Am Samstag steht das Top-Spiel in der Bundesliga der Frauen an: Der VfL Wolfsburg empfängt zu Hause Bayern München (17:45 Uhr) und braucht einen Sieg, um sich in der Liga noch Chancen auf den Titel ausrechnen zu können.
Im Interview spricht Wolfsburgs Sveindís Jónsdóttir mit unserer Redaktion über die bisherige Saison mit dem VfL, die für sie persönlich lange Zeit von einer Verletzung geprägt war, ihre fußballbegeisterte Familie und wie sie überhaupt den Fußball als Sport für sich entdeckte.
Sie haben in dieser Saison lange verletzungsbedingt nicht spielen können und hatten Ihr Comeback erst im Januar. Deshalb als erste Frage: Wie geht es Ihnen im Moment?
Sveindís Jónsdóttir: Oh, es könnte nicht besser sein! Es ist wirklich schön, dass ich wieder dabei bin, spielen kann und letzte Woche meine 90 Minuten bekommen habe. Das fühlt sich großartig an!
Zurück im Team nach langer Verletzungspause
Wie sind Sie damit umgegangen, dass Sie so lange kein Fußball spielen konnten?
Das war wirklich hart. Es ist nicht schön, wenn man nicht machen kann, was man gerne macht. Stattdessen waren es viele Übungen im Fitnessstudio. Es ist immer hart, nicht bei der Mannschaft sein zu können, aber jetzt bin ich zurück und könnte nicht glücklicher sein.
Stimmt es, dass Sie in sehr jungen Jahren gezwungen waren, Ihre Beidfüßigkeit zu trainieren, durch eine Verletzung am rechten Fuß?
Ja! Ich war nicht so verletzt, dass ich nicht trainieren und spielen konnte, aber ich habe mich mit meinem rechten Fuß unwohl gefühlt. Deswegen musste ich damals den linken benutzen. Und wir hatten auch diesen Trainer, der alle zwei Monate Themen gesetzt hat. Also zum Beispiel, dass wir in einem Monat unseren schwachen Fuß trainieren und nur den benutzen. Das hat sehr geholfen, denn jetzt kann ich beide Beine benutzen. Ich bin also sehr dankbar für diesen Trainer.
Wolfsburg ist seit dem zwölften Spieltag durch ein Unentschieden gegen Leverkusen wieder auf Platz zwei. Wie würden Sie den bisherigen Saisonverlauf Ihrer Mannschaft beschreiben?
Die erste Hälfte der Saison war ziemlich gut. Vor der Weihnachtspause waren wir Erste. Wir haben nur gegen Bayern verloren. Dann hatten wir das Unentschieden gegen Leverkusen, obwohl wir meiner Meinung nach besser waren. Das passiert im Fußball. Leverkusen hat gute Spielerinnen. Aber natürlich wollten wir gewinnen. Letztes Wochenende haben wir dann gegen Hoffenheim verloren. Das war ein kleiner Schock für uns.
Es gibt diese Tage, an denen man nicht gewinnt. Alle Statistiken zeigen, dass wir die bessere Mannschaft waren und das war auch mein Gefühl im Spiel. Aber ja, am Ende gewinnt, wer mehr Tore schießt. Und das haben wir nicht getan. Aber wir haben das Glück, dass wir jetzt gegen Bayern wieder ein großes Spiel haben. Mit einem Sieg können wir die Saison besser machen. Und dann ist noch alles offen.
Wie bereiten Sie sich auf so ein großes Spiel vor?
Nicht anders als sonst. Wir wissen einfach, dass es größer ist als andere, aber am Ende geht es nur um die drei Punkte. Es wird natürlich sehr schwierig. Aber das sind die Spiele, die wir wollen. Das ist der Grund, warum wir Fußball spielen. Bayern ist im Moment eines der besten Teams der Welt. Sie haben großartige Spielerinnen, sind ein gutes Team. Aber ich denke, wenn wir einen guten Tag haben, sind wir besser und werden gewinnen.
Die Bayern haben in dieser Saison bisher nur fünf Tore kassiert. Was, glauben Sie, zeichnet sie im Moment aus? Und was könnte auf der anderen Seite den Ausschlag zu Gunsten Wolfsburgs im Spiel geben?
Das wusste ich nicht, aber darauf schauen wir auch nicht. Dass sie fünf Tore kassiert haben, heißt auch, dass man gegen sie treffen kann. Wenn wir gut zusammenarbeiten, können wir gegen jeden gewinnen. Wir brauchen den Sieg, um noch im Titelrennen zu sein. Es ist eine so große Chance für uns, wir müssen einfach an uns glauben. Und wir werden uns einige Ausschnitte aus der letzten Partie gegen Bayern ansehen und gucken, wo wir ihnen wehtun und wo wir Torchancen kreieren können.
Was Sie persönlich betrifft, sind zwei Ihrer Nationalteam-Kolleginnen bei Bayern München: Glódis Viggósdóttir und Cecilía Rúnarsdóttir. Tauschen Sie im Vorfeld freundschaftliches Geplänkel aus oder halten Sie sich während einer solchen Spielwoche mit Nachrichten zurück?
Cecilía ist ja leider verletzt. Aber Glódis spielt jede Minute und ist einfach hervorragend, eine großartige Spielerin. In der Nationalelf haben wir Glück, sie zu haben. Gegen sie zu spielen, ist immer schwierig. Am Spieltag oder davor spreche ich nicht mit ihnen. Aber es ist immer toll, auf Spielerinnen zu treffen, die man sehr gut kennt. Es ist vielleicht auch für uns beide ein Vorteil, dass wir wissen, wie die andere spielt.
In der letzten Saison waren Sie unter den Top 10 der Spielerinnen in der Bundesliga mit den meisten Vorlagen pro 90 Minuten. Obwohl Sie einen großen Teil der Saison verpasst haben, haben Sie 2024 auch bereits zwei Tore vorbereitet und eines selbst erzielt. Wie entscheiden Sie auf dem Platz, ob es besser ist selbst abzuschließen oder eine Mitspielerin anzuspielen?
Das hängt ganz von der Situation ab. Aber wenn man in einer so guten Mannschaft spielt, muss man geradezu Tore vorbereiten und auch selbst treffen. Mit so guten Spielerinnen um mich herum ist es für Angreiferinnen wie mich vielleicht auch etwas einfacher. Mir ist nicht wichtig, wer die Tore schießt oder vorbereitet. Es geht nur darum, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen. Klar ist, dass wir viele Tore schießen wollen. Es ist gut, ein Teil des Teams zu sein.
Lange Einwürfe sind Jónsdóttirs Spezialität
Vermutlich werden Sie häufig darauf angesprochen. Sie sind auch sehr bekannt für Ihre weiten Einwürfe. Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie das als Teil Ihres Spiels für sich entdeckt haben?
Ja, ich habe vorhin schon darüber gesprochen (lacht). Als ich jünger war, haben wir sieben gegen sieben gespielt, da war ich vielleicht elf, zwölf Jahre alt. Da habe ich mit den Einwürfen angefangen. Einmal habe ich den Ball auf die Torhüterin geworfen und dadurch getroffen. Also wollte ich es nochmal machen. Ich habe dann angefangen, das zu trainieren, um noch längere Einwürfe zu machen. Und es gab ja mit Sif Atladóttir auch eine Spielerin in der isländischen Nationalelf, die der sehr weit werfen konnte.
Das wollte ich auch können, weil ich gesehen habe, dass sie aus Einwürfen Tore erzielen. Also habe ich trainiert, indem ich immer wieder einen Ball gegen die Wand geworfen habe. Und jedes Mal bin ich einen Schritt weiter zurückgegangen. Das war ein Spiel, das für mich selbst gemacht habe, immer weiter zurück, bis es nicht mehr ging. Ich will immer gewinnen und wenn ich mir selbst ein Spiel ausdenke, will ich immer besser sein als gestern. So hat sich das entwickelt. Außerdem habe ich sehr lange Arme. Es könnte also auch daran liegen und an einer gewissen Flexibilität im Rücken.
Ich habe mich auch schon gefragt, ob die weiten Einwürfe eine isländische Spezialität sind, weil es von allen viel trainiert wird, aber es klingt eher nach einem Zufall.
Ganz genau. Das Männer-Nationalteam nutzt auch lange Einwürfe. Die andere Spielerin bei den Frauen, Sif Atladóttir, ist ziemlich klein, und wenn ich jetzt darüber nachdenke, liegt es dann vielleicht doch nicht an den langen Armen. Ich weiß nicht, ob es eine Technik ist oder eine Gabe, dass ich einfach die Auserwählte bin, die weit werfen kann. Vielleicht sollten einfach alle mal ausprobieren, ob sie weit werfen können oder nicht, und dann können sie es auch für das nächste Spiel nutzen (lacht).
Wissen Sie noch, wie Sie ursprünglich zum Fußball gekommen sind?
Ja. Ich habe nicht wirklich trainiert oder Sport getrieben, bis ich neun Jahre alt war. Ich erinnere mich, dass mein damaliger Trainer mit einem Zettel in die Schule kam, den wir unseren Eltern geben sollten. Darauf stand, dass mehr Mädchen gebraucht werden, die Fußball spielen.
Meine Eltern sagten: "Geh einfach hin. Probier aus, ob es dir gefällt". Ich weiß noch, dass ich es beim ersten Training nicht so sehr mochte, aber meine Eltern sagten: "Versuch es einfach mal eine Woche lang. Du wirst ein paar Freunde finden und dann weißt du, ob es dir gefällt oder nicht". Und hat mir nach dieser Woche so gut gefallen, dass ich nicht mehr aufhören konnte.
Jónsdóttirs Onkel war Nationaltorhüter in Island
Ihr Onkel Þorsteinn Bjarnason war in den späten 1970er- und 1980er-Jahren isländischer Nationaltorhüter. Hat das in Ihrer Familie eine Rolle gespielt, als Sie selbst mit dem Fußballspielen anfingen?
Meine Eltern sagen beide, ich weiß aber nicht, ob es stimmt, weil ich es ja nicht gesehen habe, dass sie beide als Kinder wirklich gut im Fußball waren, dass sie viel gespielt haben und so weiter. Also dachte ich, okay, ja, sicher. Und genau, mein Onkel war Torwart in der Nationalmannschaft.
Zwischenzeitlich wollte ich selbst auch Torhüterin sein. Ich stand manchmal im Training zwischendurch im Tor. Ich wusste nicht, welche Position ich spielen sollte. Aber es war gut zu wissen, dass er in der Nationalmannschaft war, dass das möglich ist, wenn man hart trainiert. Ich wollte unbedingt auch für Island spielen. Zu wissen, dass jemand, der mir so nahesteht, das schon geschafft hat, hat mich zusätzlich motiviert.
Der Weg über Schweden in die deutsche Bundesliga
In einem früheren Interview sagten Sie , dass Sie in Island in verschiedenen Jobs gearbeitet haben. Wann war für Sie klar, dass Fußball Ihre Karriere sein könnte?
Tatsächlich durch das Angebot aus Wolfsburg. In Island kann man nicht Fußball spielen, ohne etwas anderes zu machen. Es ist nicht so gut bezahlt. Ich war immer mit meinen Freunden zusammen, sie sind Zwillinge. Wir haben alles zusammen gemacht, auch gearbeitet. Ich weiß ehrlich gesagt schon gar nicht mehr, wo ich überall war. In einer Fischfabrik, an einer Tankstelle, so ziemlich überall. Auch in einer Schule. Aber das war mehr zum Spaß, weil ich mit meinen Freunden zusammen war.
Aber ja, ich habe immer neben der Schule gearbeitet und Fußball gespielt. Ich habe einfach eine Menge Energie, die ich vielleicht loswerden musste. Dann wurde ich ins Nationalteam einberufen. Da wusste ich, dass ich schaffen kann, was ich wirklich machen will. Als das Angebot aus Wolfsburg kam, musste ich es einfach machen. Das war der Punkt, an dem ich wusste, dass es wirklich möglich ist.
Sie sind jetzt seit über zwei Jahren in der Bundesliga. Vor dem festen Wechsel zu Wolfsburg waren Sie noch für ein Jahr in Schweden, per Leihe bei Kristianstads. Wie würden Sie die drei Ligen in Island, Schweden und Deutschland miteinander vergleichen?
Die isländische Liga, das ist ein großer Unterschied im Vergleich zur Deutschen, von der Qualität her und einfach allem. In Schweden ist die Liga wirklich gut und recht ausgeglichen, finde ich. Das Niveau ist höher als in Island, für mich war Schweden deswegen ein guter Zwischenschritt. Und ich war an einem schönen Ort, es waren auch viele andere aus Island dort, das hat mir sehr geholfen.
Zum Beispiel meine Trainerin dort, Elisabet Gunnarsdóttir. Und es ist nicht weit von zu Hause entfernt, also haben mich auch ein paar Leute besuchen können. Ich habe viel dadurch gelernt, zum ersten Mal im Ausland zu sein. Jetzt ist Wolfsburg für mich der beste Ort. Es ist eine kleine Stadt, ich kann mit all diesen tollen Spielerinnen trainieren und habe gute Trainer.
Vorfreude auf das Spiel gegen Deutschland in der Nations League
In der Nations League gab es bereits zwei Spiele zwischen Deutschland und Island. Allerdings konnten Sie durch Ihre Verletzung nicht dabei sein. Aber in der EM-Qualifikation gibt es bald nochmal ein Aufeinandertreffen. Wie denken Sie über die Auslosung?
Für mich ist es einfach perfekt! Ich hatte mich so auf die Nations League gefreut und darauf, gegen Deutschland und einige meiner Teamkolleginnen zu spielen. Dann habe ich mich verletzt. Nicht das beste Timing, würde ich sagen. Also habe ich es mir gewünscht, wieder gegen Deutschland zu spielen. Und mein Wunsch ging in Erfüllung! Dieses Mal will ich also gesund sein und gegen sie spielen. Das wird großartig! Ich hoffe, dass wir bessere Ergebnisse erzielen als die letzten Male und dass wir es ihnen schwer machen können.
Lesen Sie auch:
Haben Sie sich eigentlich von den deutschen Nationalspielerinnen Kaffee ausgeben lassen? Durch das Ergebnis des isländischen Nationalteams konnte Deutschland noch um die Qualifikation für Olympia mitspielen.
Nein, habe ich nicht! (lacht) Am Ende hat es sich auch für Island gelohnt, wir sind in der A-Liga geblieben. Aber wenn wir die Qualifikationsspiele für die A-Liga nicht gewonnen hätten, dann hätte ich mir von ihnen allen Kaffee der Welt kaufen lassen. Nein, aber es ist natürlich sehr schön für sie. Und ich bin froh, dass sie ihre Träume leben können. Für manche Spielerinnen ist es ein Traum, zu den Olympischen Spielen zu fahren. Ich hoffe, dass ich das eines Tages machen kann. Aber wir werden sehen.
Sie haben auch ein Kinderbuch geschrieben, das teilweise fiktiv ist und teilweise auf Ihrem Leben als Fußballerin basiert. Wenn Sie nach der Saison ein zweites Buch über diese Spielzeit mit Wolfsburg schreiben würden, wie sollte der Titel des Buches lauten?
Ich würde sagen... es sollte um den Gewinn des Pokals und der Liga gehen, das Double. Wir haben noch viel vor, und das ist unser Ziel. Darum würde es in dem Buch gehen - "Wie wir das Double gewonnen haben".
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.