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Sie straucheln, fallen hin und hecheln abgeschlagen mit weitem Abstand als Letzte durchs Ziel. Trotzdem genießen einige der ewigen Verlierer große Aufmerksamkeit. Sportfans finden die menschliche Seite der Außenseiter sympathisch.
Schlechte Bedingungen, fehlende Finanzmittel, veraltetes Material - all das kann die Exoten nicht aufhalten. Ihr Mut und Einsatzwille macht sie für die Fans zu Vorbildern.
Lesen Sie auf den nächsten Seiten von exotischen Ski-Athleten, einer lahmen Mähre und ewig Zweitplatzierten.
"Eddie The Eagle"
Der wohl bekannteste Bruchpilot unter den Ski-Springern ist der Brite "Eddie The Eagle". Der gelernte Maurer, der eigentlich Michael Edwards heißt, fuhr 1988 als britischer Meister zu den olympischen Spielen in Calgary und sorgte für mächtig viel Wirbel.
Ohne finanzielle Unterstützung und Trainer war der Engländer mit einer geliehenen Ausrüstung angetreten und landete auf der Normalschanze schon nach 55 Metern auf dem Schnee, während Olympiasieger Matti Nykänen auf fast 90 Meter kam.
Auch auf der Großschanze war Michael Edwards Letzter. Da sich vor ihm im Endklassement zwei Kanadier befanden, kommentierte er seine Lage laut der "Süddeutschen Zeitung" so: "Es war heute einfach nicht der Tag der Commonwealth-Springer."
Der mit 1,65 Metern klein geratene Springer stahl den großen Favoriten die Show: Jedes Mal wenn "Eddie The Eagle" antrat, zitterten die Zuschauer, ob er seinen Sprung heil überstehen würde. Die Offiziellen fanden das Treiben des Außenseiters jedoch gar nicht lustig und änderten die Teilnahmebedingungen. "Eddie the Eagle" erfüllte danach nicht die Mindestnormen und konnte damit nicht mehr als Ski-Adler starten.
Trotzdem nutze Michael Edwards seine Popularität: Mit "Mun Niemi En Eetu" beziehungsweise "My Name is Eddie" landete er in Finnland einen Nummer-Zwei-Hit. Seine Lebensgeschichte verkaufte er außerdem für 65.000 Dollar an eine Boulevardzeitung.
Jamaika-Bob
Bruchpilot "Eddie The Eagle" war 1988 nicht der einzige exotische Star in Calgary: Im Viererbob ging erstmals eine jamaikanische Crew an den Start. Zwar waren die Wintersportler aus der Karibik ohne jede Chance, doch ernteten auch sie jede Menge Zuneigung.
Irgendwann in den 80ern hatten zwei US-Amerikaner ein jamaikanisches Seifenkistenrennen beobachtetet und den Wettbewerb mit Bobfahren verglichen - aber eben ohne Eis. So kam der Karibikstaat zu seinem ersten Bob-Team. 2002 gehörte Lascelles Brown der Zweierbob-Mannschaft an und startete mit 4,78 Sekunden so schnell wie kein anderer Konkurrent.
Doch weil die Rahmenbedingungen so schlecht waren, tat sich Brown mit dem Kanadier Pierre Lueders zusammen und fuhr 2005 zum Weltmeister-Titel. Ein Jahr später war Lascelles Brown eingebürgerter Kanadier und flitzte mit Lueders in Turin für sein neues Heimatland zur olympischen Silbermedaille.
Eric Moussambani
Lange 112,72 Sekunden quälte sich im Jahr 2000 der Schwimmer Eric Moussambani im olympischen Vorlauf für die 100-Meter-Freistil zum Ziel. Damit war der Athlet aus Äquatorialguinea um sieben Sekunden langsamer als der damalige Weltrekordhalter über die doppelte Distanz. Trotzdem gewann der Afrikaner den Vorlauf bei den Spielen in Sydney: Seine einzigen beiden Konkurrenten waren disqualifiziert worden.
Eric Moussambani hatte erst acht Monate zuvor mit dem Schwimmen begonnen und trainierte in einem 20-Meter-Becken oder im Fluss. Sein erster Wettbewerb in einem 50-Meter-Becken fand ausgerechnet bei Olympia statt. Nach der Hälfte des Vorlaufs drohte der Sportler sprichwörtlich abzusaufen. Doch das Publikum reagierte und feuerte den Exoten an.
Als der Afrikaner im "Aquatic Centre" endlich am Ziel anschlug, brandete Applaus auf, als habe der Athlet den Olympiasieg errungen.
Paula Barila Bolopa
Das olympische Schwimmerteam aus Äquatorialguinea bestand 2000 aus zwei Athleten. Moussambanis Begleiterin war Paula Barila Bolopa. Nachdem ihr Landsmann im Vorlauf für Furore gesorgt hatte, waren die Erwartungen der Medien für den Vorlauf über 50 Meter Freistil der Frauen groß.
Amerikanische TV-Stationen rückten der Schwimmerin mit Spanischübersetzern auf den Leib. Ein Radiosender aus Madrid führte ein Live-Interview. Dabei wurde bekannt, dass Bolopa wie Moussambani erschwerte Trainingsbedingungen hatte: Bei ihrem Training im Atlantik musste sie auf die Strömung und die nahen Haie achten.
Zwar schwamm Paula Barila Bolopa mit knapp 64 Sekunden so langsam wie niemand zuvor bei Olympia. Das Publikum war dennoch angetan, so dass die Außenseiterin jede Menge Autogramme schreiben musste. Voll Begeisterung zogen britische Medien sogar Vergleiche zum Sportsgeist von "Eddie The Eagle".
Tasmania Berlin
Es müssen nicht immer Einzelspieler sein, die zu Verlierern werden. Das Fußballer-Team von Tasmania Berlin machte es bereits in den 60ern vor: Nur eine Saison konnte sich der Club in der Bundesliga halten und sammelte dabei jede Menge Rekorde. Die Elf um Nationalspieler Horst Szymaniak ist die schlechteste Mannschaft in der Bundesliga-Geschichte. Nach der heute gültigen Drei-Punkte-Regel sammelten die Berliner in der Saison 1956/66 magere zehn Punkte.
Mit 827 zahlenden Zuschauern kamen am 16. Januar 1966 gegen Mönchengladbach zudem so wenige Zuschauer wie zu keiner anderen Bundesligapartie. 31 Spiele in Folge blieben die Profis ohne Sieg, 108 Ligatore kassierte Tasmania. Einen Rekord konnte der Club jedoch abgeben: In der Saison 1999/2000 stellte Arminia Bielefeld die Negativmarke von zehn Niederlagen in Folge ein.
Bei so viel Pech war der Weg des Vereins vorgezeichnet: 1973 ging der Club pleite. Aus den Ruinen erstand der SV Tasmania Gropiusstadt 73.
Mick McCarthy
Mick McCarthy führte als irischer Nationaltrainer sein Team zur Weltmeisterschaft 2002 in Südkorea und Japan. Bei den Vorbereitungen beschwerte sich der irische Kickerstar Roy Keane heftig über den Übungsleiter: Der "Gute-Laune-Dilletantismus" McCarthys sei unausstehlich. Daraufhin schmiss der Verband Keane aus dem Team.
Nach einer kurzen Pause wechselte Mick McCarthy 2003 von der irischen Auswahl zum englischen Erstligisten Sunderland AFC. Der Trainer sollte den Club vor dem Abstieg retten. Stattdessen folgte ein Desaster. In den verbleibenden neun Ligaspielen hagelte es neun Niederlagen. Mick McCarthy hatte die Negativbilanz seines Vorgängers ohne Unterbrechung fortgeführt: Howard Wilkenson hatte in 29 Begegnungen mickrige 19 Punkte eingefahren.
Dennoch hielt Sunderland an Mick McCarthy fest. 2005 schaffte der Club den Aufstieg. Nach einer erneuten Negativserie musste McCarthy schließlich gehen. Sein Nachfolger: Kritiker Roy Keane.
Haruurara
Jetzt wird es tierisch: In seinen besten Zeiten kam fast kein Konkurrent an Rennpferd Nippo Teio vorbei. Der Vollbluthengst gewann sogar den renommierten "Emperor’s Cup" in Tokyo. Mit diesem Erfolg kann Tochter Haruurara jedoch nicht mithalten. Ganz im Gegenteil - die Stute hat schon mehr als 100 Rennen verloren.
Trotzdem ist das Pferd in Japan äußerst populär. Haruurara macht Werbung für Kirin-Bier, aus ihren Schweifhaaren werden Glücksbringer hergestellt, und auf Fan-T-Shirts prangt "Never give up" (Gib niemals auf). Jetzt soll sogar ein Film über die lahme Mähre gedreht werden.
"Die Menschen sind gerührt, weil sie sich so verzweifelt in den Rennen anstrengt, obwohl sie von ihren Eltern einen so schmächtigen Körper geerbt hat", soll Regisseur Tokihisa Morikawa laut "Shortnews.de" gesagt haben.
Shizo Kanaguri
Ein anderer Japaner machte bei den olympischen Spielen 1912 in Stockholm von sich Reden. Der Marathonläufer Shizo Kanaguri war in der schwedischen Hauptstadt von den heißen Sommertemperaturen stark beeinträchtigt. Bei Kilometer 30 bekam der überhitzte Athlet von einem Zuschauer an der Straße ein Getränk angeboten. Müde ließ sich Kanaguri in das Haus des olympischen Fans geleiten und schlief ein.
Der Japaner wachte erst am nächsten Tag auf. Längst hatten die letzten Läufer die Ziellinie passiert. Die Polizei suchte schon nach dem verschwundenen Athleten, als dieser reumütig im japanischen Quartier ankam.
Im Alter von 76 Jahren - Kanaguri war gerade Präsident des japanischen Marathon-Verbandes geworden - setzte der Läufer in Stockholm sein olympisches Rennen fort. Shizo Kanaguri kam am 20. März 1967 ins Ziel - 54 Jahre, acht Monate, sechs Tage, 32 Minuten und 20,3 Sekunden nach dem Start.
Raymond Poulidor
Er ist der ewige Zweite des Radsports: Raymond Poulidor fuhr zwischen 1962 und 1976 acht Mal bei der Tour de France aufs Treppchen. Die Tour der Leiden konnte der französische Sportler aber nie gewinnen. Seine härtesten Konkurrenten Jacques Anquetil und Eddie Merckx schnappten ihm die Siege weg.
Vielleicht gerade deswegen ist der Underdog in Frankreich sehr beliebt. Mit seinem breiten, zerfurchten Gesicht und dem langsamen Sprechtempo war er das Gegenteil zum fünfmaligen Tour-Gewinner Jacques Anquetil, der ein schmales Gesicht, blonde Haare hatte und Poulidor mit seiner Körpergröße weit überragte.
1964 war Raymond Poulidor etwa dem inzwischen verstorbenen Anquetil dicht auf den Fersen. In den Bergen konnte der "ewige Zweite" seinem Konkurrenten viel Zeit abnehmen. Erst bei der Zieleinfahrt im flachen Paris sicherte sich Anquetil den Sieg. Poulidor fehlten nur 55 Sekunden.
Philip Boit
Bei den olympischen Spielen in Turin 2006 bestand das kenianische Team aus genau einer Person: Philip Boit. Turin war bereits Boits dritte Olympia-Station. In Nagano (1998) und Salt Lake City (2002) ging er ebenfalls an den Start.
Mitte der 90er suchte Sportartikelhersteller Nike in Kenia einen Ski-Langläufer, der bei den Spielen in Nagano starten könnte. 800-Meter-Läufer Philip Boit nahm die Herausforderung an und ließ sich im Winter nach Finnland zum Training fliegen. Laut der "Frankfurter Allgemeinen" soll der Afrikaner entsetzt gewesen sein, als er das erste Mal Schnee sah.
Doch Boit biss sich durch, trainierte für die Spiele in Nagano und ging schließlich zum 10-Kilometer-Lauf in Japan an den Start. Der Kenianer kam 20 Minuten nach Olympiasieger Björn Dählie ins Ziel, doch wartete der Norweger geduldig und fing den erschöpften Exoten nach der Zielankunft auf.
Björn Dählie gratulierte Philip Boit und riet ihm, unbedingt weiterzumachen. Der zähe Kenianer setzte seine Langlaufkarriere fort und will auch 2010 im kanadischen Vancouver wieder an den Start gehen.
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