Bei der Leichtathletik-WM in Doha in Katar filmen Startblockkameras Athletinnen und Athleten in den Schritt. "Innovative Eventpräsentation" nennt das der Weltverband. Zwei deutsche Sprinterinnen beschweren sich darüber. Erst daraufhin reagiert der Veranstalter.
Die Leichtathletik-WM in Katar steht aus vielen Gründen in der Kritik. Zu der Hitze, die im Stadion durch riesige Klimaanlagen bekämpft wird, und der Leere auf den Rängen, kommt der Ärger um die Startblockkamera.
Erstmals filmt sie Athletinnen und Athleten, die über 100 Meter und über die kurzen Hürdendistanzen an den Start gehen, im Moment ihrer Vorbereitung. Aufgezeichnet werden Bilder, die als Service für die Fans im Stadion und in aller Welt gedacht sind. "Innovative Eventpräsentation" nennt das der Weltverband der Leichtathletik.
Leichtathletik-WM: Deutsche Sprint-Asse beschweren sich
Diejenigen, die diese Bilder liefern, sind anderer Meinung. Stellvertretend für ihre Kolleginnen aus anderen Nationen, beschwerten sich die deutschen Sprint-Asse Gina Lückenkemper und Tatjana Pinto über diese Art der Überwachung und bezeichneten sie als "unangenehm" und "sehr fragwürdig".
Amélie Ebert, Präsidiumsmitglied im unabhängigen Verein "Athleten Deutschland", schloss sich deren Kritik an. "Wenn bei einem Wettkampf die gewohnte Kameraführung geändert oder sogar pikante Kamerapositionen eingeführt werden sollen, wäre im Vorfeld eine Abstimmung mit der Athletenvertretung der IAAF wünschenswert", sagte sie der "Rheinischen Post".
"Generell würden wir es begrüßen, wenn es ein festes Prozedere der Abstimmung zwischen Veranstalter und Athleten in solchen Fällen gäbe", meinte Ebert.
Gina Lückenkemper: "Das kann keine Frau entschieden haben"
Lückenkemper fragte nach ihrem Vorlauf über 100 Meter: "War an der Entwicklung dieser Kamera eine Frau beteiligt? Das wage ich zu bezweifeln. In den knappen Sachen über diese Kamera zu steigen, um in den Block zu gehen, finde ich sehr unangenehm. Also ich weiß nicht, ob ihr gerne von unten von einer Kamera gefilmt werden wollt. Ich finde diese Kameras nicht ganz so geil."
Zudem kam Lückenkemper mit der verlängerten Schiene nicht klar. Sie schlug beim Start mit ihrem Fuß dagegen und kam aus dem Rhythmus. Als Langsamste ihres Halbfinallaufs blieb die 22-Jährige in 11,30 Sekunden satte 25 Hundertstelsekunden über ihrer persönlichen Bestleistung.
Für die Deutsche Meisterin Tatjana Pinto endete der Traum vom WM-Finale nach 11,29 Sekunden. Diese Zeit reichte in ihrem Halbfinale immerhin für Rang fünf. Auch Pinto bezeichnete die Position der Kamera als "sehr fragwürdig". Ihr war es zunächst gar nicht klar gewesen, dass Aufnahmen aus dieser Perspektive existierten.
Der DLV protestierte anschließend beim Weltverband offiziell gegen die neuen Kameras. "Wir waren wohl nicht die einzigen, die deshalb Protest eingelegt haben", kommentierte Lückenkemper diese Maßnahme.
Protest des DLV zeigt Wirkung
Daraufhin habe der Veranstalter "versichert, dass die Bilder in der Regie - während die Athleten in den Block gehen - geschwärzt werden." Somit seien sie auch nicht für die - vergleichsweise wenigen - Fans im Stadion auf der großen Videoleinwand zu sehen.
Erst danach, wenn die Athletinnen und Athleten ihre Startposition eingenommen hätten, würden die Aufnahmen wieder gezeigt.
"Und nach 24 Stunden werden die Aufnahmen komplett gelöscht. So werden wir zwar in den Schritt gefilmt, aber es bekommt keiner zu sehen und die Bilder verschwinden vom Server", sagte Lückenkemper: "Darauf müssen wir an der Stelle vertrauen."
Ebert schilderte im RP-Interview ihre eigenen Erfahrungen als Leistungssportlerin. "Ich war selbst Synchronschwimmerin, also im engen Badeanzug auch schon mal nur mit den Beinen über Wasser. Und ich habe mich schon oft gefragt, warum es da eigentlich kein Mitspracherecht von uns Athleten gibt, welche dieser Aufnahmen genutzt werden." Denn da seien teils unangenehme Bilder dabei, "wo direkt in den Spagat" fotografiert werde.
Die Startblockkamera ist wie bereits erwähnt nicht das einzige Aufregerthema in Doha - denn Katar trägt eine Leichtathletik-WM zum Kopfschütteln aus. (hau/AFP/dpa)
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