Isabell Werth muss direkt vor Beginn der Olympischen Spiele Abschied von ihrem Vater nehmen. Dessen Tod belastet eine Legende der deutschen Dressur, ist gleichzeitig aber Ansporn für die Wettbewerbe in Paris. Dort fehlt eine große Konkurrentin Werths, zu deren begangener Dummheit sie sich äußert.

Mehr News zum Thema Sport

Nein, ein optimaler Olympia-Countdown war es sicher nicht. Als die deutsche Dressur-Equipe am Morgen des 26. Juli in Versailles eintraf, trug Isabell Werth im heimischen Rheinberg ihren Vater zu Grabe. Heinrich Werth war am 17. Juli gestorben und ließ nicht nur die berühmte Tochter in tiefer Trauer zurück. "Er hat sich noch so gefreut über uns beim CHIO in Aachen", sagte Isabell Werth dem SID: "Er war so stolz, aber das war er immer, im Sieg und in der Niederlage."

Mit Papa Heinrich im Herzen startete die erfolgreichste Reiterin der Geschichte am 27. Juli in die letzte Vorbereitung vor Ort, die Rituale sind ja ohnehin immer gleich. Und doch ist etwas anders an der Schwelle zu ihren siebten Olympischen Spielen. "An Olympia", sagt Isabell Werth, "kann man sich nicht gewöhnen."

"Es ist so sinnlos und etwas, was ich überhaupt nicht erwartet habe oder in irgendeiner Form verstehen kann."

Isabell Werth äußert sich zum Video, das Konkurrentin Charlotte Dujardin 2020 beim Misshandlen eines Pferdes zeigt

Die äußerte sich in Versailles erstmals zu dem Skandal um ihre einst schärfste Konkurrentin Charlotte Dujardin, der in einem Video massive Gewalteinwirkung gegen ein Pferd im Training nachgewiesen wurde. "Es macht mich wahnsinnig traurig, mir fallen auch keine Worte dazu ein", sagte Werth der ARD-"Sportschau": "Es ist so sinnlos und etwas, was ich überhaupt nicht erwartet habe oder in irgendeiner Form verstehen kann."

Isabell Werth winkt nach ihrem Ritt auf Wendy in Aachen beim CHIO ins Publikum
Die deutsche Dressur-Ikone Isabell Werth auf dem Pferd Wendy de Fontaine winkt nach ihrem Ritt beim CHIO in Aachen am 7. Juli 2024. Werth feiert den Sieg im Nationenpreis. © picture alliance/dpa/Uwe Anspach

Isabell Werth holt bei Olympia-Premiere gleich Gold

1992 in Barcelona ritt die damals 23-Jährige mit dem legendären Gigolo erstmals unter den fünf Ringen, Mannschaftsgold und Einzelsilber waren der Lohn. In Paris ist Isabell Werth mit 55 Jahren die Älteste im deutschen Team, mittlerweile stehen siebenmal Gold und fünfmal Silber in ihrer olympischen Bilanz. Dass in Frankreich weiteres Edelmetall dazukommt, ist zu erwarten, ob es Gold wird, "hängt wie immer von der Tagesform ab".

Unter dem Sattel hat sie Wendy de Fontaine, die zehnjährige Rappstute im Besitz ihrer langjährigen Mentorin Madeleine Winter-Schulze und Bolette Wandt, der Hausherrin im Chateau de Fontaine in der Normandie. Erst seit Januar 2024 sind Werth und Wendy ein Team, eine enorm kurze Zeit, um in einem so komplexen Sport wie der Dressur zueinanderzufinden. "Ein Traum" sei die Stute, sagt Isabell Werth: "Es hat sofort klick gemacht."

Den vorläufigen Höhepunkt ihrer gemeinsamen Reise erlebten Werth und Wendy in Aachen, wo sie mit ihrer abschließenden Kür an der magischen 90-Prozent-Marke kratzten. Und nun also Olympia, die größte Bühne des Sports - und vielleicht eine (zu) große Herausforderung für ein so junges Pferd? "Nein", sagt Isabell Werth, "Wendy ist sehr abgeklärt. In Aachen, was ja kein kleines Turnier ist, war sie unglaublich cool und sehr unbeeindruckt von dem Gewusel."

Isabell Werth drückt die hohen Erwartungen

Okay, also: Pferd und Reiterin passen perfekt zusammen, Wendy ist cool, Isabell Werth erfahren und routiniert wie sonst niemand - da kann ja kaum irgendwas schiefgehen. Oder? "Naja", sagt die siebenmalige Olympiasiegerin, "wir sind im Team auf Augenhöhe mit der Konkurrenz, und im Einzel sind es vier oder fünf Namen, die das unter sich ausmachen können. Da kommt dann wieder die Tagesform ins Spiel."

Bitte sehr, die Namen: Weltmeisterin Lottie Fry aus Großbritannien mit ihrem nachtschwarzen Krieger Glamourdale, mit Abstrichen die Dänin Nanna Skodborg Merrald mit Zepter und Oranjes Stolz Dinja van Liere mit Hermes. Allen voran: Tokio-Siegerin Jessica von Bredow-Werndl mit ihrer fast schon legendären Dalera. Und dann eben: Isabell Werth. (sid/hau)

Verwendete Quelle:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.