"Man muss kein Riese sein, um Fußball zu spielen." Das sagt - und beweist - Luka Modric. Bei der WM 2018 wurde er zum Spieler des Turniers gewählt. Im Herbst könnte ihm eine weitere Ehrung zuteil werden. Wie der stille Kroate zum Superstar wurde, warum er aber gerade in Kroatien derzeit unter Druck ist.
Der schmächtige Kerl nahm betrübt den Goldenen Ball entgegen und musste sich von Kroatiens Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic trösten lassen.
Über die Auszeichnung als bester Spieler der Fußball-WM konnte sich
Wie kein anderer hatte der Kapitän das Spiel seiner Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft geprägt - und auf ganz andere Weise als ein
Als genialer Passgeber, als Dreh- und Angelpunkt, als lauffreudiger Ballklauer und Charakterkopf. "Er hat ein fantastisches Turnier gespielt, er hat diese Auszeichnung absolut verdient", sagte Kroatiens Trainer Zlatko Dalic.
Für Modric wird es vielleicht nicht die letzte Auszeichnung sein in diesem Jahr. Am 24. September krönt die FIFA in London den Weltfußballer, und der Kroate könnte die zehn Jahre andauernde Vormachtstellung von Messi und Ronaldo beenden.
Modric kommt dann nicht nur mit der Empfehlung eines WM-Zweiten, sondern auch als Champions-League-Sieger mit Real Madrid. Die Königsklasse hat er mit den Königlichen bereits viermal gewonnen.
"Modric entscheidet, wie wir spielen"
Im Starensemble von Madrid ist Modric eine Ausnahme. Von ihm gibt es keine Social-Media-Posts oder private Boulevard-Geschichten. Er mag es zu Hause eher gemütlich.
Auf dem Platz ist das anders. Dort ist er der unumstrittene Anführer. Das hat selbst Cristiano Ronaldo schon vor Jahren zugegeben: "Modric entscheidet, wie wir spielen."
Sein kongenialer Partner im Mittelfeld der kroatischen Nationalmannschaft, Barca-Star Ivan Rakitic, vertraut Modric ebenfalls blind. "Luka ist nicht nur unser bester Spieler und Kapitän, er ist für mich auch der beste Spieler Kroatiens aller Zeiten."
Aber wie hat es Modric so weit nach oben geschafft? "Ich glaube auch, dass all das, was ich als Kind in Kroatien erlebt habe, mich einfach dazu zwingt, nicht nachzulassen", sagte er einst.
So wurde Modric zum Fußball-Superstar
Was er erlebt hat, ist nicht alltäglich. Geboren wurde er 1985 in Zadar, das an der Küste zwischen Pula und Split liegt. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er in einem kleinen Ort etwas weiter im Landesinneren.
1991 begann der jugoslawische Bürgerkrieg, seine Familie wurde vertrieben, sein Elternhaus niedergebrannt, sein Großvater ermordet.
Der kleine Luka wuchs deswegen in einem Hotel in Zadar auf, das zu einer Notunterkunft für Flüchtlinge umfunktioniert worden war.
Im dessen Hinterhof begann seine Fußballkarriere, beim Klub NK Zadar ging es weiter. Bereits 1992 hatte ihn sein Vater dort angemeldet. Sein erster Trainer Davor Matosevic erinnerte sich vor zehn Jahren im "Kölner Stadt-Anzeiger" an einen Jungen "voller Furcht", der überdies viel zu zierlich gewesen sei, aber eben ein Riesentalent.
Der Trainer vermittelte ihm im letzten Kriegsjahr 1995 ein Probetraining bei Hajduk Split. Der Verein lehnte ihn ab: "Zu schwach" sei er gewesen.
2001 erhielt er dann doch eine Chance bei einem großen Klub: Dinamo Zagreb verpflichtete den damals 16-Jährigen. Der Durchbruch ließ aber noch auf sich warten.
Mit 18 Jahren verlieh ihn Zagreb an den bosnischen Erstligisten Zrinjski Mostar. Dort konnte sich Modric durchsetzen - und wurde direkt zum Spieler der Saison gewählt.
Nach einer weiteren Leihe zum kroatischen Erstligisten Inter Zapresic kehrte Modric 2005 zu Dinamo Zagreb zurück. In den folgenden Jahren absolvierte er dort dann über 100 Spiele.
Vor zehn Jahren, im Jahr 2008, ging Modrics Stern schließlich international auf. Er wechselte als 22-Jähriger für über 20 Millionen Euro in die englische Premier League zu Tottenham Hotspur. Nie war für einen kroatischen Fußballer mehr bezahlt worden.
Probleme mit der Justiz
Dieser Wechsel hat ihn gerade eingeholt. In einem Korruptionsprozess fielen Anfang Juni die Urteile gegen die Brüder Zoran und Zdravko Mamic. Letzterer war langjähriger Präsident von Dinamo Zagreb, Vizechef des kroatischen Fußball-Verbandes - und Modric-Berater.
Die beiden Angeklagten sollen 17 Millionen Euro aus Transfers veruntreut haben, einen Teil auch aus dem Modric-Transfer nach London. Die Brüder erhielten mehrjährige Haftstrafen.
Modric war als Zeuge in dem Prozess angehört worden. Jetzt hat er ein Verfahren wegen Falschaussage am Hals, auch ihm droht eine Gefängnisstrafe.
Und es ist bisher noch nicht klar, ob er sich aus dem Griff der kroatischen Justiz so leicht befreien kann, wie er es so oft aus einem Pulk von Gegenspielern geschafft hat.
Als der Superstar während der WM in Russland bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen wurde, reagierte er unwirsch: "Wie lange haben Sie darauf gewartet, diese Frage zu stellen? Das hier ist eine WM, nur darum geht es!"
Vor dem Turnier hatte er mit seinem Auftreten beim Mamic-Prozess viel Ansehen bei den Fans verloren.
Man muss kein Riese sein
Bei der WM aber staunte die Welt über diesen schmächtigen Spielmacher, der inmitten eines hochathletischen Fußballs glänzt und ähnlich wie der schmale Spanier Andrés Iniesta als Weltmeister 2010 in Südafrika der beste Beweis dafür ist, dass es im Endeffekt eben doch oft auf eines ankommt: Was man mit dem Ball anfangen kann.
Wie sich Modric mit nur 1,72 Metern Körpergröße durchgesetzt hat? Einen Tag vor dem großen Finale wurde ihm diese Frage mal wieder gestellt. "Ich kann nur sagen, dass ich nie an mir gezweifelt habe. Du musst kein Riese sein, um Fußball zu spielen." (cai/dpa)
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