die stolzen südafrikanischen Fans in die Herzen von Millionen Zuschauern vor den Fernsehern und in den Stadien.
Nicht nur die Fans haben überrascht - es war das ganze Land. Denn vor dem Turnier war die Skepsis groß gewesen, zum ersten Mal überhaupt fand eine FIFA-Fußballweltmeisterschaft auf afrikanischem Boden statt. Die Kriminalitätsrate in Südafrika war hoch – und die Bedenken bei vielen Fußballfans, die sich überlegt hatten, die WM vor Ort zu begleiten, waren groß. Zudem mussten viele Stadien für das Großereignis extra errichtet und Hotels sowie das Netz für den öffentlichen Nahverkehr modernisiert und ausgeweitet werden.
Die Stadien: Neun von zehn fahren Verluste ein
Auch zehn Jahre später sehen die Stadien in Südafrika mächtig und anmutig aus, viele sind multifunktional. Doch die meisten Austragungsorte der WM-Spiele von damals werden kaum genutzt. Neun von zehn Stadien machen Verluste. Etwa das Stadion von Mbombela – eines von fünf Stadien, die extra für die Weltmeisterschaft gebaut wurden. Damals mussten die Menschen, die im Township Mattafin gewohnt hatten, ihre Wohnung verlassen. Ihnen wurde eine Entschädigung gezahlt, sie bauten ihre Häuser und Hütten einige Meter entfernt.
Einzig "Soccer City", das Nationalstadion in Johannesburg, ist wirtschaftlich tragbar. Hier spielen die Kaizer Chiefs, der örtliche Fußballverein, ihre 14 Heimspiele pro Saison. Viele Südafrikaner sind Rugby-Fans, Fußball wird auf der Straße gespielt. Zwar hat die WM die Aufmerksamkeit für Fußball erhöht, doch der Stadionbesuch ist längst nicht für jeden erschwinglich.
Mehr Touristen nach der WM 2010
Die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf ein bisschen Reichtum – zumindest aber weniger Armut – verpuffte recht schnell nach der WM. Die Menschen, die durch die Vorbereitung auf die WM einen Job bekommen hatten, saßen nach der Weltmeisterschaft wieder auf der Straße. Von den Bauwerken, etwa vom Flughafen in Durban, profitieren der Handel und die Bürger jedoch bis heute.
Das Land hatte sich damals auf 600.000 Touristen eingestellt, gerade einmal 330.000 waren gekommen. Der Chef des WM-Organisationskomitees von 2010 sah den Umstand dennoch positiv: "95 Prozent der WM-Touristen wollen wiederkommen, 98 Prozent Südafrika weiterempfehlen", sagte Danny Jordaan nach der WM in einem Interview mit "fifa.com".
Und tatsächlich stiegen die Touristenzahlen mit der WM an. 9,5 Millionen Touristen besuchten Südafrika 2014 – dann kam Ebola. Zwar nach Westafrika, doch die Ausbreitung der Epidemie hatte auch Folgen für die Südspitze des Kontinents. Die Zahlen erholten sich aber und stiegen 2018 laut "laenderdaten.info" auf mehr als zehn Millionen Touristen an.
Südafrikas Problem ist die Arbeitslosigkeit
Wirtschaftlich gesehen war der WM-Effekt schnell wieder verpufft. Viele Einheimische konnten zwar auf den Baustellen arbeiten, auf lange Sicht währte ihre Hoffnung auf ein besseres Leben aber nicht. Die Arbeitslosenquote lag laut Statistikbüro "Stats SA" 2019 bei 29 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei 56 Prozent. Etwa die Hälfte der Südafrikaner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Als diese Zahlen erhoben wurden, gab es die Coronakrise noch nicht.
"Weg vom Afropessimismus" – es lebe die Hoffnung!
Wirtschaftlich hat sich für die Südafrikaner also wenig verändert. Und doch gibt es auch positive Aspekte, wenn sie an den großen Fußballzirkus von vor zehn Jahren zurückdenken. "Hundert Jahre herrschte der Glaube vor, Afrika könne keine WM auf die Beine stellen", sagte Jordaan kürzlich laut dpa. Das habe sich nun geändert: "Es gab einen enormen Wandel, weg vom Afropessimismus - nach 2010 galt Afrika auf einmal als Kontinent der Hoffnung." Die steigenden Touristenzahlen beweisen das.
Im Sommer wollte Südafrika das Jubiläum feiern, Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hatte sogar ein Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Südafrika ins Spiel gebracht - doch wegen der Coronakrise fällt die Jubiläumsparty aus.
Statt einer Feier erinnern viele Einheimische aber mit Vuvuzelas an das Fußballfest von vor zehn Jahren. Ihr Klang bleibt – und damit verbunden der Stolz der Afrikaner.
Verwendete Quellen:
- Laenderdaten.info: Tourismus in Südafrika
- Tagesspiegel.de: Im Land des weißen Elefanten (2013)
- Sueddeutsche.de: WM-Stadion in Südafrika: "Reißt es ab!" (2014)
- ARD-Mittagsmagazin: Südafrika WM 2010: Enttäuschung weit und breit (2014)
- Kapstadt entdecken: Drei Jahre nach der WM 2010: Was ist geblieben?
- DW: Südafrikas Kampf um Wachstum und Jobs (2018)
- DPA: Vuvuzelas als Hoffnung: Jubiläumsfeiern für Südafrika-WM fallen aus (2020)
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