Wer die WM der Frauen verfolgt hat, kennt es schon: VAR-Entscheidungen werden nicht nur an der Videoleinwand per Text eingeblendet, sondern auch von den Schiedsrichterinnen verkündet. Doch birgt das wirklich einen Mehrwert? Die WM zeigte: Das hängt von der Ausführung ab.
Die Fifa gab vor, dass verkündet werden sollte, was die Entscheidung ist und anschließend, was vorgefallen war und wie die Spielfortsetzung lautet: Freistoß, Strafstoß, Schiriball, et cetera. Gegebenenfalls ergänzend noch die Verteilung von persönlichen Strafen, also Karten.
Direkt im Eröffnungsspiel der WM ging Schiedsrichterin Yoshimi Yamashita an das Mikrofon und verkündete ihre Entscheidung. Ein Vorteil für die, die die Videoleinwand nicht sehen konnten. Sei es, weil sie abgelenkt waren, zu klein oder schlicht den Text nicht lesen konnten. Für die meisten der Fans im Stadion hatte das keinen Mehrwert. Zwar erklärte Yamashita in einem Dutzend Worten noch, was vorgefallen war und womit das Spiel fortgesetzt wird, aber das ging im allgemeinen Gejohle unter.
Das zeigt eine der Schwierigkeiten, die die Entscheidungsverkündigung durch die Schiedsrichterinnen birgt: die Lautstärke.
Erklären ermöglicht Nachvollziehen
Für die Fans im Stadion bedeutet es, dass sie nicht mehr ganz im Dunkeln tappen, sondern ein bisschen Kontext geliefert bekommen. Wie es aber richtig gut ist, zeigte eine der weltbesten Schiedsrichterinnen, Stéphanie Frappart, am 31. Juli im Spiel zwischen Kanada und Österreich. Sie verkündete nicht nur in wenigen Worten die Entscheidung, den Grund und die Fortsetzung des Spiels, sondern erklärte auch in knappen Worten, was sie wahrgenommen hatte und warum sie zu dieser Entscheidung gekommen war.
Man muss nicht einer Meinung mit Frappart gewesen sein, konnte es nun aber nachvollziehen, weil sie sehr transparent erklärte – nicht nur verkündete. Im Grunde war es eine knappe, nachvollziehbare Antwort auf die Fragen: "Frau Frappart, was ist in dieser Szene vorgefallen? Können Sie uns erklären, was Sie wahrgenommen haben und wie Sie letztendlich zu Ihrer Entscheidung kamen?"
Auch Schiedsrichter brauchen Medientraining
Das ist natürlich nicht immer so einfach und auch nicht jeder Schiedsrichterin liegt es, in einem vollbesetzten Stadion und dem Wissen um Millionen von Fans vor Bildschirmen. Auch dafür gab es Beispiele bei der WM inklusive Verhaspeln und Nervosität.
Hilfreich sind Einblendungen der Spielszene auf der Videoleinwand, die wir aber in Deutschland nicht sehen werden, weil manche Vereine aus Sorge vor überkochenden Emotionen auf den Rängen dagegen sind.
Schwierig wird es auch bei komplexen Sachverhalten, die man gar nicht so gut in fünf oder zehn Wörter quetschen kann. Solche Entscheidungen ruhig, in einfacher Sprache und knappen Worten nachvollziehbar zu erklären, ist nicht immer einfach. Und manchmal vielleicht auch nicht möglich.
Hier würden sich Schulungen für Schiedsrichter anbieten, die auch bei Interviews nach dem Spiel helfen können, Entscheidungen nachvollziehbar zu erklären, und damit nicht nur Akzeptanz zu schaffen, sondern auch besseres Wissen über Fußballregeln, Auslegungen und Ermessensspielräume.
Nicht nur verkünden, sondern erklären
Es gibt keinen VAR-Zwang durch die Fifa. In Deutschland wollten die Profiklubs den Einsatz des VAR als Absicherung gegen Fehlentscheidungen gegen ihr Wirtschaftsunternehmen. Das ist auch durchaus plausibel, aber man sollte insbesondere den Fans im Stadion die Möglichkeit geben und sie wie die Fans vor den Bildschirmen mitnehmen.
Die Verkündungen der VAR ist ein guter Mittelweg, sofern es nicht nur Verkündungen sind, sondern kurze, verständliche Erklärungen. Das liegt nicht jeder Person, lässt sich aber verbessern und würde allgemein die Akzeptanz von Schiedsrichter erleichtern und damit auch die so häufig genannte Missbilligung und Gewalt gegen Schiedsrichter mindern.
Mögliche nächste Schritte wären die Übertragung der TV-Bilder, die Schiedsrichter in der Review Area sehen, an der Videoleinwand und eine Teilöffnung des Funkverkehrs der Spieloffiziellen. Beides birgt Vor- und Nachteile, wie so vieles im Leben. Aber Erklärungen von VAR-Entscheidungen im Stile von Frappart sind definitiv eine Bereicherung und ein guter erster Schritt.
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