- Die deutsche Handball-Nationalmannschaft scheitert bei Olympia im Viertelfinale an Ägypten.
- Ex-Handballer Christian Schwarzer erklärt die Gründe für das Aus.
- Dass das Ziel Gold für Tokio ausgegeben worden ist, bewertet Schwarzer kritisch.
Das "Projekt Gold" ist gescheitert. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat bei den Olympischen Spielen in Tokio das von der Führung ausgegebene Ziel klar verpasst. Im Viertelfinale unterlag das DHB-Team mit 26:31 gegen Ägypten.
"Das ist natürlich bitter. Wir hatten es heute nicht verdient weiterzukommen und haben unser Ziel nicht erreicht", bilanzierte Bundestrainer
Die Gründe für die Pleite gegen die Ägypter, die man in der Olympia-Vorbereitung noch geschlagen hatte, waren schnell gefunden. "Die Abwehr hatte heute nicht den Zugriff wie zuletzt, dadurch konnte auch die Torhüterleistung nicht so überzeugend sein, dadurch haben uns schnelle Gegenstöße gefehlt. Und vorne hatten wir zu viele Fehlwürfe", sagte Gislason.
Dazu erwischte die deutsche Mannschaft einen kapitalen Fehlstart: 1:6 stand es aus deutscher Sicht nach zehn Minuten. Diese Hypothek schleppten Gensheimer und Co. bis zum Ende der Partie mit. Zudem erwischte Ägyptens Torhüter Karim Hendawy einen herausragenden Tag (41 Prozent gehaltene Bälle) und kaufte den deutschen Werfern ein ums andere Mal den Schneid ab.
Ex-Profi Schwarzer: "Ägypter die deutlich bessere Mannschaft"
"Das Ausscheiden war leider gerechtfertigt und auch in der Deutlichkeit, denn die Ägypter waren gestern die deutlich bessere Mannschaft", sagt auch Ex-Handballer Christian Schwarzer im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Weltmeister von 2007 ergänzt: "Aus meiner Sicht waren die Ägypter in allen Mannschaftsteilen besser. Wir haben es nicht geschafft, eine kompakte Abwehr hinzustellen, die die Wucht der Ägypter im Angriff bremst. Außerdem gab es, wie bereits im gesamten Turnier, zu viele leichte technische Fehler, die den Gegner einladen, einfache Tore zu machen. Auch die Wurfeffektivität war nicht auf dem nötigen Niveau, dass man so ein Spiel gewinnen kann."
Eine Tatsache aber verwundert den früheren Kreisläufer: "Dass die Mannschaft wieder so schwer in die Partie gekommen ist, kann ich mir nicht erklären. Timo Kastening [Rechtsaußen; Anm.d.Red.] sprach danach von fehlender Galligkeit im Vergleich zu den Ägyptern. Wieso das in einem olympischen Viertelfinale sein kann, erschließt sich mir nicht direkt."
Unter dem Strich bleibt daher festzuhalten, dass die deutsche Mannschaft die anvisierte Goldmedaille relativ deutlich verpasst hat. Drei Siege und drei Niederlagen ist die Gesamtbilanz des DHB-Teams in Tokio, das von Bundestrainer Gislason nach dem Aus ein Stück weit in Schutz genommen wurde.
DHB-Team mit kürzester Olympia-Vorbereitung aller Zeiten
"Wir wollen Erfolg haben, aber wir haben keine Zeit, daran zu arbeiten", sagte der Isländer, der auf Klubebene alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. "Das DHB-Team hat durchaus gezeigt, dass es mit den großen Mannschaften mithalten kann, wie bei den knappen Niederlagen gegen Frankreich und Spanien. Es muss aber analysiert werden, warum es in engen Spielen am Ende nur selten zum Sieg reicht", zieht auch Schwarzer kein uneingeschränkt negatives Turnierfazit.
So spielen auch die Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle bei der Betrachtung des deutschen Aus. Die Bundesligaspieler, sagte Gislason, "hatten durch die COVID-Liga eine Monstersaison hinter sich" - sie bestritten die kürzeste Olympia-Vorbereitung, die es je gab. Ägypten etwa hingegen konnte sich seit Mitte Mai auf die Olympischen Spiele vorbereiten, als die deutschen Nationalspieler noch einen guten Monat Ligabetrieb in höchster Intensität vor sich hatten.
Umbruch im DHB-Team? Schwarzer mit klarer Meinung
"HBL und DHB müssen sich hinterfragen, ob alles dafür getan wird, dass die Nationalmannschaft erfolgreich ist. Der Rahmenkalender war unter Corona-Bedingungen sehr extrem", fordert Schwarzer ein Umdenken auf Seiten des Verbandes. Und doch lässt sich festhalten, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit im DHB-Team eine Lücke klafft.
"Wir waren in der Breite diesmal nicht stark genug. Wir sind uns ja einig, dass wir es nur als Mannschaft lösen können, weil uns bis auf Hendrik Pekeler in der Abwehr der absolute Unterschiedsspieler fehlt", erklärte DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der das Gold-Ziel für Tokio ausgegeben hatte.
Schwarzer sieht die Mannschaft aber "in allen Bereichen nominell gut aufgestellt". Die Mannschaft könne in ihrer "jetzigen Zusammensetzung noch einige Turniere spielen". Zur Gold-Zielsetzung von Hanning aus dem Jahr 2013 hat Schwarzer eine klare Meinung: "Es muss immer das Ziel einer deutschen Handball-Nationalmannschaft sein, eine Medaille zu holen. Die HBL ist die stärkste Liga der Welt. Die Mannschaft hat das Potenzial, um die Medaillen mitzuspielen. Ob man aber unbedingt das Ziel Goldmedaille aussprechen muss, da tue ich mich schwer."
Der frühere Kreisläufer fügt an: "Es war sehr angenehm, dass der DHB-Vizepräsident Leistungssport sich während des Turniers öffentlich zurückgehalten hat und der Mannschaft sowie der sportlichen Führung um Alfred Gislason die Bühne überlassen hat." Denn Gislason nannte das Halbfinale als Ziel und das Viertelfinale als Minimalziel, von Gold war aus dem Kreis der Mannschaft während der Spiele nicht viel zu hören.
"Aber so gehört sich das, dass die sportliche Seite die Dinge vorgibt und nicht irgendwelche Offiziellen oder Funktionäre, die damit nichts am Hut haben", sagt Schwarzer dazu. Die Frage nach der Zielsetzung wird auch bei den kommenden Turnieren gestellt werden, man darf gespannt sein, wer dann die Richtung vorgibt. Denn Gold scheint aktuell in weiter Ferne.
Verwendete Quellen:
- SZ.de: Männer mit hängenden Köpfen
- Handball-World.de: Aus der Traum für Handball-Deutschland - Erste Reaktionen nach Niederlage gegen Ägypten
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.