Las Vegas (dpa) - Eine standesgemäße Feier zum endgültigen Aufstieg in den Eishockey-Olymp vermisste Leon Draisaitl dann doch.
So stolz der 24 Jahre alte Stürmer der Edmonton Oilers auch über die Nachricht sport-historischen Ausmaßes durch die Eishockey-Legende Wayne Gretzky war - die erstmalige Auszeichnung eines Deutschen zum wertvollsten Spieler (MVP) der weltbesten Liga NHL hätte
Coronabedingt wurden die Auszeichnungen der nordamerikanischen Profiliga nur online durchgeführt. In der Nacht zum Dienstag europäischer Zeit hatten die einstigen Megastars und Oilers-Ikonen Gretzky und Mark Messier per Videoanruf dem aktuellen Oilers-Star gleich zwei Auszeichnungen mitgeteilt. Sowohl die Fach-Journalisten (Hart-Memorial-Trophy) in Nordamerika als auch die NHL-Spieler (Ted-Lindsay-Award) kürten Draisaitl zum besten, zum wertvollsten Spieler der Liga. "Das ist eine große Sache für mich", sagte Draisaitl glücklich. "Es ist eine große Ehre und ein großartiger Tag für mich, so viel ist klar."
Insbesondere die Wahl der Spieler berührte Draisaitl. "Die Anerkennung aus dieser Ecke zu bekommen, bedeutet mir viel", sagte der Doppel-MVP, der weiter deutsche Eishockey-Geschichte schreibt. Niemals zuvor erlangte ein Deutscher in der NHL MVP-Status. Schon der Gewinn der NHL-Scorer-Wertung mit 110 Punkten in der coronabedingt verkürzten Hauptrunde war ein Novum für einen deutschen Spieler.
Erst einmal überhaupt war es bislang einem Deutschen gelungen, in einer der großen US-Sportligen MVP zu werden: Basketball-Legende
Nowitzki selbst hatte Draisaitl im Juni nach dessen eindrucksvoller Saison bereits den MVP-Titel gewünscht: "Seine Grenze ist der Himmel, denn er ist erst 24 Jahre alt und wird weiter an sich arbeiten. Es ist verdammt hart, den MVP, egal in welcher Liga, zu gewinnen." In einem Punkt ist Draisaitl Nowitzki sogar jetzt schon einen Schritt voraus: Top-Scorer wurde Nowitzki in der NBA nie. NBA-Meister mit den Dallas Mavericks (2011) dagegen schon. Draisaitl wartet dagegen zu seinem eigenen Verdruss noch auf einen Stanley Cup.
An der Wertschätzung für den Kölner ändert dies freilich nichts. Für einige ist Draisaitl nun automatisch bester Spieler der Welt. "Es gibt keine bessere Eishockey-Liga als die NHL. Deswegen war Leon in dieser Saison der beste Spieler in der Welt. Das muss man sich einfach mal vorstellen, dass jemand sagen kann, er ist der beste Spieler der Welt", sagte der frühere Bundes- und aktuelle Assistenztrainer der Los Angeles Kings, Marco Sturm, der Deutschen Presse-Agentur. Auch der Deutsche Eishockey Bund (DEB) feierte sein größtes Aushängeschild. "Das ist ein außergewöhnlicher Tag für das deutsche Eishockey", kommentierte DEB-Präsident Franz Reindl. "Superlative sind dafür angemessen, und es erfüllt auch den Verband mit großem Stolz, einen solchen Ausnahmesportler zu haben."
Bundestrainer Toni Söderholm erhofft sich von Draisaitl weitere Impulse. "Dass ganz generell ein deutscher Spieler ein solche Hauptrunde gespielt hat, gibt anderen deutschen Spielern mit Sicherheit einen Schub. Wenn ein Spieler so etwas Außergewöhnliches leistet, dann wissen auch andere, dass solch eine Leistung für einen deutschen Spieler möglich ist", sagte Söderholm.
Topscorer, MVP, herausragender Spieler: Auf persönlicher Ebene hat Draisaitl in der stärksten Liga der Welt bereits alles erreicht. Doch auf den ganz großen Wurf, die Meisterschaft, musste er auch in dieser Saison verzichten. "Wenn ich diese zwei oder drei Auszeichnungen zurück geben könnte für einen Stanley Cup, würde ich das binnen eines Herzschlages machen. So wie jeder andere auch, denke ich", sagte er.
Aktuell scheint er dafür im falschen Team zu sein. So spektakulär die Offensive der Oilers mit Draisaitl und Kapitän Connor McDavid auch ist - defensiv hat das Team Schwächen. Überraschend hatte Edmonton die Playoffs wegen eines 1:3 in der Qualifikationsrunde gegen Außenseiter Chicago erst gar nicht erreicht. "Es ist ein schöner Tag, ich bin stolz und glücklich", sagte Draisaitl: "Aber mein Ziel am Ende des Tages in meiner Karriere ist, den Stanley Cup zu gewinnen."
© dpa-infocom, dpa:200922-99-656190/6
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.