Sollte sich auch Deutschland für die Austragung Olympischer Spiele bewerben? Ja, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Philip Krämer. Aber nur, wenn auch der Breitensport davon profitieren würde.

Ein Interview

Gerade brennt das Olympische Feuer in Paris. Wenn es nach der Bundesregierung geht, soll es irgendwann auch wieder in Deutschland brennen. Der Bund würde eine Bewerbung zum Beispiel für die Spiele 2040 zumindest unterstützen.

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Aber ist Deutschland reif für Olympia? Und wenn ja: Wie könnte das Spektakel aussehen, damit das ganze Land davon profitiert? Fragen an den Grünen-Abgeordneten Philip Krämer, stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag.

Herr Krämer, die Welt blickt gerade auf die Olympischen Spiele in Paris. Wird sie eines Tages auch auf Olympische Spiele in Deutschland blicken?

Grünen-Politiker Philip Krämer. © Stefan Kaminski

Philip Krämer: Ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen, wenn wir Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland hätten. Das wäre eine große Chance für den deutschen Sport. Schon die European Championships 2022 und die Fußball-Euromeisterschaft haben gezeigt, dass das ganze Land von solchen Veranstaltungen profitieren kann – und dass sie Menschen motivieren, selbst Sport zu betreiben. Eine reine Spitzensport-Veranstaltung würde aber nicht funktionieren. Auch der Breitensport müsste von einer Olympia-Bewerbung profitieren.

Und wie?

Zu den Olympischen Spiele 1972 in München gab es mit dem Goldenen Plan ein gutes Begleitprogramm: Die gesamte Sportstätteninfrastruktur wurde auf Vordermann gebracht, das Ehrenamt und die Sportvereine wurden unterstützt. So einen ganzheitlichen Ansatz bräuchte es auch für eine neue Bewerbung. So ließe sich auch die Akzeptanz für Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland erhöhen.

"Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass Olympische und Paralympische Spiele ihnen einen Vorteil bringen – und nicht nur dem IOC Geld in die Kasse spülen."

Philip Krämer, stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses

Die ist bisher offenbar gering. In München und Hamburg sind Olympia-Bewerbungen an negativen Volksentscheiden gescheitert.

Deswegen wäre ein Dialog mit der Bevölkerung zentral. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass Olympische und Paralympische Spiele ihnen einen Vorteil bringen – und nicht nur dem Internationalen Olympischen Komitee Geld in die Kasse spülen. Spiele in Deutschland müssten klimaneutral sein, wir müssten uns Gedanken über Transportwege und die Nutzung der Sportstätten machen. Dann können die Spiele ein Anlass für die ganze Bevölkerung sein, sich unterzuhaken und gemeinsam die Modernisierung des Landes voranzutreiben.

Allerdings holt man sich damit auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) ins Land, das wegen der Kommerzialisierung der Spiele oder dem laxen Kampf gegen Doping schon lange in der Kritik steht.

Deswegen darf nicht der Eindruck entstehen, dass es sich um eine reine Veranstaltung des IOC handelt. Schon bei der Fußball-Europameisterschaft blieb unklar, wie viele Steuern die Uefa in Deutschland bezahlt hat. Wir brauchen da mehr Transparenz. Gewisse Steuererleichterungen sind sicherlich akzeptabel, eine komplette Steuerbefreiung aber nicht. Es darf nicht so sein, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Ausrichterland die Spiele bezahlen und die Verbände die Einnahmen einstreichen.

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Auch wenn sie erst seit ein paar Tagen laufen: Welche Lehren lassen sich aus den Spielen in Paris ziehen?

Wir können uns dort die Begeisterung abschauen. Die Eröffnungsfeier war der absolute Wahnsinn. Paris zeigt, dass es eine sehr gute Idee sein kann, die Olympischen Spiele nach Deutschland zu holen. Wir müssen uns jetzt überlegen, wie man die Begeisterung auch in Deutschland entfachen kann – damit wir in 16 oder 20 Jahren diese Erfahrung auch machen können.

Was müsste auf dem Weg dorthin passieren?

Wir haben im Breitensport einen unglaublich großen Sanierungsbedarf. Das ist eigentlich eine Aufgabe der Länder, aber man kann da durchaus über eine Bund-Länder-Kooperation nachdenken. Auch der Nah- und Fernverkehr sind noch nicht für so große Turniere ausgelegt. Das haben wir gerade bei der Fußball-Europameisterschaft gesehen. Ich denke, dass wir uns auch die Förderung des Spitzensports noch einmal genauer anschauen müssen.

Inwiefern?

Andere Länder wie die USA haben eine ganz andere Systematik: Die Athletinnen und Athleten haben dort mehr Möglichkeiten, ihren Sport auszuüben und davon zu leben. In Deutschland gibt es die duale Karriere bei der Bundeswehr oder der Landes- und Bundespolizei. Das passiert im Vergleich mit anderen Ländern aber noch in einem sehr überschaubaren Rahmen.

Im Medaillenspiegel ist Deutschland bei den vergangenen Olympischen Spielen hinter immer mehr Länder zurückgefallen – etwa hinter Großbritannien, Frankreich, Japan und den Niederlanden. Was ist da schiefgelaufen?

In diesen Ländern gibt es zum Teil eine stärkere Spezialisierung, die Spitzensportförderung fokussiert sich auf bestimmte Sportarten. Diesen Schritt sind wir noch nicht gegangen. Deutschland hat sich für das Potenzialanalyse-System entschieden. Damit hat im Grunde jede Sportart die Möglichkeit, mehr Geld zu bekommen. Wir müssen uns fragen, ob auch wir die Förderung stärker auf bestimmte Sportarten fokussieren. Und wie erwähnt brauchen wir mehr Investitionen in die Sportstätten. Das ist nicht einfach in Zeiten angespannter Haushalte. Aber ich werbe dafür, dass wir mehr Geld für den Sport ausgeben. Am Ende profitieren davon auch das soziale Miteinander, die Inklusion, die Integration und damit die ganze Bevölkerung.

Über den Gesprächspartner

  • Philip Krämer wurde 1992 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte Philosophie und Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt und arbeitete als Geschäftsführer in einem Kulturbetrieb. 2021 wurde er für Bündnis 90/Die Grünen in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort ist er unter anderem Mitglied im Verteidigungsausschuss und stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses.
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