- Slalom-Kanutin Ricarda Funk erlöst das deutsche Team in Tokio mit der ersten Goldmedaille.
- Im Finale wird ihr Traum, den sie im Vorfeld der Spiele äußerte, wahr.
- Sie hat bereits einen schweren Schicksalsschlag erlebt und macht den Hochwasseropfern in ihrer Heimat Mut.
Der Gold-Bann im deutschen Team ist gebrochen! Slalom-Kanutin Ricarda Funk triumphierte im olympischen Wasserkanal von Tokio im Kajak-Einer und holte damit die erste Goldmedaille für das deutsche Olympia-Team in Tokio. "Es ist unglaublich. Das hätte ich mir niemals erträumen können", sagte eine ungläubige Funk nach ihrem Gold-Coup bei der ARD.
Bereits nach ihrer finalen Fahrt durch die Wildwasserfluten hatte sie jubeln können, denn sie fuhr auf Platz 1 und da nach ihr nur noch zwei Rivalinnen am Start standen, war Funk eine Medaille sicher. Als dann Topfavoritin Jessica Fox (Australien) in ihrem Lauf patzte und nicht an die Bestzeit der 29 Jahre alten Deutschen herankam, brachen bei Funk alle Dämme. Tränen strömten ihr übers Gesicht, gemeinsam mit den Trainern sprang sie in den Wildwasserkanal, denn ihr größter Traum hatte sich soeben erfüllt.
"Ich träume davon, bei den Olympischen Spielen an der Startlinie zu sitzen und dann DEN Lauf zu haben", sagte Funk im Vorfeld der Wettkämpfe. In den Vorläufen untermauerte sie ihre Ambitionen mit Rang zwei, bevor im Halbfinale etwas Nervosität aufkam. Trotz zweier Stangenberührungen und den daraus resultierenden vier Strafsekunden zog sie als Dritte letztlich souverän ins Finale ein.
Dort wirkte Funk komplett fokussiert und ließ sich nicht einmal von zwischenzeitlichen Problemen an einer Welle aus der Bahn werfen. Ohne Strafsekunde setzte sie die vorläufige Bestzeit, an der sich die beiden verbliebenen Konkurrentinnen die Zähne ausbeißen sollten. Es war DER Lauf.
Funks Trainer verunglückt tödlich in Rio
Für Funk waren es die ersten Olympischen Spiele ihrer Karriere - für Rio 2016 konnte sie sich nicht qualifizieren, obwohl sie als Topfavoritin gegolten hatte. Im selben Jahr gewann sie den Gesamtweltcup. Bei Weltmeisterschaften reichte es im Einzel maximal zu Rang zwei.
2016 erlebte sie zudem einen harten Schicksalsschlag: Stefan Henze, ehemaliger Nationaltrainer der Slalom-Kanutinnen, starb in Rio bei einem Autounfall. Als Funk den ersten Weltcup nach Olympia 2016 gewann, widmete sie diesen Erfolg dem tödlich verunglückten Henze.
Nach ihrem Gold-Coup von Tokio galten ihre Gedanken ebenfalls ihrem verstorbenen Trainer. "Der ist ganz tief im Herzen und er ist überall mitgefahren, auf der ganzen Reise, bei jedem Wettkampf und bei jedem Training", sagte Funk mit Tränen erdrückter Stimme. "Und er gibt mir immer noch Tipps."
"Nie wieder": Letzte beim ersten Wettkampf
Die aus dem vom Hochwasser stark betroffenen Kreis Ahrweiler stammende Funk konnte sich aber wieder hochziehen und sicherte sich das Ticket für Olympia in Tokio, das aufgrund der Corona-Pandemie aber um ein Jahr verschoben werden mussten.
"Ich habe mir sehr lange sehr viele Sorgen gemacht, ob das Ganze hier stattfinden wird. Ich habe mich nicht vier - in dem Fall fünf - Jahre darauf vorbereitet, sondern ein ganzes Sportlerleben lang", meinte Funk.
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Bereits im Alter von fünf oder sechs Jahren saß sie mit ihrem Vater Thorsten erstmals im Boot. "Ich kann mich daran erinnern, dass wir auf dem Rhein gefahren sind. Wir sagten: die Wellen von den Schiffen sind wie Kindergeburtstag, wir wollen da ein bissel mehr erleben." Und doch wollte sie sich zunächst Reiten und Tanzen widmen.
Beim ersten Kanuslalom-Wettkampf wurde sie Letzte. "Danach habe ich mir gesagt: Nie wieder." Trotz dieses Frusterlebnisses entschied sich Funk mit 14 Jahren komplett für das Kanu und gab das Tanzen in der Karnevalsgruppe auf.
Funk spricht Hochwasser-Opfern in ihrer Heimat Mut zu
Mit 53 Kilogramm Körpergewicht verkörpert sie aber auch in den Wildwasserfluten eine gewisse Leichtigkeit, hat aber dennoch enorme Kräfte am Paddel, um den Wellen zu trotzen. "Es ist natürlich cool, wenn man so ein Kraft-Last-Verhältnis hat. Das ist bei dieser Sportart auch ein Vorteil. Manchmal macht es einfach Spaß, wenn man ein paar Leute ärgern kann", sagte Funk einst.
Außerhalb des Kanus erfreut sie sich vor allem an den Romanen von Zauberlehrling Harry Potter ("Ich warte immer noch auf meinen Brief, der noch nicht angekommen ist, dass ich endlich nach Hogwarts gehen darf.") und dem Wandern in den Bergen. Ein Strandurlaub am Meer sei ihr zu langweilig, erklärte Funk.
Unmittelbar vor den Olympischen Spielen musste sie aber aus der Ferne mit ansehen, wie ihre Heimat von der schrecklichen Hochwasser-Katastrophe getroffen wurde. Funk, die inzwischen in Augsburg lebt und trainiert, sprach ihrer Heimat nach dem Olympiasieg Mut zu. "Der Kreis Ahrweiler ist stark, die Menschen sind stark", sagte sie. Es sei schlimm, was durch das Hochwasser passiert sei, sie fühle mit den Opfern, Freunden und Familie. "Gemeinsam schaffen wir das", sagte die Goldmedaillen-Gewinnerin kämpferisch.
So hat Funks Olympiasieg wohl auch eine Signalwirkung für die von der Naturkatastrophe betroffenen Menschen in der Tausende von Kilometern entfernten Heimat.
Verwendete Quellen:
- TV-Übertragung Slalomkanu ARD
- DPA-Meldung: Erstes Gold für Deutschland: Funk siegt im Kanuslalom
- FAZ.net: Funk widmet Sieg Stefan Henze
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