Die DFB-Frauen treffen bei den Olympischen Spielen in Paris in Gruppe B auf die USA, Australien und Sambia oder Marokko. Was ist von den Gegnern zu erwarten – und wie stehen die Chancen, dass sich Deutschland durchsetzt und weiterkommt?
USA: Eine Supermacht im Umbruch
Dass Deutschland bei Olympia auf die USA treffen würde, war bereits vor der Auslosung klar. Da die DFB-Frauen in der Gruppenphase nicht auf Nationen vom eigenen Kontinentalverband treffen dürfen, gab es keine andere Möglichkeit. Im Topf der USA waren nämlich die beiden anderen europäischen Teams Frankreich und Spanien.
Einst waren die USA und Deutschland das Maß aller Dinge im Fußball der Frauen. Doch beide eint, dass sie im Weltfußball abgerutscht sind. Die Deutschen etwas mehr als die Amerikanerinnen. Dennoch ging es spätestens nach dem WM-Titel 2019 auch für die USA eher bergab. Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr war nach einer durchwachsenen Gruppenphase im Achtelfinale gegen Schweden Schluss.
Gesichter des Teams wie Megan Rapinoe oder auch Julie Ertz hatten ihren Rücktritt verkündet, Stars wie Alex Morgan (34), Lynn Williams (30) oder Crystal Dunn (31) befinden sich bereits in den letzten Zügen ihrer Karriere. Hinzu kommt ein spektakulärer Wechsel auf der Trainerbank.
Zwei Monate vor Olympia wird Emma Hayes den Job als Nationaltrainerin übernehmen. Nach zwölf sehr erfolgreichen Jahren beim FC Chelsea startet die 47-Jährige damit ein neues Kapitel. Die Zeichen stehen also auf Umbruch. Talent, das steht außer Frage, steckt in diesem Kader. Doch gerade zu Beginn der Amtszeit von Hayes kann es noch zu Ungereimtheiten kommen.
Deutschland mag selbst nicht sonderlich eingespielt sein, doch genau darin liegt die Chance im direkten Duell. Und im Vergleich zu Frankreich und Spanien sind die USA aus Topf 1 vielleicht noch der Gegner, gegen den den DFB-Frauen am ehesten ein Sieg zuzutrauen ist.
Wo die Vereinigten Staaten tatsächlich stehen, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Zuletzt konnte man den Gold Cup gewinnen und auf dem Weg mit Kolumbien (3:0), Kanada (5:3 n. E.) und Brasilien (1:0) schlagen. Gegen einen Gegner aus dem obersten Segment hat man allerdings schon etwas länger nicht mehr gespielt.
Australien: Der unangenehmste Gegner?
Bei der Heim-WM 2023 waren die "Matildas" eine der großen Geschichten des Turniers. Das Wort Überraschung wäre dabei wohl eine Übertreibung. Schließlich hat der Kader mit Caitlin Foord (29), Ellie Carpenter (23), Mary Fowler (21), Steph Catley (30) und einigen mehr richtig Qualität in den eigenen Reihen. Alles Spielerinnen, die in der Women's Super League in England oder wie Carpenter bei Olympique Lyon spielen.
Und dann wäre da eigentlich noch Sam Kerr, der Superstar des Teams. Doch die 30-Jährige erlitt im Januar einen Kreuzbandriss und wird das olympische Turnier damit verpassen. Ein herber Rückschlag für Australien, das trotz hoher Qualität im Team bei der WM eine gewisse Abhängigkeit von der Top-Stürmerin offenbarte.
Trotzdem: Australien ist eingespielt. Tony Gustavsson ist seit September 2020 Trainer und hat es geschafft, dem Team eine disziplinierte Spielweise gegen den Ball zu vermitteln. Deutschland kann sich darauf einstellen, dass der Gegner versuchen wird, eher durch Pressing und offensive Umschaltsituationen zum Torerfolg zu kommen.
Eine Spielweise, die dem Team von Horst Hrubesch nicht unbedingt liegt. Aus eigenem Ballbesitz heraus tun sich die Deutschen schwer. Auch die sehr körperliche und aggressive Spielweise der Australierinnen könnte sie zum unangenehmsten Gegner der Gruppe machen.
Hoffnung hingegen machen die wechselhaften Resultate gegen stärkere Nationen. Bei der WM setzte es recht deutliche Niederlagen gegen England (1:3) und Schweden (0:2), wenngleich die Spielverläufe deutlich enger waren. Im Dezember verloren die Australierinnen zweimal gegen Kanada – einmal mit 0:1 und einmal sehr klar mit 0:5. Auf der anderen Seite stehen Achtungserfolge gegen Frankreich (bei der WM und in einem Testspiel davor) sowie England (Testspielsieg vor der WM).
Auch Australien ist also schwer einzuschätzen. Doch anders als bei den USA ist hier relativ klar, was das DFB-Team erwartet. Das macht die Vorbereitung etwas einfacher.
Sambia oder Marokko: Große Stolpergefahr
Der dritte Gegner in Gruppe B steht noch nicht fest. Sambia und Marokko werden im April ausspielen, wer es zum olympischen Turnier und damit direkt in die deutsche Gruppe schaffen wird. Beide wären klare Außenseiter in der Gruppe.
Gegen Marokko spielte das deutsche Team bei der WM 2023 in der Gruppenphase, gewann das Auftaktspiel damals mit 6:0. Dennoch zogen die Afrikanerinnen dank zwei 1:0-Siegen gegen Südkorea und Kolumbien ins Achtelfinale ein – und Deutschland schied aus. In der Runde der letzten 16 setze es abermals eine hohe Niederlage. Frankreich gewann damals mit 4:0.
Abgesehen vom Einzug ins Achtelfinale sind zwei torlose Remis gegen Italien und die Schweiz vor der WM die größten Achtungserfolge Marokkos. Im September setze es zwei Niederlagen gegen Kontrahent Sambia (2:6 und 0:2). Ein Vorzeichen?
Gegen Sambia hat Deutschland ebenfalls Erfahrungen gemacht – keine angenehmen. Vor der Weltmeisterschaft verlor das DFB-Team ein Testspiel mit 2:3. Herausragend damals: Barbra Banda. Die 24-Jährige traf doppelt und stellte die deutsche Defensive auch darüber hinaus vor große Probleme. Aktuell spielt die Angreiferin bei Orlando Pride in den USA.
Star des Teams ist allerdings Racheal Kundananji. Die 23-Jährige gilt als eines der größten Talente des afrikanischen Fußballs. In der spanischen Primera Division erzielte sie für Madrid CFF acht Tore und zwei Vorlagen in 14 Partien. Im Winter wechselte Kundananji für eine Rekordablösesumme von 805.000 Euro zum Bay FC in die USA.
Sambia wäre wegen der stark besetzten Offensive und einer schwer zu bespielenden, weil sehr tief stehenden Defensive wohl der unangenehmere Gegner im Vergleich zu Marokko. Sie sind aber auch recht klarer Favorit im Duell um den Platz in der deutschen Gruppe.
Ausblick: Wie würde es für Deutschland im Viertelfinale weitergehen?
Die Chancen, mindestens das Viertelfinale zu erreichen, stehen für Deutschland recht gut. Einerseits zeigt der Trend in den vergangenen Wochen und Monaten nach oben, andererseits sollte es bei den ausgelosten Gegnern machbar sein, mindestens einer der zwei besten Drittplatzierten zu sein. Insgesamt scheiden von zwölf Teams nur vier in der Gruppenphase aus.
Gewinnen die DFB-Frauen ihre Gruppe, treffen sie im Viertelfinale auf das zweitplatzierte Team aus Gruppe C – Spanien, Japan, Brasilien oder ein aus Afrika qualifiziertes Team (Nigeria oder Südafrika). Frankreich, Kolumbien, Kanada oder Neuseeland wäre der Gegner, wenn Deutschland Zweiter wird. Denn dann geht es gegen den Zweiten aus Gruppe A.
Belegen sie den dritten Platz, spielen sie gegen einen der Gruppensieger aus A oder C. Insofern sollte das deutsche Team ein großes Interesse daran haben, nicht über den dritten Platz ins Viertelfinale einzuziehen. Die Wahrscheinlichkeit, einen tendenziell machbaren Gegner im ersten Spiel der K.-o.-Phase zu bekommen, ist bei einem Gruppensieg oder zumindest dem zweiten Platz eher gegeben.
Klar ist jedoch auch, dass das DFB-Team in den kommenden Monaten auf sich schauen und an den Problemen arbeiten muss, die sich in den vergangenen Monaten immer wieder gezeigt haben. Mit Blick auf Australien und Sambia oder Marokko wird es notwendig sein, das Ballbesitzspiel weiterzuentwickeln. Sonst droht eine Wiederholung dessen, was man bei der WM 2023 erlebt hat.
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