Cricket, Lacrosse, Baseball/Softball, Flagfootball und Squash werden bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles neu ins Programm aufgenommen. Im Gespräch mit unserer Reaktion sprechen Verantwortliche aus den Verbänden über die Bedeutung der Olympia-Teilnahme und die Medaillenchancen der deutschen Teams.
Cricket und Lacrosse kehren bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles nach mehr als hundert Jahren wieder ins Wettkampfprogramm zurück, im Flagfootball und Squash werden erstmals olympische Medaillen vergeben.
Die Mannschaftssportarten Baseball und Softball, die im kommenden Jahr bei den Spielen in Paris nicht dabei sein werden, geben in L.A. ihr olympisches Comeback. Das beschloss die Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Anfang der Woche.
In Deutschland sorgt die Entscheidung des IOC bei den Verbänden der neuen olympischen Sportarten für Jubel. Im Gespräch mit unserer Reaktion sprechen Verantwortliche der Verbänden über die Bedeutung der Olympia-Teilnahme und die Medaillenchancen der deutschen Teams.
Lacrosse
Lacrosse war vor langer Zeit bereits eine olympische Disziplin. In der aus Kanada stammenden Ballsportart wurden 1904 und 1908 Medaillen vergeben, bis 1948 war Lacrosse noch dreimal als Demonstrationssport vertreten. In Los Angeles wird Lacrosse ins olympische Programm zurückkehren, was auch in Deutschland für Begeisterung sorgt.
"Für die Lacrosse-Spielerinnen und -Spieler in Deutschland geht mit dieser Entscheidung ein Traum in Erfüllung, hinter dem jahrelange Vorbereitung steckt. Für die Athletinnen und Athleten, die seit Jahren auf und neben dem Feld hart arbeiten, ist es ein Zeichen größter Wertschätzung", sagt Anke Leibfarth, die erste Vorstandsvorsitzende des Deutschen Lacrosse Verband e.V. (DLaxV): "Dass wir unseren Sport jetzt beim größten Sportevent der Welt präsentieren dürfen, macht uns unglaublich stolz. Die Entscheidung zeigt, wie viel Potenzial die Sportart Lacrosse zu bieten hat und wir werden als Athleten und als Verband noch härter daran arbeiten, dieses Potenzial voll auszuschöpfen. Wir sind überzeugt davon, dass Lacrosse durch Dynamik und Geschwindigkeit eine Bereicherung für die Spiele ist."
Ein Ziel des DLaxV sei es seit Jahren, so Leibfarth weiter, "mehr Aufmerksamkeit auf unseren großartigen Sport zu lenken. Durch die Möglichkeit der Teilnahme an den Olympischen Spielen sind wir diesem Ziel einen riesigen Schritt näher gekommen. Wir wollen die wachsende Bekanntheit unseres Sports nutzen, um die sportliche Infrastruktur für unsere Athletinnen und Athleten auszubauen, damit diese sich voll auf den Sport fokussieren können. Durch die Olympischen Spiele wollen wir den nächsten Schritt auf der Wachstumskurve nehmen – als Mannschaften, als Verband und als Community."
Sportlich stehen die Chancen der deutschen Lacrosse-Spielerinnen und -Spieler nicht schlecht. Die Herren belegten bei den World Games 2022 in den USA den siebten Platz, die deutschen Lacrosse-Damen erreichten den vierten Platz bei den Super Sixes in Portugal. Ein nächstes wegweisendes Turnier werden die Super Sixes im Dezember in Hongkong. "Wir sind überzeugt davon, dass unsere Nationalmannschaften bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles weit vorne mitspielen können", sagt Anke Leibfarth.
Baseball/Softball
In der jüngeren Vergangenheit waren Baseball und die Frauen-Variante Softball immer wieder Teil der Olympischen Spiele, zuletzt auch 2021 in Tokio. Für die Spiele im kommenden Jahr in Paris wurden Baseball und Softball allerdings aus dem Programm gestrichen, in Los Angeles 2028 wird der amerikanische Nationalsport wieder vertreten sein.
"Für uns ist die Rückkehr von Baseball-Softball ins Programm 2028 von enormer Bedeutung, da die Disziplinen als olympische Sportarten in der deutschen Öffentlichkeit deutlich aktiver wahrgenommen werden", sagt Philipp Würfel, der beim Deutschen Baseball und Softball Verband e.V. (DBV) für die Leitung des Spielbetriebs und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. "Vor allem die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber den Institutionen, ist als olympische Sportart in Deutschland eine komplett andere. Das hilft, den Sport weiterzuentwickeln."
Sportlich ist das große Ziel nun zunächst, sich mit den Frauen und den Männern für die Olympischen Spiele in Los Angeles zu qualifizieren, wie Würfel und DBV-Präsident Jürgen Elsishans übereinstimmend erklären. "Insgeheim haben wir gehofft, dass die Chancen ins Programm in Los Angeles – einer Baseball-Hochburg – zurückzukehren, schon recht hoch sind. Daher haben wir die Planungen strategisch bereits auf 2028 ausgerichtet. Der erste Schritt ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Wenn man dann dabei ist, möchte man natürlich auch eine Medaille gewinnen, wobei die Konkurrenz enorm stark sein wird", sagt Philipp Würfel.
Cricket
Cricket war bisher ein einziges Mal im Jahr 1900 in Paris olympisch, Gastgeber Frankreich traf damals im einzigen Spiel auf Großbritannien. Nun wird die vor allem in Indien und den Commonwealth-Staaten beliebte Ballsportart in Los Angeles ihr olympisches Comeback geben. Sehr zur Freude des Deutschen Cricket Bundes.
"Für den Cricket-Sport weltweit ist die Entscheidung des IOC für 2028 von enormer Bedeutung, da Cricket nach Fußball der bedeutendste Rasenmannschaftssport der Welt ist. Für den Cricket-Sport in Deutschland und den offiziellen Dachverband, den Deutschen Cricket Bund e.V. (DCB), bedeutet dies aber vor allem mehr Aufmerksamkeit für diese besondere Sportart in unserem Land. Wir erwarten einen deutlichen Entwicklungsschub im Breitensport, aber auch im Leistungssport und eine stärkere Wahrnehmung unseres Sports in der Öffentlichkeit", sagt DCB-Präsident Severin Weiß.
Die Vorteile der Rückkehr ins olympische Programm würden sich hoffentlich in der Aufnahme des DCB in den Deutschen Olympischen Sportbund e.V. (DOSB) und "der damit einhergehenden Verfestigung der regionalen und überregionalen Sportstrukturen in Deutschland niederschlagen", erklärt Weiß weiter. "Ebenso wird das Ziel des DCB die Teilnahme unserer Nationalmannschaften Damen und Herren an den Olympischen Spielen sein, was auch die Attraktivität für eine Laufbahn im Cricket-Sport erhöhen dürfte."
Die Qualifikation für die Spiele in Los Angeles mit den Damen und Herren habe "einen herausragenden Stellenwert" für den DCB, stellt Weiß klar. "Medaillen sind immer das große Ziel. Deshalb wird jede Chance genutzt", verspricht der Präsident des Deutschen Cricket Bundes.
Flagfootball
Flagfootball ist eine vereinfachte und körperlose Variante des American Football, der balltragende Spieler wird durch das Abziehen einer kleinen, am Körper getragenen Fahne gestoppt. Durch den Hype um Football und die amerikanische Profi-Liga NFL erlebte die Sportart auch in Deutschland in den letzten Jahren einen Aufschwung. Durch die Aufnahme ins olympische Programm dürfte sich dieser Aufschwung noch einmal verstärken.
"Der Bekanntheitsgrad der Sportart wächst. Das ist eine mediale Erreichbarkeit, die wir ohne die Olympischen Spiele nicht bekommen hätten", sagt Torsten Grom, der beim American Football Verband Deutschland (AFVD) Direktor für die Flagfootball-Nationalmannschaften ist. Weltweit ist Flagfootball eine der am schnellsten wachsenden Sportarten.
"Kinder und Erwachsene können beim Flagfootball den Sport kennenlernen und zum ersten Mal selbst probieren. Wir hatten in der ersten und zweiten Liga des Flagfootballs in den letzten Jahren immer ein Wachstum von 20 Prozent. Wir haben mittlerweile über 100 Mannschaften in Deutschland und werden nächstes Jahr auf drei Ligen erweitern", erzählt Grom.
Aus den Spielerinnen und Spielern dieser Ligen werden die Nationalmannschaften der Frauen und Männer zusammengestellt. "Für jeden Sportler sind die Olympischen Spiele das Größte, woran man teilnehmen kann", sagt Grom, der die Chancen der deutschen Nationalmannschaften noch schwer einschätzen kann. Denn noch steht nicht fest, wie viele Teams sich tatsächlich für die Spiele in Los Angeles qualifizieren können.
Allerdings waren die sportlichen Leistungen zuletzt sehr überzeugend. Die deutschen Flagfootballerinnen holten bei der Europameisterschaft in Irland in diesem Jahr die Bronzemedaille, die Nationalmannschaft der Männer wurde Europameister. "Dadurch haben wir sicherlich mit beiden Teams die Ambitionen und die Möglichkeit, bei den Olympischen Spielen 2028 dabei zu sein", sagt Torsten Grom.
Squash
Squash war bisher noch nie eine olympische Disziplin und verpasste die Aufnahme ins Programm der Spiele mehrfach knapp. Entsprechend groß ist nun die Freude. "Zunächst muss man sagen, dass Squash erst mal vorläufig olympisch ist. Trotzdem ist die Entscheidung ein Meilenstein in der Squashsportgeschichte und unsere Erleichterung ist riesengroß. Wir standen in der Vergangenheit mehrfach auf der sogenannten Shortlist und waren damit knapp vor dem Ziel und nun hat der Squashsport es geschafft", sagt Michael Gäde, der Präsident des Deutschen Squash Verbandes e.V (DSQV).
Als früherer deutscher Jugendnationalspieler verfolgte Gäde die Olympischen Spiele schon immer mit großem Interesse. "Nun als Präsident des Deutschen Squash Verbandes den Weg zu Olympia für unsere deutschen Athlet:innen mitgestalten zu dürfen, ist ein wunderbares Gefühl", erklärt Gäde, der sich natürlich ebenfalls einen Schub für Squash in Deutschland erhofft. "Die Aufnahme in das olympische Programm 2028 in Los Angeles verleiht unserem Sport momentan und in der Zukunft eine größere Aufmerksamkeit. Squash bekommt die Möglichkeit, sich einer noch breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren und sich so in der Gesellschaft noch bekannter zu machen", sagt der Verbandspräsident.
Speziell im Frauenbereich gebe es derzeit viele gute Spielerinnen und Talente, erzählt Gäde und nennt die dreifache Deutsche Einzelmeisterin Saskia Beinhard, Katerina Tycova und die erst 17-jährige Nationalspielerin Maya Weishar. Im Männerbereich sind aktuell der fünffache Deutsche Einzelmeister und Europameister von 2019 Raphael Kandra, der Deutsche Vize-Einzelmeister Yannik Omlor, Valentin Rapp und Jan Wipperfürth die besten Spieler.
"Wer letztlich in fünf Jahren dabei sein wird, muss sich erst noch zeigen, da auch das Austragungsformat des Wettkampfes erst später festgelegt wird und fünf Jahre ein langer Zeitraum sind, in dem viel passieren kann. Insgesamt bin ich der Auffassung, dass wir viele talentierte Spielerinnen und Spieler mit großem Potenzial haben, die mit unseren hervorragenden Bundestrainern eine sehr gute Trainingsbegleitung vorfinden. Das Erreichen von deutschen Medaillenplätzen schätze ich als schwer, aber nicht unmöglich ein", sagt Gäde.
Verwendete Quellen:
- Telefonische und schriftliche Anfragen an den DCB, DLaxV, AFVD, DBV
- Pressemitteilung des DSQV
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