Ben Neumann ist Schüler, Surfer – und er ist blind: Der 18-Jährige gehört zur deutschen Elite im Para-Surfen und nahm gerade erfolgreich an der WM in Kalifornien teil. Im Interview erklärt er, wie er sich beim Surfen im Wasser orientiert und wie es dazu kam, dass ihn ein Profi-Fußballer aus der Bundesliga unterstützt.

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Sie kommen gerade von der Para-Surf-WM in Kalifornien. Wie ist es gelaufen?

Ben Neumann: Genau. Ich bin Vierter geworden.

Glückwunsch!

Danke. Vier Leute sind ins Finale gekommen, das habe ich wieder souverän geschafft. Das Finale lief nicht optimal für mich, aber doch zufriedenstellend.

Mit welchen Erwartungen sind Sie angereist?

Ich nehme mir vor, so weit zu kommen, wie es für mich in der Situation möglich ist. Vergangenes Jahr bin ich auch Vierter geworden, davor Dritter. Der Surfsport wächst, jedes Jahr kommen neue gute Surfer dazu, das Level steigt. Dieses Jahr bin ich das erste Mal mit einem neuen Guide, einer Guidin, ins Wasser. Bei den letzten Weltmeisterschaften habe ich das noch mit meinem Vater gemacht. Wir sind ein sehr gut eingespieltes Team, allerdings ist mein Vater kein Surfer und hat nicht unbegrenzt Zeit, deshalb ist er an seine Grenzen gestoßen. Ich habe mir dann einen neuen Guide gesucht, das hat gut funktioniert. Ich habe mir gewünscht, wieder im Finale zu landen, was geklappt hat. Im Finale ist alles offen, das hängt von den Bedingungen ab. Außerdem war ich der Einzige im Finale, der nicht am Meer lebt.

Wie stimmt man sich mit dem Guide im Wettkampf ab?

Im Wettbewerb ist Funk nicht erlaubt. Der Funk beim Surfen ist generell nicht für den Ride auf der Welle gedacht. Er ist für die Kommandos drumherum: dass ich reinkomme ins Wasser, dann auf die Welle und dann wieder herauskomme aus dem Wasser. Auf der Welle ist die Reaktionszeit zu groß. Bis mein Guide ein Kommando sagt, ich das höre, verarbeite und umsetze, vergeht zu viel Zeit, deshalb muss ich mich beim Surfen auf meine anderen Sinne verlassen. Wir versuchen im Wettbewerb in Ruf-Reichweite zu bleiben und so zu kommunizieren.

"Man muss sich abstimmen, die Kommandos müssen sitzen."

Wie ist es für Sie, einen neuen Guide zu haben? Es dauert sicher, bis man sich aufeinander abgestimmt hat.

Es ist absolut so. Ich hatte jetzt bei der WM erstmals einen neuen Coach, hatte aber generell schon verschiedene Guides. Man muss sich abstimmen, die Kommandos müssen sitzen. Allerdings habe ich festgestellt, dass es sehr darauf ankommt, dass man ein großes Vertrauen in seinen Coach hat und dass man sich gut versteht und man auf einer Wellenlänge ist. Dann stimmt man sich schnell aufeinander ein.

Wie findet man als Para-Surfer einen Coach?

Es ist tatsächlich nicht so einfach. In meinem Fall sind das einfach Surfer, mit denen ich surfen war, wo es gut gepasst hat und zusammengewachsen ist. Wir kennen uns seit Jahren, das hat sich dann entwickelt.

Sie kommen aus Garmisch in Bayern, leben nicht am Meer. Wie trainiert man in dem Fall für seine Wettkämpfe?

Auch nicht so einfach! Ich habe die Möglichkeit, auf stehenden Wellen, zum Beispiel im Eisbach in München, zu surfen, was grundsätzlich ein gutes Training ist. Auf der anderen Seite unterscheidet sich das Surfen auf Flusswellen stark vom Surfen auf Meereswellen. Der Run, die Taktik sind anders, die Auswahl der Wellen fehlt komplett. Deshalb kommt man nicht drumherum, möglichst viel am Meer zu surfen, was ich auch versuche. In Deutschland surfe ich viel an Flusswellen, halte mich körperlich fit und mache andere Übungen, die sich mit den Bewegungen überschneiden. Ich übe viel auf dem Balanceboard und fahre Skateboard.

Wo fahren Sie hin, um im Meer surfen zu können?

Mein Homespot ist inzwischen Lanzarote. Dort habe ich eine gute Infrastruktur, kenne viele Leute. Man ist verhältnismäßig schnell dort und die Wahrscheinlichkeit, gute Wellen zu bekommen, ist recht hoch.

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Was war der bisher coolste Spot, an dem Sie gesurft sind?

Man muss zwischen Flusswellen und Meereswellen unterscheiden. Es gibt einen sehr schönen Spot auf Lanzarote, dort sind die Wellen sehr schön. Dort ist eine sehr cleane Welle, die ich sehr gern mag. Beim Flusssurfen ist definitiv der Eisbach beeindruckend. Mit der Geräuschkulisse und der Umgebung ist das eine sehr imposante Welle.

"Man kann nicht pauschal sagen, dass Meer- oder Flusssurfen per se schwieriger wäre."

Und welche Wellen mögen Sie lieber?

Beides hat auf seine Art seine Reize. Das Surfen am Meer ist vielfältiger, naturverbundener und einzigartiger. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich fürs Meersurfen entscheiden, aber im Fluss mag ich es auch gern.

Was ist für Sie herausfordernder?

Man kann nicht pauschal sagen, dass Meer- oder Flusssurfen per se schwieriger wäre. Der Eisbach ist für mich sehr herausfordernd, weil er unberechenbar ist und weniger Anhaltspunkte bietet. Genauso gibt es am Meer Spots, die zum Beispiel hinsichtlich des Einstiegs sehr herausfordernd sind.

Bundesliga-Profi Grischa Prömel hat Sie finanziell unterstützt, damit Sie zur WM fahren können. Warum gibt es keine Förderung für Para-Surfer?

Größtenteils finanzieren Para-Surfer ihren Sport selbst. Ich bin mittlerweile in der glücklichen Lage, dass ich ein paar Sponsoren habe, die zumindest mein Material – etwa Anzüge und Bretter – ganz gut abdecken. Nichtsdestotrotz ist Surfen leider ein sehr teurer Sport, der kaum unterstützt wird. Bald steht die Entscheidung an, ob Surfen 2028 in Los Angeles paralympisch wird. Wenn diese Entscheidung positiv ausfällt, wovon ich ausgehe, werden hoffentlich Gelder frei und die Situation ändert sich ein wenig. Bis dato ist man auf Unterstützung angewiesen.

Die haben Sie von Grischa Prömel bekommen.

Genau. Er ist über Instagram auf mich aufmerksam geworden, er ist selbst Surfer, fand die Sache cool und hat sich dann einfach bei mir gemeldet.

Wenn Surfen bei den Paralympischen Spielen 2028 dabei ist: Wie wird sich der Sport entwickeln? Dass er wächst, haben Sie schon angesprochen.

Davon ist definitiv auszugehen – finanziell wie strukturell. Das Niveau der Surfer wird steigen und die Szene sich professionalisieren. Das ist schon in den letzten Jahren passiert. Wenn Para-Surfen olympisch wird, wird das Ganze noch mehr Fahrt aufnehmen.

Was sind Ihre persönlichen nächsten Ziele?

Ich bin ein relativ ehrgeiziger Mensch, der viele Ziele hat. Doch ich habe durch meine Erblindung, meine Geschichte, früh gelernt, dass zu starre Pläne und ein zu starrer Weg, den man sich selbst setzt, ein Hindernis sein können. Das Leben spielt nicht immer so, wie man sich das vorstellt. Ich habe langfristige Perspektiven und Ziele, lebe aber gern von Tag zu Tag und versuche, das Beste daraus zu machen. Sportlich versuche ich, das Surfen weiterzuverfolgen. Die möglicherweise stattfindenden Paralympics 2028 im Surfen wären definitiv eines dieser Ziele.

"Beim Surfen auf der Welle bin ich auf mich gestellt. Ich habe drei Hauptkomponenten, die mir Informationen liefern."

Sie gehen noch zur Schule. Was kommt danach?

Im April schreibe ich mein Abitur. Was danach kommt, hängt auch davon ab, ob Surfen bei den Paralympics 2028 stattfindet. Gern möchte ich studieren und daneben das Surfen weiter verfolgen.

Sie haben mal gesagt, dass Sie sich beim Surfen sehr auf Ihr Gehör und Ihr Gefühl verlassen. Beschreiben Sie mal, wie das genau aussieht.

Beim Surfen auf der Welle bin ich auf mich gestellt. Ich habe drei Hauptkomponenten, die mir Informationen liefern. Das ist einmal mein Gefühl. Das bedeutet: Wie liegt mein Brett im Wasser? Welche Rückmeldung gibt mir das Brett? Beschleunigt es? Bremst es? Der zweite Punkt ist mein Gehör. Wenn man sich darauf konzentriert und viel übt, kann man relativ gut einschätzen, wie die Welle bricht und wo man sich auf der Welle befindet. Der dritte Punkt ist meine hintere Hand. Ich strecke sie relativ oft ins Wasser und fühle damit die Welle. Es ist ja so, dass ich anderen Surfern nicht wirklich beim Surfen zuschauen kann. Deshalb habe ich durch Ausprobieren meinen eigenen Weg und meinen eigenen Surfstil gefunden, der eher ungewöhnlich ist.

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