Elena Lilik gewinnt im Canadier-Einer Silber und holt die ersehnte erste Medaille für die deutschen Slalomkanuten.
Als die ersten Freudentränen getrocknet waren, brauchte Elena Lilik einen kurzen Moment. Abseits des Trubels am Wildwasserkanal von Vaires-sur-Marne starrte die Slalomkanutin ungläubig auf ihre Silbermedaille und schüttelte mit dem Kopf, dann fiel sie völlig überwältigt ihrem Mann Leon in die Arme.
"Es ist verrückt", sagte Lilik, die sich bei ihrem Olympia-Debüt direkt ihre erste Medaille schnappte: "Es hat mich komplett überrascht und überwältigt, auch schockiert irgendwo. Der Lauf an sich war unwirklich. Ich habe meinen Kopf ausgeschaltet und einfach gemacht."
Die 25-Jährige aus Weimar setzte als sechste Starterin in 103,54 Sekunden zunächst die Bestzeit, die lange Bestand hatte. Nur die überragende Olympiasiegerin Jessica Fox (Australien) war knapp zweieinhalb Sekunden schneller als die Deutsche, die schon nach ihrer Fahrt mit den Tränen gekämpft hatte. Bronze ging an die US-Amerikanerin Evy Leibfarth.
"Sie hat sich von Lauf zu Lauf gesteigert", sagte Jens Kahl, Sportdirektor beim Deutschen Kanu-Verband (DKV), dem SID. "Damit hat sie den Gegnerinnen ein Pfund vorgegeben, an dem sie sich die Zähne ausgebissen haben. So soll es sein."
Lilik springt für Funk und Tasiadis in die Bresche
Lilik sprang vor rund 15.000 Zuschauern im Osten von Paris nervenstark für ihre erfolgsverwöhnten Teamkollegen Ricarda Funk und Sideris Tasiadis in die Bresche, die entweder dramatisch mit Torfehler (Funk) oder in einem Hundertstelkrimi (Tasiadis) das Traumziel Podest verpasst hatten. In Tokio hatte der Deutsche Kanu-Verband (DKV) noch in allen vier Slalomentscheidungen Medaillen gewonnen - nun ist zumindest eine Nullnummer abgewendet.
Lilik, geborene Apel, ist seit August 2021 mit dem Eishockeyspieler Leon Lilik verheiratet. Ohnehin stammt sie aus einer Sportlerfamilie. Ihr Vater Thomas Apel ist seit einigen Jahren Bundestrainer der Slalomkanuten, ihre jüngere Schwester Emily gehört dem deutschen Junior-Team an. Mama Daniela war früher aktive Handballspielerin, konnte ihre Tochter aber nicht nachhaltig von ihrer Sportart überzeugen.
Elena Lilik begann zwar mit dem Handballspielen, wechselte aber schon mit acht Jahren nach dem Umzug von Jena nach Augsburg zum Kanuslalom - und entdeckte dort ihre Leidenschaft. Die gebürtige Thüringerin entwickelte sich zum ungewöhnlichen Allroundtalent, mit Stärken sowohl im Canadier als auch im Kajak. Während sie im Kajak trotz Weltklassequalität noch häufig im Schatten von Tokio-Olympiasiegerin Funk steht, hat sie im Canadier Ex-Weltmeisterin Andrea Herzog als nationale Nummer eins abgelöst.
Auch international hat sie längst bewiesen, dass sie alle schlagen kann. Die Sportsoldatin wurde im Canadier Weltmeisterin 2021 und Europameisterin 2023. Die Olympia-Medaille kommt nun als Karrierehighlight hinzu - und das muss in Paris noch nicht das Ende sein. Schließlich folgt neben dem Wettkampf im Kajak-Einer mit Noah Hegge noch die neue olympische Disziplin Kajak-Cross. Dort werden bei den Frauen Lilik und Funk für Deutschland starten. (SID/lh)
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