Für die Nationalmannschaft läuft die Vorbereitung auf die WM 2014 alles andere als optimal. Mit Manuel Neuer, Philipp Lahm, Marcel Schmelzer, Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira und Miroslav Klose sind gleich sechs wichtige Spieler angeschlagen, verletzt oder schlicht noch nicht in WM-Form. Doch ist das DFB-Team in Brasilien deshalb chancenlos? Mitnichten! Bundestrainer Joachim Löw hat einige starke Spieler in der Hinterhand, die unsere Top-Stars zeitweilig mehr als ordentlich ersetzen könnten.
Weidenfeller als Ersatz für Neuer
Manuel Neuer hat seine Schulterverletzung immer noch nicht auskuriert. Auch wenn der Torwart Entwarnung gibt, bereitet es den Fans Sorgen, dass der 28-Jährige noch nicht ins Training eingestiegen ist. Doch allzu große Kopfschmerzen brauchen die DFB-Anhänger nicht haben: Wenn einem deutschen Keeper die schwere Aufgabe zuzutrauen ist, Neuer zu ersetzen, dann Deutschlands Nummer zwei Roman Weidenfeller. Der 33-Jährige hat neben seiner Klasse auch die nötige Routine, um dem Druck bei einer WM standzuhalten. Weidenfeller hat seine Stärken vor allem auf der Linie und in Eins-gegen-eins-Situationen.
Mit dem BVB absolvierte Weidenfeller in den vergangenen Jahren einige große Spiele. Er gewann mit Dortmund die deutsche Meisterschaft 2011 und holte ein Jahr später das Double aus Meisterschaft und Pokal. Im Vorjahr schaltete er mit seiner Mannschaft Real Madrid im Halbfinale der Champions League aus und scheiterte im Finale nur knapp am FC Bayern München. Die logische Konsequenz aus diesen Erfolgen - an denen der fast fehlerfreie Weidenfeller einen großen Anteil hatte - folgte im Herbst mit der erstmaligen Nominierung für das DFB-Team.
Für seinen Auftritt beim 1:0-Länderspielsieg gegen England im Oktober lobte ihn der Bundestrainer: "Er macht einen sehr reifen und selbstbewussten Eindruck. Auch vor dem Spiel war er ganz ruhig und cool", sagte Löw, der Weidenfeller zudem als "sehr athletisch und beweglich" bezeichnete. Bereits in den Trainingseinheiten vor dem Länderspiel betonte Löw, "dass Roman einen fantastischen Eindruck hinterlassen hat. Er hat mich und Andreas Köpke überzeugt." Löw hat also volles Vertrauen in Weidenfeller - und das mit Recht.
Großkreutz als Ersatz für Lahm
Kevin Großkreutz machte in der jüngeren Vergangenheit vor allem abseits des Platzes von sich reden. Erst der vermeintliche Dönerwurf gegen einen Mann nach einem Partyabend in Köln, dann der Pinkel-Eklat in einem Berliner Hotel, als der 25-Jährige gegen eine Säule urinierte. Doch vielleicht haben diese Eskapaden einen positiven Nebeneffekt: Großkreutz steht bei Löw gehörig in der Bringschuld.
Der ehrgeizige Dortmunder ist wohl die erste Alternative als Rechtsverteidiger für Philipp Lahm, sollte der Kapitän nach seiner Sprunggelenksverletzung für das Auftaktspiel gegen Portugal nicht rechtzeitig fit sein. In diesem müsste sich Großkreutz mit Weltfußballer Cristiano Ronaldo messen. Für den BVB-Profi eine schwere, aber keine unlösbare Aufgabe, die er aus dem vergangenen Jahr kennt: Im Champions-League-Halbfinale 2013 hatte Großkreutz den Portugiesen zusammen mit seinem Team äußerst gut im Griff.
Großkreutz ist in seinen technischen Fähigkeiten zwar limitiert, aber vielleicht genau der Typ "Schweinehund", der der DFB-Elf gut tut. Niemand im DFB-Team ist geeigneter, die Gegenspieler mit knallhartem Einsatz zu zermürben - für Schönspielerei sind andere zuständig. In den Trainingseinheiten ist bereits zu erkennen, dass sich Großkreutz voll reinhängt und versucht, seinen Pinkel-Blackout vergessen zu machen.
Durm als Ersatz für Schmelzer
Lothar Matthäus war der erste, der Erik Durm öffentlich für die Nationalmannschaft vorschlug: "Durm hat mit Bale und mit Robben zwei Weltklassespieler ausgeschaltet. Das spricht für seine große Qualität", lobte der Rekordnationalspieler den BVB-Profi in der "Bild-Zeitung". Löw sieht dies ähnlich und nominierte den 22-Jährigen zumindest für das erweiterte WM-Aufgebot.
In der Tat ist Durm mehr als eine Notlösung für die Linksverteidiger-Position. Der Dortmunder könnte sich in der Vorbereitung gar noch an seinem Mannschaftskollegen Marcel Schmelzer vorbeispielen. Schmelzer, der beim 7:1-Testspielsieg gegen die U 20 angeschlagen fehlte, ist bei einem Großteil der Experten und Fans umstritten. Zu selten finden seine Flanken einen Mitspieler, auch in der Verteidigung lässt sich der 26-Jährige des Öfteren überrumpeln.
Viele sehen daher im jüngeren und schnelleren Durm den geeigneteren Kandidaten, um die größte Schwachstelle im DFB-Team zu lösen. Durm absolvierte in diesem Jahr 29 Pflichtspiele, sieben davon in der Champions League. Auch wenn eine Weltmeisterschaft noch mal ein anderes Kaliber ist: Durm hat Talent und in dieser Saison schon einiges an Erfahrung gesammelt, um bei der WM zu bestehen.
Auf Seite 2 geht es weiter mit Christoph Kramer und Andre Schürrle.
Kramer als Ersatz für Schweinsteiger oder Khedira
Eigentlich sollte Christoph Kramer nur das Testspiel gegen Polen absolvieren. Doch dann nominierte Löw den Gladbacher überraschend für den erweiterten Kader nach - und nach dem verletzungsbedingten WM-Aus für Lars Bender ist Kramer plötzlich ein ganz heißer Kandidat für Brasilien. "Seine Chancen sind gut", bestätigt Löw bei einer Pressekonferenz. Der Bundestrainer bezeichnet Kramer als "laufstark, unheimlich belastbar, immer anspielbar, präsent und körperlich sehr, sehr fit" und ergänzt: "Mein Eindruck von ihm ist absolut positiv." Diesen Eindruck manifestierte Kramer beim 7:1-Testspielerfolg gegen die U 20, bei dem viele Beobachter Kramer neben Vierfach-Torschütze Andre Schürrle als besten Spieler ausmachten.
Kramer spielt zudem in die Karten, dass zahlreiche defensive Mittelfeldspieler entweder verletzt oder noch nicht in guter Verfassung sind. Sami Khedira wird zwar bei der WM dabei sein, ist nach seinem Kreuzbandriss aber noch sehr weit von seiner Bestform entfernt. Bastian Schweinsteiger trainiert zwar inzwischen mit der Mannschaft. dennoch ist es fraglich, ob Schweinsteiger aufgrund von Schmerzen in der Patellasehne bis zum Auftakt gegen Portugal die nötige Fitness erreicht hat. Löw würde fahrlässig handeln, wenn er neben Kroos auf einen zweiten fitten "Sechser" verzichtet und Kramer zuhause lässt.
Schürrle als Ersatz für Klose
Andre Schürrle ist eigentlich als erste Alternative für Marco Reus auf der linken Seite vorgesehen. Doch vielleicht winkt sogar ein Platz in der Stammelf. Stürmer Miroslav Klose hat nach mehreren Verletzungen in dieser Saison einen großen Fitness-Rückstand. Der 35-Jährige gibt selbst zu, "nicht in absoluter Topform" zu sein. Entscheidet sich Löw, Klose nicht durch den jungen Kevin Volland oder den "falschen Neuner" Mario Götze zu ersetzen, könnte Thomas Müller von der rechten Seite in die Spitze rücken. Marco Reus würde dann auf die Müller-Position gehen und links wäre dann der Platz für Schürrle frei.
Und diesen hätte sich der Chelsea-Star durchaus verdient. Herausragend war seine Leistung beim 5:3-Erfolg im WM-Qualifikationsmatch gegen Schweden, in dem ihm - teils mit Traumtoren - ein Dreierpack gelang. Auch bei seinem Verein hat er sich im schwierigen ersten Jahr durchgebissen und in 30 Premier-League-Einsätzen zehn Tore erzielt. Dass er mit einer guten Form ins Trainingslager angereist ist, bewies Schürrle mit seinen vier Treffern im ersten Testspiel gegen die U 20. Schürrle könnte bei der anstehenden WM zu einem ganz wichtigen Faktor werden.
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