Er war ein Großmaul. Schon vier Jahre zuvor hatte er sechs Goldmedaillen angekündigt und dann nur zwei mit der Mannschaft geholt. Dieses Mal, bei den Olympischen Spielen 1972 in München, wieder das Gleiche: Sechs Goldmedaillen versprach er.

Mehr News zum Thema Sport

Am 28. August 1972 stand Mark Spitz mit seiner legendären Stars-and-Stripes-Badehose und seinem ebenso legendären Schnauzer im Gesicht auf dem Startblock in der Münchner Olympia-Schwimmhalle. Sein erstes Finale - über 200 Meter Schmetterling - stand an. Die Welt schaute gebannt auf den US-Amerikaner. Konnte er dieses Mal seine großen Ankündigungen wahr werden lassen? Zwei Minuten später war klar: Spitz konnte. In 2:00,70 Minuten war er einen Weltrekord geschwommen und hatte den Zweitplatzierten Gary Hall um zwei Sekunden abgehängt - eine Ewigkeit auf die Distanz. Schon nach dieser ersten Goldmedaille war klar, dass Spitz der Rolle des Großmauls entwachsen war. Er nahm nun die Rolle des Superstars ein.

Spitz holte bei den Olympischen Spielen in München am Ende nicht nur die von ihm angekündigten sechs Goldmedaillen, sondern sieben. Hinzu kam, dass er sich jede einzelne in Weltrekordzeit erschwamm. Spitz war gerade einmal 22 Jahre alt, als er Sportgeschichte schrieb. Der Erfolg hatte sich allerdings angekündigt.

"Stürzte sich ins Meer, als wollte er Selbstmord begehen"

Schon als kleines Kind war Mark Spitz dem Wasser verfallen. Seine Eltern zogen nach Hawaii, als er zwei Jahre alt war. Vor der hawaiianischen Küste ist das Meer rau, es ist berühmt-berüchtigt für seine hohen Wellen und gefährlichen Strömungen. Dem kleinen Mark war dies egal. Fast jeden Tag stürzte er sich in die Wellen und schwamm.

"Der Junge hat sich immer ins Meer gestürzt, als wollte er Selbstmord begehen", beschrieb seine Mutter Leonore die frühe Obsession von Mark in einem Interview mit dem US-amerikanischen Wochenmagazin "Time". Noch vor seinem zehnten Lebensjahr hielt Spitz 17 nationale Rekorde und einen Weltrekord in seiner Altersklasse. Als er bei den jüdischen Sportfestspielen 1965 in Tel Aviv mit gerade einmal 15 Jahren vier Goldmedaillen gewann, war klar, dass es sich bei Spitz um ein Schwimmwunder handelte.

Die Faszination bei Spitz ging dabei über das Sportliche hinaus. Er war nach Johnny Weissmüller der erste Popstar im Schwimmen. Er sah gut aus und seinetwegen interessierten sich plötzlich auch viele Frauen für das Schwimmen. Die Aufnahme, die Spitz in seiner Badehose und den sieben Goldmedaillen um den Hals zeigt, zählt bis heute zu den meistverkauften Sportbildern. Spitz war der erste Pin-up-Man des Sports.

Zu seinem Markenzeichen zählte dabei sein Schnauzer. Dazu gibt es eine hübsche Anekdote, die Spitz dem Sender BBC vor ein paar Jahren erzählte. Demnach war er von einem russischen Journalisten gefragt worden, warum er den Schnauzer trage. Er habe - im Spaß - geantwortet, dass dieser verhindere, dass Wasser in seinen Mund gelange und er dadurch schneller sei. Ein Jahr später, so Spitz, hätten fast alle russischen Schwimmer einen Schnauzbart getragen.

Vorreiter in Eigenvermarktung

Spitz war sich seiner Wirkung bewusst und erkannte, was für kommerzielle Möglichkeiten sich daraus ergaben. Im Jahr 1972 war die Vermarktung des Sports im Vergleich zu heute geradezu lächerlich rückständig. Umso bemerkenswerter ist daher, wie Spitz sich im Alter von 22 Jahren in Eigenregie als Werbefigur etablierte und Millionen Dollar verdiente, während andere Spitzensportler sich noch mit den geringen Antritts- und Preisgeldern begnügten.

Dieses Gespür für die eigene Vermarktung bewog Spitz sogar zur Beendigung seiner Sportlerkarriere nach den Olympischen Spielen in München. Spitz war sich sicher, dass er den Höhepunkt erreicht hatte. Nun ging es für ihn nur noch darum, Kapital aus seinem Welterfolg von München zu schlagen. Für viele war sein Rücktritt damals ein Schock - auch für jene, die sich sonst nicht besonders fürs Schwimmen interessierten.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.