- Mit 19 Jahren ist Hans Niemann Schach-Großmeister und Weltmeister-Bezwinger.
- Doch der US-Amerikaner wurde zuletzt vor allem wegen negativer Schlagzeilen bekannt.
- Schach-Superstar Magnus Carlsen wirft ihm nun erstmals auch konkret Betrug vor.
Endlich hat sich
"Ich glaube, dass Niemann mehr – auch in letzter Zeit – betrogen hat, als er öffentlich zugegeben hat." Seine Fortschritte am Brett seien unüblich gewesen, er sei teilweise nicht angespannt oder bei voller Konzentration gewesen, während er ihn ausgespielt habe, wie es nur "eine Handvoll Spieler können."
Heftige Anschuldigungen gegen einen 19-Jährigen, der zugegeben hat, in der Vergangenheit mehrfach betrogen zu haben. Allerdings bei Onlineturnieren und nie bei einem Spiel in physischer Präsenz. Hans Niemann ist inzwischen nicht nur in der Schachszene ein Name – positiv wie negativ. Einem aktuellen Bericht zufolge soll Niemann jedoch weitaus öfter betrogen haben, als von ihm angegeben. Aus einem Untersuchungsbericht des Portals chess.com, über das das "Wall Street Journal" am Dienstag berichtete, geht hervor, dass Niemann in mehr als 100 Online-Partien betrogen haben soll.
Besessen vom Besserwerden
Bobby Fischer nennt er sein Vorbild. Der Bobby Fischer, der als einziger US-Amerikaner bis heute Schachweltmeister wurde. Der Bobby Fischer, der zwischen Genie und Wahnsinn pendelte, mit 13 Jahren US-Champion wurde – und der wegen frauenfeindlicher und antisemitischer Äußerungen auffiel.
Hans Moke Niemann ist einer, der gern provoziert. Das zumindest kann man als Gemeinsamkeit zwischen ihm und dem legendären Bobby Fischer festhalten. Schon früh wurde ihm in der Schule das Talent fürs Schachspielen abgesprochen.
Das nahm der US-Amerikaner mit dänischen und hawaiianischen Wurzeln zum Anlass, um wie ein Besessener zu üben. Seine zweite Leidenschaft ist das Radfahren, das er fast ebenso fanatisch betrieben hat. In dieser Sportart wurde er einer der besten seines Jahrgangs, im Schach reichte es nicht für die Schulauswahl.
Schach auf Twitch und ein Leben aus dem Koffer
Doch Niemann war getrieben, zog mit 16 daheim aus und nahm ein Schachstipendium an einer Privatschule in New York an. Um sich das Leben leisten zu können, streamte er Schachpartien auf Twitch und verdiente Geld als Schachlehrer. Ein Digital Native, der weiß, wie man sich vermarktet. Er reiste fortan zu Turnieren in der ganzen Welt, lebte aus dem Koffer und ordnete alles dem Schach unter.
Er wolle unter die Top Ten der Welt kommen, sonst mache sein Leben keinen Sinn, sagte er im Frühjahr dem Podcast "Perpetual Chess". Er übe zehn bis zwölf Stunden täglich, sein Ziel seien 150 Turniere im Jahr. Zeit für andere Hobbys oder eine Freundin habe er nicht.
Der Mann der großen Sprünge: Niemann misst sich mit den Besten
Zu den Anfängen der Pandemie streamte er mehr und übte sich im Online-Blitzschach. Seine Elo-Zahl – eine Wertung, mit der die Stärke von Schachspielern gemessen wird – stieg Ende 2020 auf über 2.500, was ihn zum Großmeister machte. Mit gerade einmal 17 Jahren. Im letzten Jahr stieg er in der Weltrangliste 150 Plätze auf, inzwischen ist er auf Platz 40, niemand machte zuletzt so große Sprünge wie er.
Vor allem den Weltmeister, Magnus Carlsen, macht das stutzig. Anfang September trafen die beiden Schachstars beim Sinquefield Cup im US-amerikanischen St. Louis zum ersten Mal aufeinander. Niemann profitierte davon, dass ein anderer Profi aufgrund seiner gerade erst abgeklungenen Coronainfektion nicht einreisen durfte. In der dritten Runde besiegte er Carlsen mit wenigen klaren Zügen, der Weltmeister zog sich daraufhin zurück.
"Ich glaube, er war so demoralisiert, weil er gegen einen Idioten wie mich verloren hat", sagte Niemann hinterher spöttisch über seinen Gegner. Für den Weltmeister müsse es "peinlich" sein, gegen ihn zu verlieren.
Niemann betrog in Online-Schachturnieren – jetzt auch gegen Carlsen?
Nur wenig später trafen die beiden im Onlineturnier Julius Bär Generation Cup erneut aufeinander. Nach nur einem Zug beendete Carlsen die Partie und verließ den virtuellen Raum. Ein untypisches Verhalten für den Norweger, der seit Jahren an der Weltspitze thront.
Carlsens Zweifel sind nicht komplett unbegründet. Zweimal hat er in der Vergangenheit bei Online-Schachturnieren betrogen, hat Niemann zugegeben. Er sei getrieben von mehr Followern gewesen, die ihm mehr Geld gebracht hätten. Bei Turnieren, in denen er physisch anwesend war, habe er das jedoch nie getan. Die Schachwelt ist gespalten. Der Anbieter "chess.com" hat Niemanns Account gelöscht, ist aber auch Partner von Magnus Carlsen.
Möglichkeiten, im Schach zu betrügen, gibt es einige. Doch bei großen Turnieren, wie dem Sinquefield Cup, sind die Sicherheitsvorkehrungen hoch. Carlsen kündigte an, nie wieder gegen den 19-Jährigen spielen zu wollen. Ob dieser sein zweifelhaftes Image wieder loswird?
Verwendete Quellen:
- Statement Magnus Carlsen bei Twitter
- Spiegel.de: Magnus Carlsen wirft Hans Niemann erstmals konkret Betrug vor
- Sportschau.de: Magnus Carlsen – "Hans Niemann hat häufiger betrogen"
- Der Standard: Hans Niemann: Verdächtiges Wunderkind am Schachbrett
- Chessbase.com: Statement der FIDE zum Carlsen-Niemann-Streit
- Sportschau.de: Der rasante Aufstieg des Hans Niemann
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