- Während der Fußball-Weltmeisterschaft sollen neben Sicherheitskräften des Gastgebers Katar auch ausländische Polizisten eingesetzt werden.
- In Deutschland hat das Vorgehen des WM-Ausrichters und eine angedachte Involvierung der deutschen Polizei noch keine weitreichende Diskussion nach sich gezogen – anderswo schon.
Im Zuge seiner Funktion als Sicherheitschef der Fußball-WM in Katar gab Helmut Spahn kürzlich bekannt, dass während des vierwöchigen Großereignisses auch ausländische Polizeikräfte zugegen sein werden. "Wir haben Polizeidelegationen aus allen 32 Ländern vor Ort, um zu unterstützen und auf die jeweiligen Fangruppierungen kommunikativ einzuwirken", sagte Spahn in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau".
Im Mai fand in der katarischen Hauptstadt Doha eine zweitägige Konferenz statt, die jenen von Spahn angesprochenen Plan zum Einsatz von ausländischen Polizeikräften sowie die Errichtung eines "International Police Cooperation Centre" zur Folge hatte. Hierzulande haben diese Neuigkeiten für keinen großartigen Applaus oder Aufschrei gesorgt. Andernorts begann das Stirnrunzeln ob der Entsendung eigener Polizeikräfte.
Frankreich schickt Einsatzkräfte
Das französische Innenministerium ließ Anfang Oktober beiläufig mitteilen, dass es circa 220 Angehörige der Gendarmerie und Polizeikräfte nach Katar schicken werde und reagierte damit auf einen Bericht des bekannten Satiremagazins "Le Canard enchaîné". In Frankreich ist seit dem Champions-League-Finale in Paris im Mai das Vorgehen von Sicherheitskräften unter dem Brennglas. Bildmaterial von chaotischen Szenen am Stade de France sowie vom Tränengas- und Pfeffersprayeinsatz gegen Familien löste im Sommer eine innenpolitische Krise aus. "Hat irgendjemand daran gedacht, den Kataris die Aufnahmen vom Champions-League-Finale zu zeigen?", fragte das Fußballmagazin "So Foot".
Doch nicht alles ist mit Süffisanz zu kommentieren. Die beschlossene Sicherheitspartnerschaft zwischen Frankreich und Katar löste im August eine hitzige Debatte in der Pariser Nationalversammlung aus. In "Le Canard enchaîné" war zu lesen, dass unter den nach Katar abkommandierten Einsatzkräften keine Frauen sein werden – mit Verweis auf die unterdrückte Stellung von Frauen im WM-Gastgeberland. Das französische Innenministerium wiederum dementierte diese Behauptung indirekt, indem verkündet wurde, dass auch weibliche Sicherheitskräfte unter den 220 sein werden.
Acht deutsche Beamte in Katar
Was ist mit Deutschland? Die "Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze" (ZIS) der Polizei Nordrhein-Westfalen teilt auf Anfrage mit, dass eine deutsche Polizeidelegation unter Leitung der ZIS mit acht Beamten in Katar zum Einsatz kommen wird. Grundlage für die Zusammenarbeit werde ein Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und dem Emirat Katar bilden. Darüber hinaus stehe die deutsche Polizeidelegation während der WM als Ansprechpartner für deutsche Anhänger zur Verfügung, die die deutsche Nationalmannschaft zum Turnier begleiten werden.
"Die deutsche Polizeidelegation wird in Katar nicht über exekutive Befugnisse verfügen, sondern den Sicherheitsbehörden des Gastgeberlandes in beratender Funktion bei möglichen Störungen durch deutsche Zuschauer zur Verfügung stehen", heißt es von Seiten der ZIS. Grundsätzlich müssen sich Besucher der WM den Gesetzen Katars beugen, worauf auch zum Beispiel die US-Botschaft in Doha kürzlich noch einmal hinwies.
Iranische und Saudische Polizisten könnten vor Ort sein
Allerdings möchten laut der Briefings, die ausländische Polizeibehörden bereits erhalten, die katarischen Organisatoren nicht jedes Gesetz minutiös durchdrücken. Kleinere Vergehen wie zum Beispiel das Ausziehen von T-Shirts in der Öffentlichkeit sollen nicht sofort geahndet werden, sondern die Polizeikräfte sind dazu angehalten, erst die Fans um die Befolgung der Regeln zu bitten.
Die Kommunikation zwischen Sicherheitspersonal und Fans in der jeweiligen Muttersprache und unter Einbeziehung nationaler Besonderheiten erscheint in diesem Kontext hilfreich und kann im besten Fall deeskalierender sein, als wenn ausschließlich katarische Polizisten mit WM-Besuchern in Kontakt treten. Aber: Ein Teil des Plans der Organisatoren besteht zwangsläufig auch darin, dass an der WM teilnehmende Staaten wie Saudi-Arabien oder der Iran, einem strategischen Partner Katars, eigene Kräfte schicken oder zumindest schicken sollen.
Militär aus Nato-Mitgliedsländern im Einsatz
Neben dem Einsatz von Polizeikräften wird das Großereignis auch durch militärische Einheiten abgesichert. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur "Reuters" sieht das katarische Sicherheitskonzept vor, dass Zivilisten zum Militärdienst herangezogen und zudem Angehörige des diplomatischen Dienstes ins Land zurückgeholt werden. Darüber hinaus wurde schon 2021 eine Kooperationsvereinbarung mit der Nato geschlossen.
Das Vereinigte Königreich hat die Entsendung von Einheiten der Royal Navy und Royal Air Force zugesagt, um bei der Terrorabwehr zu helfen. Auch die Vereinigten Staaten unterstützen militärisch. Die Türkei beschloss ihrerseits, 250 Soldaten und ein kleines Kriegsschiff Katar für sechs Monate zur Verfügung zu stellen. Diese Truppen kommen zu 3.000 Polizisten mit Spezialisierung auf Crowd and Riot Control (CRC) hinzu, die Ankara schon vor einiger Zeit dem WM-Gastgeber versprochen hatte.
Erinnerungen an 2018
Die Fußballnationalmannschaft der Türkei nimmt im Übrigen nicht an der Fußball-WM teil, ebenso wenig wie das Nationalteam von Pakistan. Trotzdem wird auch Pakistan Katar eigene Soldaten anbieten, wobei noch nicht klar ist, inwieweit pakistanische Truppen wirklich angefordert werden. Die konkrete Ausgestaltung des Sicherheitskonzepts für die WM bleibt zumindest für Außenstehende und damit auch für Fußball-Fans eine Wundertüte.
Die intransparente Kommunikation erinnert an die Wochen und Monate im Vorfeld der WM in Russland 2018 und schafft keinerlei Bedenken gegenüber Katar aus dem Weg.
Verwendete Quellen:
- france24.com: "France to contribute officers to World Cup security in Qatar amid boycott calls"
- theafricareport.com: "Morocco is lending police and spies to help Qatar manage security at the 2022 World Cup"
- middleeastmonitor.com: "Turkiye sending 3,000 police to Qatar to help secure World Cup"
- sports.inquirer.net: "Qatar planning for World Cup fans to avoid prosecution for minor offenses"
- Antwort der "Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze" vom 19. Oktober 2022
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.