Deutschland gewinnt mit 4:0 gegen Portugal bei der WM 2014 in Brasilien. Dank Thomas Müller und der DFB-Elf sind die deutschen Fans im Fußballfieber. Dennoch ist die deutsche Mannschaft noch lange nicht am Ziel angekommen. Das darf man bei all der Euphorie nicht vergessen.
Es hätte wirklich keiner Erklärung mehr bedurft, aber Cristiano Ronaldo fasste das Geschehen in Salvador beim Stand von 0:3 aus portugiesischer Sicht unabsichtlich nochmal treffend zusammen: Nachdem er das übliche Alphamännchen-Ritual vor einem Freistoß veranstaltet hatte, schmetterte er den Ball aus 35 Metern in die deutsche Ein-Mann-Mauer: direkt Philipp Lahm in die Beine, dem mit Abstand schmächtigsten deutschen Spieler.
Es lief wirklich alles schief für die hoch gehandelten Portugiesen an diesem Nachmittag von Salvador. Die Iberer verloren nacheinander Hugo Almeida (verletzt), Pepe (Rote Karte), Fabio Coentrao (verletzt) und schließlich auch die Partie (0:4) gegen ein aufmerksames deutsches Kollektiv, das wie gewohnt zum ersten Spiel eines Turniers auf den Punkt konzentriert war.
Jogi Löw hat die Balance für DFB-Team gefunden
Da stellte sich eine Mannschaft der Konkurrenz vor, die gut ausbalaciert daherkam. Es war das bestimmende Thema der WM-Qualifikation, wie Bundestrainer Joachim Löw endlich ein passendes Gleichgewicht zwischen den beiden Polen Defensive und Offensive hinbekommen könnte.
Die Idee mit vier gelernten Innenverteidigern in der Abwehrkette und Toni Kroos als weit zurückhängendem Spielmacher erwies sich gegen die schwachen Portugiesen als goldrichtig. Ebenso wie das Konzept, gegen die Abwehrbrocken Pepe und Bruno Alves drei rochierende, wuselige Spielertypen zu stellen. Abwechselnd machten Thomas Müller, Mario Götze und Mesut Özil der portugiesischen Abwehr das Leben schwer.
DFB-Team: Das war gerade Mal der erste Schritt
"Die Mannschaft war unheimlich kompakt, und wir haben kaum Konterchancen zugelassen. Wir haben schnell nach vorne gespielt", sagte Löw nach der Partie. Sein Kapitän Philipp Lahm ließ gleich durchblicken, dass das 4:0 erst der erste von im besten Fall sieben Schritten gewesen sein könnte. "Wir wissen, dass wir funktionieren können, aber es gehört so viel dazu. Heute hat selbst die vordere Reihe unglaublich gut gearbeitet. Es ist ein schöner Sieg, aber wir sind nicht am Ende", fasste Philipp Lahm zusammen.
Lahms sachlich-nüchterne Art passte gut zu einer Partie, die angedeutet hat, warum Deutschland zum engeren Kreis der Favoriten zu zählen ist. Mit Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Miroslav Klose saßen drei der vier erfahrensten Spieler zu Beginn nur auf der Bank. Dazu noch hoffnungsvolle Talente wie Andre Schürrle oder Julian Draxler. Die Bank, von der sich der Bundestrainer im Laufe des Turniers und bei deutlich engeren Spielen einiges verspricht, besitzt in der Tat absolutes Top-Niveau.
Die Überraschung: Deutschland kann auch Standardsituationen. Das DFB-Team hat tatsächlich ein Tor nach einem eigenen Standard erzielt und dazu noch zwei, drei einstudierte Varianten gezeigt. Die DFB-Elf liegt voll im Trend, weil bisher bei der WM fast jedes dritte Tor durch oder nach einem ruhenden Ball erzielt wurde.
Und auch der Teamgeist scheint ordentlich gereift. Selbst die nicht eingesetzten Spieler zeigten echte Freude nach den Toren und dem Schlusspfiff. Selbst nach der Partie hörte es mit den guten Nachrichten nicht auf: Die Verletzung von Mats Hummels erwies sich als nicht besonders beängstigend. "Ich hoffe, dass es nicht so schlimm ist, dann sollte das in zwei oder drei Tagen gegessen sein."
Bleibt Jogi Löws Team die Form erhalten?
Das Spiel der deutschen Mannschaft erinnerte ein wenig an die der Niederländer gegen Spanien. Da gelang Oranje nach dem Wechsel nahezu alles und dem Weltmeister gar nichts mehr. In abgeschwächter Form konnte man das auch für Deutschland gegen Portugal konstatieren. Bisher jedenfalls waren diese beiden Partien die mit den höchsten Spielausgängen. Dabei spielte der 15. der Weltrangliste gegen den Ersten und der Zweite gegen den Vierten. Der erste Spieltag der Gruppenphase bleibt eine Momentaufnahme - mehr nicht.
Mitten hinein in die allgemein einsetzende Lobhudelei für einen starken Vortrag, mit Selfies von der Mannschaft mit der Kanzlerin und einem trompetenden Boulevard, der jetzt schon wieder vom WM-Titel fabuliert, mischten sich mit einigem Abstand zum Erlebten aber auch kritische Töne.
Besonders die Tatsache, dass Deutschland so früh im Turnier schon so gut in Form scheint, sollte zu denken geben. Die Erfahrung zeigt, dass sich der wahre Champion im Verlauf eines Turniers noch zu steigern weiß. Daran ist gerade Deutschland bei den letzten Turnieren nur zu oft gescheitert.
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