Katarer sind keine großen Fans der Deutschen. Das bekommt man hier gelegentlich auch als Deutscher zu spüren. Auf der Akkreditierung, dem Ausweis, den jeder bei der WM Beschäftigte um den Hals baumeln haben soll, ist die Nationalität verzeichnet.
Wer ein GER stehen hat, muss bei Kontrollen den Rucksack schon mal bis auf das letzte Teil ausräumen und nachweisen, dass die Flüssigkeit in der Trinkflasche auch wirklich Wasser ist. Die offensichtliche Aversion ist in den vergangenen Wochen allmählich gewachsen.
Die kritischen Dokumentationen im deutschen Fernsehen und die gesamte Vorberichterstattung der Zeitungen, die das katarische Gesellschaftssystem kritisieren und die Ausbeutung von Arbeitsmigranten thematisieren, sind beim WM-Gastgeber nicht gut angekommen. Zur muslimischen Kultur gehört mit an erster Stelle bedingungslose Gastfreundschaft, doch im Fall Deutschland wird sie relativiert. Katar ist genervt.
Katarische Influencer geben DFB-Team Denkzettel
Und freut sich nun über die deutschen Steilvorlagen. Die erste war die Niederlage gegen Japan, es folgte jetzt noch das Ausscheiden. Katarische Influencer nutzen nun ihre Macht auf Social Media, um den DFB mit einem Denkzettel auf den Heimflug zu schicken. Da gibt es Videozusammenschnitte, wie die Scheichs in ihren Logen sich die Hand vor den Mund halten – wie die deutschen Spieler, als sie einen Maulkorb andeuteten, den die Fifa ihnen durch das Verbot der "One Love"-Binde auferlegt hatte.
Das kommt nun aus Bumerang aus den VIP-Bereichen der Stadien zurück. Und auf den Rängen war ja auch schon diese deutliche Anspielung auf den Fall
Falsch. Auf das Schicksal der Uiguren machte Özil 2019 aufmerksam – ein Jahr nach dem von seiner Seite aus vollzogenen Rücktritt. Doch die Geschichte ist nun in der Welt. Katars Rache, weil es sich von den Deutschen als Schurkenstaat dargestellt fühlt.
In diesem Kampf um Werte und Meinungshoheit geben freilich auch die Deutschen nicht die beste Figur ab. Bisher hatten sie bei Weltmeisterschaften stets versucht, eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen. 2010 in Südafrika wurden Patenschaften für Township-Projekte übernommen, 2014 lud man die indigene Bevölkerung ein. Machte Selfies mit brasilianischen Polizisten, die das Quartier bewachten.
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Und die Herzen der Leute am Ort gewann die Mannschaft, indem einige ihrer Spieler sich zum beliebtesten Vereinsteam der Region bekannten und beim Spaziergang am Strand deren Trikots trugen. In Katar kapselte sich der DFB komplett ab, wohnte als einziges von 31 Teams nicht in Doha. Die Begründung mutete snobistisch an: Man wolle ein Hotel für sich alleine haben und eines, so DFB-Manager Oliver Bierhoff, "wo man auch mal das Fenster aufmachen kann".
Fifa unterstützt Katar
Katar nimmt genüsslich wahr, dass Menschenrechtsthemen, die vor allem von deutscher Seite aus angesprochen wurden, keine Rolle mehr spielen; das intensive Fußballgeschehen hat alles andere verschluckt. Und die Fifa unterstützt Katar, indem sie Einschaltrekorde aus allen Teilen der Welt publiziert. Die Botschaft lautet: Katar ist fantastisch, the best World Cup ever. Schlecht sind die Quoten nur in Deutschland.
Mit Fußball kennen sich die reichen Katarer nicht aus, er ist für sie nur ein Investitionsvehikel. Populäre deutsche Spieler gibt es derzeit nicht. Keiner, der den Ruf eines Ballack oder "Schweinstieger" hätte (am Namen scheitern auch die größten internationalen Fans). Hier kennt man Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Luka Modric, Neymar. Die Deutschen sind die, über die man lacht.
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