Deutsche Profi-Klubs in Handball, Basketball und Eishockey kämpfen wegen der Coronakrise ums wirtschaftliche Überleben. Sie haben ganz andere Probleme als Vereine aus der Fußball-Bundesliga. Wir haben nachgehakt.
In Balingen sind sie das Kämpfen gewohnt. Nicht umsonst nennen sie sich 70 Kilometer südwestlich von Stuttgart "Gallier von der Alb". In der Handball-Bundesliga zählt der HBW Balingen-Weilstetten seit seinem ersten Aufstieg 2006 immer zu den Abstiegskandidaten.
Profi-Klubs kämpfen gegen wirtschaftliche Folgen der Coronavirus-Pandemie
Doch im Frühjahr 2020 kämpfen die Schwaben nicht um den Klassenerhalt, sondern gegen einen unsichtbaren Gegner, das Coronavirus - und wie viele Profi-Vereine in Deutschland wegen der Folgen der Pandemie ums wirtschaftliche Überleben. "Wenn ich bis Dezember keine Spiele habe, frage ich mich, mit was ich Geld verdienen soll. Das ist unsere Existenzgrundlage", erzählt Geschäftsführer Wolfgang Strobel unserer Redaktion am Telefon: "Wenn ein Jahr lang keine Handball-Bundesliga stattfindet, wird es nicht nur für uns schwer, zu überleben. Das geht dann jedem einzelnen Klub so."
Für seine Profis hat der ältere Bruder von Europameister Martin Strobel Kurzarbeit beantragt, schließlich würden die Kosten für Spieler im Oberhaus im Schnitt 67 bis 75 Prozent des Budgets ausmachen, erklärt der 36-Jährige. Dabei verdienen wenige Handball-Profis mehr als Arbeitnehmer aus dem Mittelstand.
Für viele Handball-Profis geht es um den Job
"Wenn unsere Jungs morgen aufhören, Handball zu spielen, müssen sie übermorgen arbeiten", sagt Strobel. Die Kurzarbeit bis 30. Juni sei wichtig gewesen, "damit wir diese Saison wirtschaftlich überhaupt überleben", erzählt er: "Für die Zukunft ab 1. Juli eine Prognose abzugeben, ist brutal schwierig."
Dem Vernehmen nach plant der HBW mit einem Gesamtetat von drei Millionen Euro, der erhebliche Teil wird durch Ticketing und Sponsoring finanziert. 2.350 Zuschauer passen in die schmucke Sparkassen-Arena, von den 1.616 Sitzplätzen sind laut Strobel 1.530 durch Dauerkarten belegt.
"Auf unserer Warteliste für die Dauerkarten stehen bestimmt 300 Personen", schildert er. Das Interesse ist da. Aber: Wann geht es weiter? "Im Fußball gibt es sehr viel Geld für Geisterspiele. Für uns machen die TV-Erlöse unter zehn Prozent des Etats aus", erklärt er. Allein damit könne er kaum die Miete der Geschäftsstelle bezahlen.
Die Solidarität sei gewaltig, erzählt er, es gebe aber "auch schlechte Signale von Partnern". Was tun? "Der Sport darf nicht sterben", sagt Strobel und erzählt von "sehr guten Kontakten zur Politik. Ein Modell wäre, mit Subventionen vom Staat Geisterspiele vor meinetwegen einer Million TV-Zuschauer zu ermöglichen, um dadurch Erlöse zu erzielen."
Coronakrise im Profi-Sport: Basketball-Bundesliga-Klub Rasta Vechta hofft auf Fans und Sponsoren
640 Kilometer trennen Balingen (34.000 Einwohner) und Vechta (33.000 Einwohner) in Niedersachsen – die Probleme sind dieselben. Hier ist nach eigenem Bekunden der "geilste Klub der Welt" daheim. In der Vorsaison erreichte Rasta Vechta sensationell das Play-off-Halbfinale der Basketball-Bundesliga. Doch Corona versetzte dem Aufschwung einen herben Dämpfer.
"Wir müssen sehen, wie viele Sponsoren und Ticketinhaber wie viel Geld zurückfordern", erzählt der geschäftsführende Gesellschafter Stefan Niemeyer unserer Redaktion. Von den 3.140 Zuschauerplätzen in der Halle sind allein 2.400 mit Dauerkarten belegt, erklärt er.
"Wenn alle ihr Geld zurückfordern, geht es um 800.000 bis 900.000 Euro." Wie groß der Corona-Schaden wäre, lässt sich am Gesamtetat bemessen, der laut Niemeyer bei etwa 3,8 Millionen Euro liegt. Aufzugeben, ist für ihn keine Option.
Der Unternehmer deutet an, notfalls selber finanziell einzuspringen. Wie in Balingen, wurden auch in Vechta alle Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, erzählt Niemeyer: "Mit manchen Spielern haben wir Auflösungsverträge gemacht, die uns ermöglichen, sie wieder zurückzuholen."
"Der Profisport wird sich gewaltig wandeln"
Geht es nach Niemeyer, wird das ganze Model Profi-Basketball durch Corona auf die Probe gestellt. "Der Profisport wird sich gewaltig wandeln, zulasten der Spieler-Gehälter", sagt er.
Ein Basketball-Profi in Deutschland müsse sich schon während seiner Karriere darum kümmern, "was er danach macht und kann sich anschließend nicht drei Jahre auf die faule Haut legen. Sicher nicht! Das verkennen die Leute", meint er: "Der eine oder andere Basketballer wird sich künftig fragen: 'Mache ich das überhaupt noch?'"
Sein Klub habe sämtliche Einsparmöglichkeiten ausgereizt. "Rasta Vechta gibt jährlich bis zu 300.000 Euro nur für den Betrieb der Hallen aus. Bisschen weniger Heizung und Strom ist ja gut - aber wo sollen wir da kürzen?", fragt er.
Niemeyer nimmt die Politik in die Pflicht. "Ich hätte erwartet, dass der Staat den Basketball, das Eishockey, den Handball und den Volleyball zum Beispiel mit 50 Prozent (der Kosten, Anm. d. Red.) bezuschusst", sagt er und prognostiziert: "Ich kann mir vorstellen, dass wir erst im Dezember wieder anfangen, oder im Januar. Bei den BBL-Klubs sind 30 bis 40 Prozent der Etats Zuschauereinnahmen. Wir können ohne Zuschauer nicht spielen."
Land Sachsen hilft Klubs mit Darlehen
Während Niemeyer in Niedersachsen an die Politik appelliert, lobt Jörg Buschmann im Osten der Republik seine Landesregierung. "Das Land Sachsen will die Profi-Klubs mit Darlehen ausstatten, die mehrere Jahre tilgungs- und zinsfrei sind", erklärt der Geschäftsführer der Eispiraten Crimmitschau.
Die Kleinstadt - zwischen Jena, Zwickau und Chemnitz gelegen - hat keine 20.000 Einwohner. Der Eishockey-Klub aus der DEL2 ist das Aushängeschild. Mehr als 2.000 Fans pilgern im Schnitt ins kultige Kunsteisstadion im Sahnpark. "Die Coronakrise trifft uns sehr hart", erzählt Buschmann unserer Redaktion.
Die Eispiraten hätten eigentlich die Play-Downs gegen die Bayreuth Tigers spielen sollen, Abstiegskampf vor voller Halle – Fehlanzeige. 150.000 Euro gingen verloren. Durch eine Crowdfunding-Aktion sind bis Mitte April knapp 100.000 Euro zusammengekommen. Doch was bringt die Zukunft?
Coronakrise in Deutschland für DEL2-Klub "existenzgefährdend"
Die meisten Spieler seien heimgereist, erzählt Buschmann, "gerade bei unseren ausländischen Spielern war uns wichtig, dass wir sie noch nach Hause bekommen, nach Kanada, in die USA oder nach Tschechien. Mit den Spielern in Deutschland habe ich alle zwei, drei Tage Kontakt, um sie zu beruhigen. Sie merken, dass die Situation angespannt ist".
Angespannt, weil am 1. Mai die Lizenzierung beginnt. Buschmann will bis Ende April aber keine Sponsorengespräche führen, "damit sich unsere Partner sortieren können". Vom größten Arbeitgeber in der Region bis zum kleinen Handwerker unterstützen 180 Firmen die Eishockey-Cracks mit "1,4 Millionen Euro, plus etwa 350.000 Euro Sachsponsoring". Die Gesamteinnahmen belaufen sich auf knapp 2,8 Millionen Euro.
Springen zu viele Sponsoren ab, wird es laut Buschmann "existenzgefährdend". Das gilt nicht nur in Crimmitschau.
Verwendete Quellen:
- Telefon-Interviews mit Wolfgang Strobel (HBW), Stefan Niemeyer (Vechta) und Jörg Buschmann (Eispiraten)
- DEL2: Zuschauerschnitt Saison 2019/20
- Handball World: Zuschauer Handball-Bundesliga: Saison 2019/20 vor der Millionenmarke
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