Die WM 2023 ist die erste mit 32 teilnehmenden Nationen. Das hatte im Vorfeld auch Befürchtungen geweckt, doch bislang beeindrucken die Neulinge – und profitieren.
Auf ihrem Weg zum Weltmeisterschaftstitel 2019 schickten die USA in der Vorrunde Thailand mit 13:0 vom Platz. Zur Halbzeit hatten die Thailänderinnen, für die es die zweite Teilnahme an einer WM-Endrunde war, lediglich mit 0:3 hinten gelegen. Nach dem Spiel entbrannte eine mittlere Diskussion darüber, ob die USA sich hätten gnädig zeigen und weniger Tore schießen sollen – oder zumindest nicht bis zum Ende jedes Tor auf dem Rasen ausgelassen bejubeln.
Sorge vor einer WM-Vorrunde der Klatschen
Man kann die Frage stellen, ob bei einem Turnier der Männer ähnlich debattiert worden wäre. Entscheidender ist für mich, dass es zum sportlichen Wettbewerb dazugehört, bis zum Schluss alles zu geben. Ein faires Verhalten sollte dabei selbstverständlich sein, drückt sich aber nicht darin aus, sich sportlich zurückzunehmen, damit die Gegnerinnen besser aussehen.
Ähnlich deutliche Ergebnisse, von denen es 2015 eine Handvoll gegeben hatte, blieben 2019 ansonsten zwar aus. Als Fifa-Präsident Gianni Infantino nur zwei Wochen nach dem Turnier verkündete, das Feld bei der WM 2023 von 24 auf 32 Teams zu erhöhen, gab es dennoch die Befürchtung, in Australien und Neuseeland könnte es zu einer Vorrunde kommen, bei der die Ergebnisse mit brutal anmutenden Tordifferenzen eher Regel als Ausnahme sind.
Die Erhöhung der Teilnehmenden war sinnvoll
In den zweiten Spieltag hinein zeigt sich, dass diese Sorge unbegründet war. Im Gegenteil lässt sich festhalten, es war richtig, die Zahl der teilnehmenden Länder zu erhöhen, denn die Nationalteams profitieren in mehrfacher Hinsicht. Einmal ist die Sichtbarkeit ein Pfund. Und sportlich hat sich in den letzten vier Jahren im Fußball der Frauen beeindruckend viel bewegt. Das ist auch bei den Neulingen des Turniers angekommen – und wird sie weiter pushen.
Wer Geld investiert, bekommt Fifa-Gelder
Zum einen liegt das daran, dass allein die Aussicht auf eine deutlich höhere Chance auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft zu haben, in einigen Landesverbänden für mehr Investitionen in die heimischen Ligen gesorgt hat. Vergleichsweise mag es da immer noch um kleine Summen gehen, sie sind aber zumindest ein Anfang. Die Rechnung für die Verbände ist dabei simpel: Mehr Geld zu investieren, bedeutet größere Chancen, mit einer Teilnahme an der Endrunde Fifa-Gelder zu bekommen. Und die sind 2023 bekanntlich hoch wie nie.
Zum anderen gibt es mittlerweile in einigen Ländern, für die es die erste oder zweite WM ist, Spielerinnen, die bei großen Vereinen sind, wie beispielsweise Jamaikas Spielführerin Khadija Shaw (Manchester City). Sie bringen ihre Erfahrung mit ins Nationalteam. Jamaika, das bei der WM 2019 noch alle Gruppenspiele deutlich verloren hatte, gelang gegen die starken Französinnen ein beeindruckendes 0:0, das die Spielerinnen wie einen Sieg feierten.
Zwar gibt es unter den Debütanten auch solche, die sportlich chancenlos geblieben sind, wie Sambia mit bislang zwei 0:5-Niederlagen. Den Spielerinnen, gegen deren Trainer die Fifa wegen der Vorwürfe sexualisierter Gewalt ermittelt, ist dennoch anzumerken, welche enorme Bedeutung die Teilnahme für sie hat. Denn die erhöhte Sichtbarkeit beschert ihnen nicht nur einen Platz auf der Landkarte des Fußballs, sie kann auch helfen im Kampf der Spielerinnen um Gerechtigkeit, weil die Welt nun von ihren Problemen weiß.
Denn gerade im Fußball der Frauen gilt es immer noch, Sichtbarkeit gleich doppelt zu schaffen: auf und neben dem Platz. In beiden Punkten ist die WM 2023 schon jetzt ein Meilenstein.
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