Marie Reichert hat mit den deutschen 3x3-Basketballerinnen bei den Olympischen Spielen in Paris sensationell die Goldmedaille gewonnen, die erste olympische Medaille für den deutschen Basketball überhaupt. Im Interview mit unserer Redaktion spricht die 23-Jährige über ihre Erfahrungen aus Paris, Edelfan Dirk Nowitzki und ihre Hoffnung für die Zukunft.

Ein Interview

Frau Reichert, das Wichtigste zuerst: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Goldmedaille im 3x3-Basketball. Mittlerweile sind einige Tage seit dem Olympiasieg vergangen. Haben Sie das ganze inzwischen verarbeiten können? Wie geht es Ihnen?

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Es ist irgendwie alles immer noch etwas unglaublich und surreal. Was in den vergangenen Tagen für ein Ansturm von den Medien kam und dann noch die ganzen Glückwünsche, das ist echt überwältigend, aber natürlich auch sehr schön.

Ich bin seit Freitag wieder in der Heimat in Kassel und konnte das erste Mal ein bisschen runterkommen, Zeit mit der Familie verbringen, was sehr schön war. Wieder ein bisschen aus dem Trubel heraus zu sein. Aber so richtig realisiert hat man immer noch nicht, was da eigentlich seit vergangener Woche passiert ist. Alles ist noch wie in einem Traum.

"Ich glaube, keiner von uns hat damit gerechnet, dass es Gold wird."

Marie Reichert

Es ist die erste olympische Medaille überhaupt für den deutschen Basketball. Haben Sie damit gerechnet, dass es in Paris so weit gehen könnte?

Ich glaube, keiner von uns hat damit gerechnet, dass es Gold wird. Wir hatten natürlich so ein bisschen die Hoffnung, vielleicht um eine Medaille mitspielen zu können. Aber um ehrlich zu sein, war schon die Qualifikation zu den Olympischen Spielen für uns so ein Riesenerfolg und das war ja schon so ein knappes Ding.

Deswegen haben wir vor dem Turnier gesagt, dass wir es genießen und alles mitnehmen wollen. Wir wollten von Spiel zu Spiel schauen und probieren, ein paar Teams zu ärgern. Aber dass wir uns dann so in einen Rausch spielen und so dominieren und dabei die Vorrunde als Erste beenden, damit hat niemand gerechnet.

Im Gespräch, das Sie kurz vor Start der Olympischen Spiele mit uns geführt haben, meinten Sie, dass Sie sich besonders darauf freuen, im Olympischen Dorf zu leben, die Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt zu sehen und Team Deutschland zu repräsentieren. Würden Sie nun sagen, dass sich Ihre Erwartungen erfüllt haben?

Die Erwartungen wurden auf jeden Fall erfüllt. Wir sind schon eine Woche vor unserem Wettbewerb angereist und waren dann im Olympischen Dorf, haben dort trainiert und uns vorbereitet. Die ganze Atmosphäre dort war sehr cool. Da mittendrin zwischen solchen Mega-Athleten zu sein. Wir haben in der Kantine mal Simone Biles (amerikanische Turnerin und dreifache Goldmedaillen-Gewinnerin in Paris, Anm.d.Red.) getroffen oder eine Coco Gauff (amerikanische Tennisspielerin, Anm.d.Red.). Und die haben einfach neben uns gegessen. Das ist schon toll. Manche Sachen sind einfach so surreal. Das sind die Leute, die man nur aus dem Fernsehen kennt und jetzt ist man irgendwie selbst eine davon.

Die ganze Atmosphäre war super, es war ein sehr freundliches Umfeld, auch das Team Deutschland im Deutschen Haus mit den ganzen anderen Athleten. Die haben uns unterstützt und unsere Spiele verfolgt. Ich glaube, wir haben innerhalb vom Team Deutschland viele neue Fans dazu gewonnen und die meinten alle, 3x3 Basketball sei großartig.

Auch die Eröffnungsfeier, bei der wir mit den anderen deutschen Athleten zusammen über die Seine gefahren sind, war unvergesslich.

Reichert schwärmt von der Kulisse am Place de la Concorde

Ihre Matches wurden am Place de la Concorde in einem extra errichteten Stadion ausgetragen. Haben Sie die außergewöhnliche Stimmung auf dem Court auch mitbekommen? Wie haben Sie das empfunden?

Das hat man auf jeden Fall mitbekommen. Was ich schön fand, war, dass jedes Spiel gefühlt ausverkauft war und dass so eine gute Stimmung war. Egal, ob wir um 9 Uhr morgens oder um 21 Uhr abends gespielt haben, die Fans waren da. Es wurden von Tag zu Tag gefühlt mehr deutsche Fans, die angereist sind. Wir hatten auch Familie und Freunde, die spontan gekommen sind. Alle wussten, wie gut es läuft und das pusht einen dann natürlich zusätzlich. Die Kulisse, ich glaube, es waren teilweise 6.000 oder 7.000 Leute vor Ort, war überragend.

Vor allem das Spiel gegen Frankreich, das wir hatten. Es war eine Megastimmung, auch wenn die Zuschauer gegen uns waren und wir ein paar Buhrufe bekommen haben. Es war fantastisch, vor so einer Kulisse zu spielen.

"Ich fand es eine große Ehre und super, vor seinen Augen zu spielen."

Marie Reichert über Edelfan Dirk Nowitzki

Am Tag, an dem Sie im Halbfinale und dann im Finale im Einsatz waren, war auch die deutsche Basketball-Legende Dirk Nowitzki da, um Sie und ihr Team anzufeuern. Gibt einem sowas nochmal eine Extramotivation oder macht es eher nervös?

Mich hat es extrem gepusht. Wir hatten vorher schon gehofft, dass er vielleicht vorbeikommen würde. Wir haben es dann aber erst beim Halbfinalspiel gesehen, dass er da direkt am Court saß. Ich fand es eine große Ehre und super, vor seinen Augen zu spielen und dass er uns so unterstützt hat. Wir hatten alle den Eindruck, dass er es auch super fand. Er war den ganzen Tag da, auch bei der Siegerehrung dann, und wir konnten Fotos mit ihm machen.

Svenja Brunckhorst, Marie Reichert, Dirk Nowitzki, Sonja Greinacher und Elisa Mevius (v.l.n.r.) posieren mit der Goldmedaille © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Memmler

Die Begeisterung in Deutschland hinsichtlich des 3x3-Basketballs ist wegen Ihres Erfolgs natürlich sehr groß gewesen. Machen Sie sich Hoffnungen, dass der Sport in Deutschland nun mehr in den Fokus rückt und wachsen kann?

Natürlich hoffe ich, dass der Erfolg und diese Aufmerksamkeit ein bisschen bleiben. Jetzt gerade gibt es so einen kleinen Boom und sehr viel Aufmerksamkeit. Ich hoffe, dass es einfach etwas auslöst. Ich finde generell, dass es im deutschen Basketball spätestens seit vergangenem Jahr einen kleinen Boom gibt. Mit den Männern, die vergangenes Jahr Weltmeister geworden sind und mit den Damen, die sich jetzt ebenfalls für Olympia qualifiziert hatten und eine überragende Vorrunde gespielt haben. Ich finde, der Basketball kriegt mehr Aufmerksamkeit auch in Deutschland. Ich hoffe, dass viele junge Leute motiviert werden und vielleicht die Vereine mehr Zulauf bekommen.

Das Feedback, was ich jetzt bekommen habe, vor allem von Leuten, die vorher gar nichts mit dem Sport zu tun hatten, vor allem mit 3x3-Basketball, ist sehr positiv. 3x3 kannte ja fast niemand (lacht). Viele Leute wurden jetzt davon gefesselt und ich glaube, dass unsere Liebe für den Sport, die wir repräsentieren, ein bisschen abgefärbt hat. Wir hoffen, dass wir viele begeistern konnten.

3x3-Basketball:

  • Als Abwandlung vom klassischen Basketball ist die Variante 3x3 seit den Spielen 2021 in Tokio olympisch. Die Sportart ist an das Spiel auf der Straße angelehnt: Statt fünf Spielerinnen sind es nur drei, statt auf zwei Körbe wird nur auf einen gespielt. Zudem werden Körbe mit je einem Punkt weniger belohnt. Wer 21 Punkte holt, hat das Spiel vor Ablauf der zehn Minuten Spielzeit gewonnen. Bei den Spielen 2024 fanden die 3x3-Wettbewerbe mitten in Paris auf dem Place de la Concorde statt - anders als beim klassischen Basketball nicht in der Halle, sondern im Freien.

Fährt Reichert weiter zweigleisig?

Vor dem großen Erfolg in Paris meinten Sie, Sie seien noch nicht bereit, sich von einer der Sportarten 3x3-Basketball oder dem klassischen 5-gegen-5-Basketball zu trennen. Ändert der Erfolg nun möglicherweise etwas daran?

Jetzt gerade ist 3x3 natürlich sehr präsent. Ich würde momentan aber schon noch sagen, dass ich erstmal beides mache. 3x3 ist noch nicht so weit wie der 5-gegen-5-Basketball, es gibt noch keine professionelle Liga zum Beispiel. Es ist im Vergleich immer noch ein bisschen in der Start-up-Phase. Ich denke aber, dass sich die Sportart durch den Olympia-Boom in den nächsten Jahren weiterentwickeln kann und dass es bald mehr Möglichkeiten gibt, 3x3-Basketball das gesamte Jahr über professionell auszuüben.

Wie schwierig war es für Sie, beim 5-gegen-5-Basketball nicht eingreifen zu können? Mit dem Einzug ins Viertelfinale haben Ihre Kolleginnen auch für eine positive Überraschung gesorgt. Hatten Sie das Gefühl, etwas zu verpassen?

Ein Gefühl, etwas zu verpassen, hatte ich nicht. Wir haben uns gegenseitig unterstützt. Die haben unsere Spiele verfolgt und wir die von ihnen. Wir waren im Austausch, man kennt sich ja gut. Wir haben uns gegenseitig alle füreinander gefreut, dass es so gut läuft. Es war also alles gut und harmonisch.

Dirk Nowitzki, Svenja Brunckhorst, Sonja Greinacher und Marie Reichert verfolgten gemeinsam das Viertelfinale der deutschen Basketballerinnen gegen Frankreich, in dem sich die Gastgeberinnen am Ende aber durchsetzten. © IMAGO/camera4+/IMAGO/Tilo Wiedensohler

Wie ordnen Sie die Leistung des Teams ein?

Ich glaube, sie waren das absolute Überraschungsteam. Sie waren immerhin in der sogenannten Horrorgruppe mit Belgien als Europameister, mit Japan und den USA natürlich. Da waren alle sehr skeptisch, ob das Team überhaupt die Gruppe übersteht. Aber dann kam dieses großartige Spiel gegen Belgien. Die da so platt zu machen, war ja echt ein Statement. Dann gegen die Japanerinnen auch. Gegen die USA war von Vornherein klar, dass es ein schwieriges Spiel wird. So souverän als Zweiter aus der Gruppe zu gehen, war ein Riesenerfolg, dafür, dass die Mädels als erstes deutsches Frauen-Team bei Olympia waren. Im Viertelfinale haben dann die Französinnen sehr stark gespielt, aber trotz allem können die Deutschen stolz sein und wir sind alle sehr stolz auf die Leistung von ihnen.

Wie geht es für Sie persönlich nach dem Triumph jetzt weiter? Wie sehen die die nächsten Wochen und Monate aus?

Viel ist jetzt gerade noch nicht geplant (lacht). Ich schaue aktuell ein bisschen von Tag zu Tag und versuche das erstmal alles zu genießen. Das Einzige, was feststeht, ist, dass es Ende August für mich nach Italien zu meinem neuen Verein Faenza geht. Also im 5-gegen-5-Basketball. Und dann steht noch Mitte September die U23-Weltmeisterschaft im 3x3 an.

Vielen Dank für das Gespräch und nochmals herzlichen Glückwunsch!

Zur Person

  • Marie Reichert ist 2001 in Kassel geboren und gehört zusammen mit Sonja Greinacher, Svenja Brunckhorst und Elisa Mevius zum 3x3-Basketball-Kader, der bei den Olympischen Spielen in Paris die erste Goldmedaille überhaupt für den deutschen Basketball holte.

Verwendete Quelle

  • Telefoninterview mit Marie Reichert
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